Die gute Nachricht zuerst: Die Lebenserwartung steigt. Mädchen, die 2019 geboren wurden, haben laut Statistischem Bundesamt gute Aussichten, 83,3 Jahre alt zu werden. Für Jungen gelten 78,5 Jahre als realistische Zielmarke. Nun die weniger gute Nachricht: Oftmals ist ein selbstständiges Leben irgendwann nicht mehr möglich. Auch ein Umzug ins Alten- oder Pflegeheim kann meist nicht mehr allein bewältigt werden. Angehörige oder gute Freunde müssen beim Umzug und in der Regel auch bei der Auflösung der ehemaligen Wohnung helfen. Im Todesfall bleibt die Auflösung des eigenen Haushalts naturgemäß anderen überlassen.

BÖRSE ONLINE klärt Fragen rund um Wohnungsauflösungen beim Umzug ins Heim oder im Todesfall.

Wer darf einen Hausstand auflösen?

Im Erbfall sind dafür die Erben zuständig, die sich aus der gesetzlichen Erbfolge, aus Testament oder Erbvertrag ergeben. Werden Haushalte zu Lebzeiten des Wohnungsinhabers aufgelöst, muss das Vorgehen mit dem Umziehenden abgesprochen werden. "Selbst bei Geschäftsunfähigkeit wie im Fall von Demenzerkrankungen sind Angehörige gesetzlich verpflichtet, sich zumindest in den Grenzen des Möglichen nach dem Willen des Umziehenden zu richten", sagt Anton Steiner, Münchner Fachanwalt für Erbrecht. Er erläutert: "Solange Absichten und Auffassungen einigermaßen vernünftig und verständlich geäußert werden, müssen Angehörige wie auch alle anderen diesen entsprechen." Ist dies nicht mehr der Fall, gilt der "vermutete Wille".

Wie kann ich mich absichern?

Wer vorbereitet sein will, kann durch Vollmachten oder Verfügungen regeln, wer im Krankheitsfall für einen handeln darf. Bei einer Vollmacht legt der Vollmachtgeber fest, wen er wofür bevollmächtigt und in welchen Situationen die Vollmacht gilt. Privat Bevollmächtigte werden nicht gerichtlich kontrolliert. "Erfährt das Betreuungsgericht aber, dass Vertraute - mit oder ohne Vollmacht - gegen den Willen eines Betroffenen handeln, kann es einschreiten und einen Betreuer bestellen", erklärt Steiner. Dabei haben ehrenamtliche Betreuer, meist Angehörige, Vorrang vor professionellen Betreuern. Liegt eine Betreuungsverfügung vor, richtet sich das Gericht danach - es sei denn, in der Verfügung Benannte sind nicht in der Lage, der Aufgabe nachzukommen.

Ehrenamtliche wie professionelle Betreuer müssen dem Gericht einmal im Jahr über ihre Tätigkeit berichten und nachweisen, dass sie zum Wohle des Betreuten handeln. Im Idealfall werden Vollmachten und Verfügungen frühzeitig verfasst und die Aufgaben abgesprochen.

Wer darf handeln?

Jeder mit entsprechender Legitimation. Das bedeutet beispielsweise, dass dem Betreffenden vom Eigentümer oder Mieter ein Schlüssel anvertraut wurde, verbunden mit der Bitte um Auflösung der Wohnung. Haben Betreuer, Bevollmächtigte oder Erben keinen Schlüssel, müssen sie ihre Berechtigung gegenüber Inhabern von Zweitschlüsseln belegen, etwa gegenüber der Hausverwaltung durch Vorlage von Verfügung, Vollmacht, Erbschein oder Testament und Personalausweis.

Vor Beginn einer Wohnungsauflösung müssen die Erben zunächst überlegen, ob sie das Erbe antreten wollen. Denn eine Wohnungsauflösung werten Juristen als "schlüssiges Verhalten" für dessen Annahme. Soll das Erbe abgelehnt werden, hat dies binnen sechs Wochen zu geschehen. Die Frist beginnt, sobald der Erbe vom Erbfall erfahren hat beziehungsweise das Testament eröffnet wurde. Wird das Erbe angenommen, treten Erben in Rechte und Pflichten des Verstorbenen ein.

Zu Beginn jeder Wohnungsauflösung ist nach bestehenden Verträgen zu suchen. Bei Versicherungen sind eventuelle Ansprüche beziehungsweise Dauer oder Fortführung des Versicherungsschutzes zu klären. Denn viele Verträge und Mitgliedschaften erlöschen mit dem Tod nicht. Sollen diese gekündigt werden, braucht es dafür Kopien von Vollmacht, Verfügung beziehungsweise Sterbeurkunde, eventuell notariell beglaubigt.

Wer darf sich am Hausrat bedienen?

