KONJUNKTURAUSBLICK 2016: POSITIVE GRUNDTENDENZ



Das globale Wirtschaftswachstum wird sich 2016 leicht auf +2,8% beschleunigen. Nachdem die Erholung 2015 erstmals wieder durch die fortgeschrittenen Länder maßgeblich getrieben wurde, übernehmen im neuen Jahr die Schwellenländer wieder eine stärkere Rolle. Hier erwarten wir eine leichte Wachstumsbeschleunigung auf 4,0%. Dennoch ist dies der zweitniedrigste Zuwachs der letzten sechs Jahre. Hauptgrund für die nur moderaten Wachstumsraten ist eine fehlende Kreditdynamik. Nachdem zwischen 2007 und 2014 die gesamtwirtschaftliche Schuldenquote (ohne Finanzsektor) in den Schwellenländern um fast 50 Prozentpunkte auf 164% des BIP gestiegen ist, und 2015 eine Seitwärtsbewegung zu verzeichnen war, rechnen wir auch 2016 mit keinem weiteren Anstieg. In der Causa China haben uns die Maßnahmen der Regierung und der Notenbank im Spätherbst 2015 darin bestärkt, ein "soft landing" der Wirtschaft zu unterstellen. Dabei gibt es eine Reihe von Anzeichen, dass die Transformation zu einem stärker Konsum getriebenen Wachstum bereits voll im Gange ist. Da diese Art von Wachstum weniger rohstoffintensiv ist, wird die Nachfrage des für viele Produkte größten Abnehmers verhalten bleiben. Auch deshalb werden Rohstoffpreise unter Druck bleiben. Für den Ölpreis gehen wir in den kommenden Monaten von einer volatilen Seitwärtsbewegung aus, bevor in der zweiten Hälfte 2016 ein moderater Preisanstieg einsetzen sollte. Dann sollten nicht nur die Ängste vor einem "hard landing" in China verflogen, sondern auch erste Auswirkungen der dezimierten Förderkapazitäten spürbar sein.

Sowohl in den USA (von 2,5% auf 2,6%) als auch im Euro-Raum (von 1,4% auf 1,5%) und Deutschland (von 1,7% auf 1,8%) sollten sich die BIP-Wachstumsraten von 2015 auf 2016 leicht erhöhen. Alle Regionen profitieren zunächst noch von den positiven Effekten des niedrigen Ölpreises. Während sich in den USA dann zunehmend selbsttragende Wachstumstreiber etablieren, sind diese in Europa noch immer schwach ausgeprägt.

Neben der Unterstützung durch eine etwas stärkere globale Nachfrage bedarf es in Europa daher zusätzlicher Impulse von der Geld- und der Fiskalpolitik, um das Wachstum anzukurbeln. Hier wird nach vielen Jahren der Haushaltskonsolidierung die Fiskalpolitik wieder eine aktivere Rolle spielen. Der Hauptimpuls wird dabei durch zusätzliche staatliche Ausgaben für die Versorgung und Integration der Flüchtlinge kommen. Insbesondere in Deutschland dürfte dieses "ungeplante Konjunkturprogramm" kurzfristig das Wachstum um etwa ¼% beflügeln. Zudem erwarten wir erhöhte staatliche Ausgaben für den Bereich Sicherheit infolge der Terrorangriffe.

Auf Seite 2: Geldpolitik





GELDPOLITIK I: MISSION NOCH NICHT ERFÜLLT



Im anhaltend moderaten Wachstumsumfeld ist in den fortgeschrittenen Ländern nicht mit einem deutlichen Anstieg der unterliegenden Inflation zu rechnen. Die meisten Zentralbanken in den Industrieländern werden das angestrebte Ziel nachhaltiger Inflationsraten um die 2% nicht erreichen. Als Konsequenz wird die Geldpolitik in den G4-Ländern insgesamt weiter ultralocker bleiben. Durch die Kombination leicht steigender Zentralbankzinsen in den USA und UK einerseits und der beschleunigten Ausweitung der Bilanzen der Zentralbanken im Euro-Raum und Japan anderseits, wird sich der Expansionsgrad der G4-Zentralbanken insgesamt aber erstmals seit 2008 nicht weiter erhöhen.

