Noch aber ist der Punkt nicht erreicht, Entwarnung zu geben. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel und IWF-Chef Christine Lagarde nach einem Treffen am Dienstagabend gefragt wurden, was sie von der griechischen Zögerlichkeit bei den versprochenen Privatisierungen hielten, drückten sie sich elegant um eine Antwort. Sie nutzten aber die Chance, noch einmal ihre "roten Linien" zu betonen. Merkel sagte zweierlei: der IWF müsse bei den Griechenland-Hilfen an Bord bleiben und ein Schuldenschnitt sei nicht möglich. Lagarde versicherte, der Fonds wolle ja weiterhin helfen, aber bei den griechischen Schulden müsse sich etwas tun, um sie "tragfähig" zu machen. Das Wort Schuldenerlass vermied sie.
GRIECHENLAND AM ZUG
"Einig sind sich beide, bei allen Unterschieden, dass erst einmal die Griechen etwas tun müssen", hieß es nach dem Treffen in Kreisen der Geldgeber. Die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras muss in den aktuellen Verhandlungen EU-Kommission, IWF, Europäische Zentralbank und auch den Euro-Rettungsschirm ESM davon überzeugen, dass sie bei Einsparungen und Reformen ihre Zusagen eingehalten hat und weiter einhält.
Hier gibt es aber ein Problem: Wenn Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis in Berlin verkündet, die den Geldgebern versprochenen 50 Milliarden Euro an Privatisierungserlösen seien von Anfang an unrealistisch gewesen, man werde womöglich bei sechs bis sieben Milliarden Euro enden - dann wischt er eine Kernbedingung der Hilfsvereinbarungen vom Tisch. Langjährige Kritiker der Griechenland-Hilfen wie der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach fragen nun bereits, ob das Griechenland-Programm von maximal 86 Milliarden Euro überhaupt fortgeführt werden kann.
Auch bei den geforderten Haushaltsüberschüssen bleibt die griechische Regierung hinter ihren Zusagen zurück. Weitere Sparbedingungen will man dennoch nicht hinnehmen. Unklar ist zudem, ob eine weitere zentrale Reformauflage, die Rentenreform mit neuen Einschnitten für die Alten, überhaupt das Parlament passieren wird. Die Regierung in Athen macht auf Zuversicht. "Keine großen Probleme", sagt Stathakis.
DIE GELDGEBER SIND SICH UNEINS
Die Geldgeber sind sich uneins, wie darauf zu reagieren ist. Schäuble äußerte jüngst die Bereitschaft, bei der Rentenreform über Ersatzmaßnahmen zu sprechen. Der IWF hält diese aber für eine Eckpfeiler zur Gesundung des Landes.
Der wichtigste Dissens unter den Geldgebern aber gilt der geforderte Entlastung Griechenlands bei seiner Schuldenlast von über 180 Prozent der Wirtschaftsleistung. Einen Schuldenschnitt, also einen Verzicht auf Kreditrückzahlungen, wie ihn der IWF für eine Beteiligung am Hilfsprogramm für unerlässlich hält, lehnt Deutschland ab. "Rechtlich nicht möglich", sagt Merkel. Andererseits: macht der IWF ernst und zieht sich deshalb zurück - was die Regierung in Athen begrüßen würde - wäre die Forderung der Bundesregierung nach einer IWF-Beteiligung hinfällig. Das könnte sie die Unterstützung ihrer eigenen Abgeordneten im Bundestag für die Rettungsaktion kosten und damit das ganze Hilfsprogramm ins Rutschen bringen.
Doch soweit wird es nach Einschätzung von Insidern nicht kommen. "Am Ende wird es etwas geben, bei dem jeder sein Gesicht wahren kann", sagt einer von ihnen. Der Kompromisspfad sei schon vorgezeichnet und durchgerechnet: Noch günstigere, großzügigere Kreditbedingungen für Athen. "Bis 2022 sind (...) die Schulden tragfähig", beschrieb Minister Stathakis die Lage. Grund dafür sind lange Zins- und Tilgungspausen bei Krediten der Euro-Partner. Die könnte man weiter ausdehnen und zugleich noch die Kreditlaufzeiten verlängern, um die Schuldentragfähigkeit auch langfristig zu sichern. "Das ist dann in der Wirkung am Ende fast so etwas wie ein Schuldenschnitt", sagt ein Insider.
Reuters