Die Erben und andere, denen sie Zugang gewähren. "Bei mehreren Erben muss eventuell erst der Wert des Hausrats geschätzt werden, um ihn gerecht aufzuteilen", erklärt Rechtsanwalt Steiner. Auf jeden Fall sollte zur Wahrung des (Familien-)Friedens offen kommuniziert werden: Wer möchte was? Wer nimmt was mit? Dafür können Listen angefertigt und im Erbenkreis ausgetauscht werden. So lässt sich der neue Aufbewahrungsort nachvollziehen und Ersehntes wiederfinden.


Wollen Sie mehr Hintergründe und Einschätzungen zum Coronavirus, Informationen zu Dividenden und Hauptversammlungen und Empfehlungen und Strategien für Anleger: Dann lesen Sie jetzt die digitalen Einzelausgaben von BÖRSE ONLINE, €uro am Sonntag und €uro

Hat Ihnen der Artikel von boerse-online.de gefallen? Dann unterstützen Sie jetzt unabhängigen Journalismus mit einem kleinen Einmal-Betrag. Wir bieten laufend aktuelle Börsen-Analysen, spannende Realtime-News und objektive Nutzwert-Themen - die in diesen Zeiten wichtiger sind denn je. Vielen Dank.

Unterstützen Sie
unabhängigen Journalismus!

Wählen Sie einen Betrag:

Powered by

Wird der Hausstand zu Lebzeiten des Inhabers aufgelöst, ist Vorsicht geboten. "Hausrat darf nicht weggeworfen werden, nur weil dies bequemer ist", betont Steiner. Bei allzu eigenmächtigem Handeln ohne Absprache mit Wohnungsinhaber, eingesetztem Betreuer oder späteren Erben drohen Klagen, etwa falls Erbstücke vorzeitig auf den Müll gewandert sind. Eventuell ist bei einer Wohnungsauflösung zu Lebzeiten auch noch gar nicht klar, wer eines Tages was erbt. Im Zweifelsfall hilft nur Einlagern.

Was sollte man aufbewahren?

Alle Gegenstände von finanziellem oder emotionalem Wert: Das können beispielsweise (antike) Möbelstücke, wertvolles Geschirr oder (Silber-)Bestecke sein, Sammlerstücke wie Münzen, aber auch Spielsachen. Besonderen Wert haben alle Dinge, die Familiengeschichte erzählen wie Fotoalben. Falls der oder die Erben weder Sinn noch Platz für solche Dinge von familiärem Wert haben, können sie Verwandte fragen. Häufig gibt es jemanden, der sich in besonderer Weise für die Familiengeschichte interessiert.

Bei der Sichtung des Haushalts sind auch Gewohnheiten zu bedenken: Wurden Geldscheine gern in Büchern oder zwischen Wäschestücken versteckt? Haben die Erben alles Wichtige und Wertvolle aussortiert, können vielleicht weitere Verwandte sowie Freunde und Nachbarn eingeladen werden, um sich Erinnerungsstücke auszusuchen.

Wohin mit brauchbarem Hausrat?

Gut erhaltene und gefragte Dinge können verkauft, verschenkt oder gespendet werden. Kunst, Schmuck, Antiquitäten oder Designerstücke lassen sich an Händler, Secondhand-Läden oder über Onlinehändler verkaufen. Für Altmetalle, Briefmarken und Münzen gibt es spezielle Händler. Sie sind über Suchportale oder Gelbe Seiten zu finden. Bargeld in Deutscher Mark tauschen die Bundesbank und ihre Filialen gebührenfrei in Euro. Spenden nehmen Wohlfahrtsverbände, Sozialkaufhäuser und Secondhand-Läden an.

Was tun mit dem Rest?

Zeit, Energie, körperliche Kraft, Verfügbarkeit von Transportmitteln und kommunale Regelungen entscheiden, ob selbst oder über eine Firma entrümpelt wird. Soll eine Firma beauftragt werden, kann ein Vergleich von Kostenvoranschlägen lohnen. Die Kosten für diese Dienstleistung richten sich nach dem Umfang der Arbeit, aber auch nach der Verwertbarkeit von Möbeln oder Teppichen für den Entsorger. Eventuell lohnt es, die Entrümpelung einer Firma für Haushaltsauflösungen zu überlassen, die Hausrat ankauft.

Was passiert mit der Wohnung?

Im Falle einer Mietwohnung geht ein bestehender Mietvertrag in der Regel auf die Erben über. Gibt es keine weiteren Mitmieter, können diese überlegen, ob sie selbst einziehen oder die Wohnung kündigen wollen. Gehört die Immobilie zum Nachlass, müssen die Erben entscheiden: selbst einziehen, verkaufen oder vermieten? "Bei Erbengemeinschaften muss die Immobilie eventuell verkauft werden, um Wünsche nach Aufteilung des Erbes befriedigen zu können", erklärt Anwalt Steiner.

Was ist im Todesfall zu tun? Hier finden Sie die Checkliste für Erben