€URO AM SONNTAG: Sind Sie optimistisch, dass die neue Regierung vor Neujahr steht?
FRIEDRICH HEINEMANN: Ja. Durch den Wegfall der rot-grün-roten Option hat sich die strategische Situation stark vereinfacht. Zudem sind die verbleibenden Alternativen zur Ampel nicht wirklich machbar, weder Jamaika noch Große Koalition.

Können sich die Akteure bei ihren Sondierungen rasch auf Kernthemen einigen?
Der Graben zwischen Grünen und FDP ist kleiner als zwischen SPD und FDP. Für die Grünen ist es kein Gesichtsverlust, der FDP mit ihrer Marktorientierung stärker entgegenzukommen, solange Klimapolitik Substanz hat. Und für die FDP ist ambitionierte Klimapolitik akzeptabel, wenn dabei stark auf marktwirtschaftliche Instrumente gesetzt wird. Essenziell für die Liberalen ist, dass es nicht zu einer neuen Welle von Markteingriffen kommt.

Wo sehen Sie mögliche Bruchstellen?
Bei Themen wie Hartz und Steuern für Topverdiener. Aber auch hier sind gesichtswahrende Kompromisse möglich.

Können die Vorhaben der Parteien umgesetzt werden, ohne die Schuldenbremse aufzuweichen oder Steuern zu erhöhen?
Ja. Unter der Bedingung, dass es nicht zu teuren Zuschüssen in die sozialen Sicherungssysteme kommt. Die neue Koalition wird zudem kreative Budgetkosmetik betreiben und versuchen, die Schuldengrenze durch Fonds-Konstruktionen zu umgehen. Man darf aber nicht vergessen: Die Budgetkonsolidierung der letzten zehn Jahre ist nicht durch Steuererhöhungen, sondern durch Wirtschaftswachstum eingetreten. Wichtig ist, dass die neue Koalition das Wachstum nicht durch neue Steuern und Regulierung ausbremst. Vielleicht ist gerade Grün-Gelb hier ein "Dream-Team". Grün sorgt für ökologischen Investitionsschub, Gelb verhindert drohende Schäden durch naive Staatsgläubigkeit.