GELDPOLITIK II: SPAGAT VON EZB UND FED SORGT FÜR VOLATILITÄT



Die entgegengesetzte Ausrichtung der Geldpolitik der wichtigsten Zentralbanken ist außergewöhnlich und dürfte insbesondere an den Devisenmärkten zu erhöhter Volatilität führen. Beim großen Zentralbankfinale im Dezember, bei dem zuerst die EZB mit einer Ausweitung des QE-Programms den Ton angab, wird die Fed mit einer vorsichtigen Zinserhöhung den Schlusspunkt setzen. 2016 werden die Märkte den Fokus zunächst verstärkt auf die Fed richten, die dann zeigen muss, was sie unter dem bisher angekündigten "graduellen Zinsanstieg" versteht. Im Hinblick auf die moderate Konjunkturentwicklung und den begrenzten Inflationsdruck in den USA sowie die immer noch fragile globale Finanzarchitektur gehen wir insbesondere bei einem stark in das Jahr 2016 startenden Dollar davon aus, dass die Fed sich sehr viel Zeit für den zweiten Zinsschritt nehmen wird. Wir erwarten diesen erst im September. Daher ist eine zwischenzeitliche Korrektur der Dollarstärke wahrscheinlich.

Mit dem allmählichen Voranschreiten der Fed würde sich zu normalen Zeiten dann die Frage stellen, wann die EZB ebenfalls beginnt, die geldpolitischen Zügel zu straffen. Dies wird jedoch weder 2016 noch 2017 der Fall sein. Vielmehr wird die EZB auf der Zinsseite eher über noch weitere Senkungen nachdenken und in Sachen Bilanzexpansion dem von der Fed vorgegebenen, höheren Pfad weiter flogen. Durch diese anhaltende Lockerung der EZB-Politik wird das "Zentralbank-Ärgere-Dich-Nicht"-Spiel wohl noch weiter gehen. Vor allem dürften kleinere Notenbanken in Europa unter Druck geraten, zur Vermeidung einer zu starken Aufwertung ihrer Währungen dem Beispiel der EZB zu folgen. Solange es also keine Kehrtwende bei der unterliegenden Inflation gibt, die wir im Umfeld nur moderaten Wachstums in Europa nicht sehen, wird die EZB ihre Politik weiter lockern. Erst 2018 rechnen wir mit ersten Schritten zur Reduzierung des Expansionsgrads in Form einer graduellen Rückführung der Kaufprogramme. Die erste EZB-Zinserhöhung prognostizieren wir weiterhin erst 2019.

Auf Seite 3: Risiken





RISIKEN: EUROPA VOR DER ZERREIßPROBE



Ein Großteil der politischen Unwägbarkeit lässt sich in Europa lokalisieren. So wird nicht nur in Spanien im Dezember 2015 ein neues Parlament gewählt, sondern in fünf weiteren Euro-Raum-Staaten (Irland, Zypern, Slowakische Republik, Niederlande und Litauen) sowie in Rumänien werden die Wähler im Jahr 2016 zur Urne gerufen. Bei einer Eskalation der Flüchtlingskrise sind Neuwahlen auch in anderen Ländern nicht ausgeschlossen. Insbesondere bei solchen, nicht geplanten Wahlen ist mit erhöhter Volatilität an den Märkten zu rechnen. Dabei kann sich das Machtgefüge im Europäischen Rat und auch in der Eurogruppe im Verlauf des kommenden Jahres verschieben. Dies kann durchaus Auswirkungen bei der Umsetzung der Fiskalregeln und der weiteren Gestaltung der Währungsunion haben, wo wichtige Entscheidungen zur Ausgestaltung der Banken- und Kapitalmarktunion und die Frage der Fiskalunion im Raum stehen.

Neue Regierungskonstellationen im Euro-Raum können Auswirkungen auf den Umgang mit dem einzigen verbliebenen Programmland Griechenland haben. Zwar hat die dortige Links-rechts-Regierung es bisher geschafft, die Kriterien für die Auszahlung der Tranchen zu erfüllen. Es ist jedoch schon jetzt ersichtlich, dass die politischen Hürden für weitere schmerzhafte Reformen in Athen immer höher werden. Wir gehen daher weiterhin davon aus, dass es letztlich zum Grexit kommt. Aufgrund der durch die Flüchtlingswelle angespannten politischen Situation in der EU, die die Union vor eine Zerreißprobe stellt, erscheint uns ein Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion im Jahr 2016 aber als verfrüht. Wir haben daher den Grexit-Zeitpunkt auf das Jahr 2017 verschoben. Unklarheit im Hinblick auf den Termin besteht auch beim EU-Referendum im Vereinigten Königreich, das aber wohl im September 2016 stattfinden wird. Das Ergebnis dieser Entscheidung ist aus unserer Sicht mit großen Risiken behaftet. In unserem Basisszenario gehen wir mit einer Wahrscheinlichkeit von 60% von einem Verbleib der Briten in der EU aus. Der Ausgang des Referendums wird dabei stark von den Entscheidungen der EU im Umgang mit dem Flüchtlingsstrom beeinflusst."

Reuters