Sie darf die Mieten in einer großen Wohnanlage im Szeneviertel Schwabing noch nach altem Recht stärker erhöhen, obwohl die Arbeiten erst ein knappes Jahr später beginnen sollten. Laut BGH ist das nicht rechtsmissbräuchlich. (Az. VIII ZR 305/19)

Der Münchner Mieterverein, der die Musterklage geführt hatte, nannte die Entscheidung enttäuschend. "Das heißt, dass auf die Mieterinnen und Mieter nun deutlich extremere Mieterhöhungen nach der Modernisierung zukommen", sagte Geschäftsführer Volker Rastätter. "Viele Menschen werden sich das Leben im Hohenzollernkarree nicht mehr leisten können und somit ihr Zuhause verlieren."

Hintergrund des Streits ist eine Gesetzesänderung zum Jahreswechsel 2018/19. Vorher durften die Eigentümer bei einer Modernisierung jährlich elf Prozent der entstehenden Kosten auf die Mieter umlegen. Seither sind es nur noch acht Prozent. Außerdem hat der Gesetzgeber nun zusätzlich eine Obergrenze für die Erhöhung eingezogen.

Aus Sicht des Mietervereins ging es dem Immobilienunternehmen darum, kurz vor dem Stichtag Fakten zu schaffen. Die Mieter wurden am 27. Dezember 2018 angeschrieben. Dabei sollten die Arbeiten erst im Dezember 2019 beginnen und sich bis ins Jahr 2023 hinziehen.

Laut Deutschem Mieterbund (DMB) kein Einzelfall: Dort liegen zwar keine bundesweiten Zahlen vor. Aber auch der Berliner Mieterverein habe von auffällig vielen Modernisierungsankündigungen in der zweiten Dezemberhälfte 2018 berichtet. Meist sollte laut DMB erst mehr als sechs Monate später mit den Arbeiten begonnen werden. Die Mieter hätten glücklicherweise davon profitiert, dass viele Ankündigungen mit derart "heißer Nadel gestrickt" gewesen seien, dass sie wegen formaler Fehler als unwirksam zurückgewiesen worden seien.

Die Ankündigung in dem Münchner Fall erfüllt laut BGH alle inhaltlichen Anforderungen. Das ist für die Richterinnen und Richter das zentrale Kriterium: Die Planungen müssen so weit gediehen sein, dass den Mietern sämtliche vorgeschriebenen Angaben gemacht werden können. Einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Ankündigung der Arbeiten und deren Beginn verlange das Gesetz nicht.

Der Immobilienfirma ist nach Ansicht des Senats auch nicht zum Vorwurf zu machen, dass sie sich noch eine Mieterhöhung nach altem Recht sichern wollte. Der Gesetzgeber habe bei der Übergangsregelung die Interessen von Mietern und Vermietern abgewogen. Entscheidend sei der Zugang der Ankündigung. Wenn ein Eigentümer es rechtzeitig zum Stichtag schaffe, sei ihm kein treuwidriges Verhalten vorzuwerfen.

Für die betroffenen Mieter ist die Karlsruher Entscheidung ein herber Rückschlag. Das Oberlandesgericht München hatte 2019 in erster Instanz entschieden, dass die Eigentümer-GmbH die Mieten nur in den engeren Grenzen der neuen Rechtslage erhöhen darf.

Die Möglichkeit der Musterfeststellungsklage gibt es seit dem 1. November 2018. Verbraucher sollen es damit leichter haben, ihre Rechte durchzusetzen. Sie müssen nicht selbst klagen, sondern können sich ohne Anwalt der Musterklage eines Verbraucherverbands anschließen. Das Urteil ist dann für alle verbindlich.

Der Mieterverein München will für die Mieter im Hohenzollernkarree nun "noch andere juristische Möglichkeiten" prüfen. Dabei dürfte es um Härtefall-Regelungen im Einzelfall gehen. Dem Verein zufolge droht vielen Betroffenen eine Verdoppelung ihrer Miete. Ein Ehepaar, das seit sechs Jahrzehnten dort wohne und bisher rund 763 Euro Kaltmiete bezahle, solle nach den Arbeiten 729 Euro im Monat mehr zahlen. Nach neuem Recht wären es laut Mieterverein höchstens 230 Euro gewesen.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) erklärte: "Das ist ein bitterer Tag für alle Mieterinnen und Mieter." Der Bundesgesetzgeber müsse ihre Interessen endlich ernstnehmen.

dpa-AFX