EINZIGARTIG: GRIECHENLANDS SCHULDENSITUATION
Griechenland ist beim Thema Schulden innerhalb der Euro-Zone und teilweise weltweit ein Sonderfall. Es war das erste Euro-Land, dem auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2010 geholfen werden musste. 2013 folgte ein zweites Hilfsprogramm, das am 30. Juni auslief. Die Gesamtschulden des Staates werden auf rund 240 Milliarden Euro geschätzt, der größte Teil gegenüber den Euro-Staaten durch bilaterale Kredite, dem Euro-Rettungsschirm EFSF, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB). 2012 gab es für Griechenland den wohl größten Schuldenschnitt aller Zeiten, als private Gläubiger auf rund 50 bis 60 Milliarden Euro Forderungen verzichten mussten. Heute geht es vor allem um die Frage, ob auch die Euro-Staaten einen Teil ihrer Ansprüche abschreiben müssen - was vor allem von Akteuren vorgeschlagen, die dadurch keine Verluste erleiden würden, etwa die US-Regierung oder der IWF.
HOHE SCHULDENQUOTE - DURCH SCHWACHE WIRTSCHAFT
Einzigartig ist auch, dass Griechenland mit einer Verschuldungsquote im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt mit rund 175 Prozent einen sehr hohen Wert aufweist. Übersehen wird dabei aber meist, dass die Gesamthöhe der Schulden nicht steigt. Der drastische Anstieg des Wertes ist allein auf die immer noch schrumpfende Wirtschaftsleistung zurückzuführen. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Sobald die Wirtschaft wieder wächst, sinkt die Schuldenquote. Allerdings verschlechtert sich die Wirtschaftslage immer weiter seit die neue Regierung unter Ministerpräsident Alexis Tsipras an der Macht ist. Der weltgrößte Kreditversicherer Euler Hermes erwartet für 2015 jetzt ein Minus beim Bruttoinlandsprodukt von 1,5 Prozent, nachdem er zuvor ein leichtes Wachstum prognostiziert hatte.
HOHE SCHULDEN - ABER SEHR NIEDRIGE BELASTUNGEN
Anders als bei anderen Euro-Programmländern wie Portugal klaffen bei Griechenland hohe Schulden und die fälligen Rückzahlungen extrem auseinander: Der Grund liegt darin, dass das Land gleich mehrfach Erleichterungen beim Schuldendienst bekommen hat - sowohl bei den Krediten des ersten wie auch des zweiten Hilfspakets: Für den Großteil der Kredite, die beim europäischen Rettungsschirm EFSF liegen, muss das Land deshalb erst 2023 überhaupt anfangen mit Zinszahlungen und Tilgung - und das zu einem sehr niedrigen Zinssatz nur knapp über dem Marktzins. Das heißt, dass im jetzigen Haushalt bis auf fünf- bis sechsstellige Gebühren keine Belastungen aus diesen Krediten anfallen. Der EFSF hat ausgerechnet, dass allein der Verzicht auf diese Zahlungen den griechischen Haushalt mit acht Milliarden Euro im Jahr 2014 entlastet hat - was 4,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes entspricht.
Bei den von privaten Anlegern gehaltenen Staatsanleihen gibt es seit der Umschuldung mit dem teilweisen Schuldenerlass und der Streckung der Zahlungen ebenfalls nur geringe Verpflichtungen. Anders ist dies bei den IWF-Krediten, die relativ hohe Zinsen haben, aber nur rund zehn Prozent der Gesamtschulden ausmachen. Bei den von der EZB gehaltenen griechischen Anleihen über 27 Milliarden fallen zwar Zinszahlungen an. Aber im Rahmen des sogenannten Securities Markets Programme (SMP) gibt es die Zusage, dass diese Griechenland zurückerstattet werden. De facto zahlt es also gar keine Zinsen auf diese von der EZB gehaltenen Anleihen.
KEIN SCHULDENSCHNITT MÖGLICH
Es gibt prinzipiell zwei Wege einer Entlastung. Einer davon ist der klassische Schuldenschnitt (haircut), also der Verzicht auf die Rückzahlung von Krediten. Der IWF lehnt dies für seine Kredite ab, weil dies ein Beispiel für alle anderen Länder auf der Welt wäre. Die EZB lehnt dies für die von ihr gehaltenen Anleihen ebenfalls ab, weil sie damit in den Verdacht einer verbotenen monetären Staatsfinanzierung rücken würde. Zumindest die Mehrheit der Euro-Staaten lehnt einen Schuldenschnitt ebenfalls ab, weil dies erstens angesichts der erwähnten Erleichterungen politisch den Bevölkerungen in den 18 anderen Euro-Ländern aus ihrer Sicht nicht mehr zu vermitteln wäre. Finanzminister Wolfgang Schäuble sieht darin zudem einen Verstoß gegen das sogenannte bail-out-Verbot, nach dem die Schulden eines Euro-Staates nicht von den anderen übernommen werden dürfen. Drittens würde ein haircut sofort die angespannten Haushalte der Euro-Staaten belasten, weil sie für ausfallende Griechenland-Kredite beim EFSF bürgen.
WIE KÖNNTE EINE SCHULDENERLEICHTERUNG AUSSEHEN?
Es gibt aber auch andere Wege zu einer Schuldenerleichterung für Griechenland - zu der sich die Euro-Finanzminister bereits im November 2012 bekannt haben, wenn nur ein Primärüberschuss im Haushalt erreicht wird: Eine Möglichkeit besteht darin, die EFSF-Kredite erneut zu strecken, mithin die Verpflichtungen zur Rückzahlung weiter in die Zukunft zu legen. Gläubiger verweisen darauf, dass wegen der Geldentwertung durch Inflation sich der reale Wert der zwischen 2023 und 2054 zurückzuzahlenden Kredite für Griechenland ohnehin drastisch verringert. Der Nachteil für Tsipras: Dieser Weg würde seinen Haushalt jetzt nicht entlasten. Der IWF, in dem die USA größter Anteilseigner sind, lehnt eine Zinssenkung ab.
Kurzfristige Erleichterung könnte es für die Regierung in Athen deshalb eigentlich nur dadurch geben, dass Griechenland Kredite aus dem Euro-Rettungsmechanismus ESM bekommt, um damit die IWF-Kredite und die von der EZB gehaltenen hochverzinslichen Anleihen vorzeitig zurückzukaufen. Der Nachteil für Tsipras: Rechtlich darf der ESM die Kredite und Anleihen nicht übernehmen, er kann Griechenland nur einen Kredit für den Ankauf geben. Dafür aber ist der Abschluss eines dritten Hilfspakets nötig - das an strenge Reformauflagen geknüpft sein muss.
Reuters