Kurz wurde in der vergangenen Woche der Schleier des Vergessens, der sich seit 2012 über den "Haircut" der griechischen Staatsanleihen gelegt hat, weggezogen. Da gab das Bundesverfassungsgericht seinen Beschluss bekannt, eine Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs in dieser Angelegenheit nicht zur Entscheidung anzunehmen. Man erinnert sich: Im Zuge der Restrukturierung seiner Staatsschulden hatte Griechenland ein Gesetz erlassen, dass den Umtausch alter Anleihen in neue mit weniger als dem halben Nennwert vorsah und bei einer Mehrheitsentscheidung der Gläubigerversammlung eine Allgemeinverbindlichkeit des Umtauschangebots auch für die widersprechenden Anleiheinhaber. Dagegen hatten deutsche Anleger vor deutschen Gerichten geklagt und waren in allen Instanzen gescheitert. Der juristisch gut vertretbare, die Beschwerdeführer aber frustrierende Grund liegt in der sogenannten Staatenimmunität: Kein Staat ist einer fremden Gerichtsbarkeit unterworfen. Da Griechenland nicht einfach nicht gezahlt (dagegen hätte man vorgehen können), sondern den Zwangsumtausch durch einen hoheitlichen Akt - ein Gesetz - durchgeführt hat, gucken die Besitzer der Anleihen vor deutschen Gerichten in die Röhre. Man sollte diese Geschichte als Anlass für einen guten Vorsatz nehmen: "Leih’ Staaten kein Geld."
Beliebt ist derzeit die These, mit Corona sei die Zeit der Globalisierung beendet worden. Dabei wird deren Beginn gerne auf den Fall des Eisernen Vorhangs und Chinas Wendung hin zum Kapitalismus datiert. Tatsächlich aber ist sie viel älter. Vergessen wird immer wieder, dass ausgangs des 19. Jahrhunderts eine weitgehende Freiheit für den weltweiten Austausch von Gütern, Dienstleistungen und Kapital bestand. Und man konnte fast überallhin reisen. Erst die Katastrophe des Ersten Weltkriegs beendete diese Freizügigkeit. Die Skeptiker und Befürworter einer weiteren Öffnung stritten auch vor 150 Jahren - aber nicht über ein Zurückdrehen. So ist das auch heute: Die Globalisierung ist 2020 nicht zu Ende, wir diskutieren nur über ihren Grad.