Nach russischen Angaben haben sich noch rund 2000 Kämpfer in dem dortigen Stahlwerk verschanzt. Es sei nicht nötig, in die Katakomben unter dem Werk einzudringen, sagte Putin. "Riegeln sie das Gebiet ab, so dass keine Fliege durchkommt", befahl er Schoigu. Laut dem Verteidigungsminister ist das übrige Mariupol inzwischen ganz unter russischer Kontrolle.

Im Osten der Ukraine rückt die russische Armee zudem nach britischen Angaben weiter vor in Richtung der Stadt Kramatorsk. Die russische Agentur RIA berichtet, in der Nacht habe man erneut über 1000 ukrainische Ziele mit Artillerie und Raketen angegriffen.

Die Großstadt Mariupol mit einst über 400.000 Einwohner ist seit Beginn des Krieges heftig umkämpft und seit Wochen von russischen Truppen eingeschlossen. Versuche, die Zivilisten zu evakuieren, scheiterten großteils. Laut Schoigu habe man aber mehr als 140.000 von ihnen ermöglicht, die Stadt zu verlassen. Von den ukrainischen Streitkräften rund um das Stahlwerk hätten sich fast 1500 Kämpfer bereits ergeben. Den verbliebenen Kämpfern wurde bei Aufgabe eine respektvolle Behandlung zugesagt. Ukrainische Behörden gehen davon aus, dass sich auch rund Tausend Zivilisten auf dem Gelände des Stahlwerks befinden, zudem mehrere Hundert verletzte Kämpfer. Mariupol am Asowschen Meer gilt als strategisch wichtig. Sie liegt zwischen den pro-russischen, selbst ernannten Volksrepubliken von Luhansk und Donezk und der von Russland 2014 annektierten Halbinsel Krim.

Nachdem die russischen Truppen mit ihrem Vormarsch auf die Hauptstadt Kiew stecken geblieben und von dort abgezogen waren, konzentrieren sie nun ihre Offensive auf den Osten des Landes. Das russische Militär versuche derzeit, die ukrainischen Luftabwehrfähigkeiten im Osten des Landes zu zerstören, teilte das britische Verteidigungsministerium auf Basis eines Lageberichts des Militärgeheimdienstes mit. Bei der Offensive gebe in der Donbass-Region es aber wohl einen gewissen Zeitdruck. Russland sei wohl bestrebt, vor den jährlichen Feierlichkeiten am 9. Mai zum Tag des Sieges über Nazi-Deutschland bedeutende Erfolge zu erzielen. "Dies könnte sich darauf auswirken, wie schnell und energisch sie versuchen, Einsätze im Vorfeld dieses Datums durchzuführen", hieß es in einem Tweet.

LAMBRECHT: SCHWERE WAFFEN ÜBER RINGTAUSCH FÜR UKRAINE


Der Westen will einen Sieg Putins in der Ukraine verhindern und unterstützt die Ukraine mit Waffen. Zugleich wollen die Staaten aber nicht selbst Kriegspartei werden. Deutschland steht allerdings unter Druck auch schwere Waffen wie Panzer oder Artillerie zu liefern. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht will dies über einen Ringtausch mit Partnern aus der EU und der Nato tun, da die Bundeswehr zur Lieferung aus eigenen Beständen nicht in der Lage sei. "Da geht es um Panzer, da geht es um Schützenpanzer, da geht es um unterschiedliche Möglichkeiten, die einzelne Länder abzugeben haben. Da sind wir momentan im Gespräch und das geht jetzt auch sehr schnell", sagte Lambrecht in der Sendung "Frühstart" von RTL/ntv. "Es geht um die nächsten Tage." Aus eigenen Beständen könne die Bundeswehr jedoch wegen der Verpflichtung der Landes- und Bündnisverteidigung nichts liefern. Beim Ringtausch werden Lieferungen einiger Länder wieder Zug um Zug von anderen ersetzt, etwa durch Produktion neuer Waffen.

Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine über einen Waffestillstand waren zuletzt nicht vorangekommen. Der britische Premierminister Boris Johnson beurteilte die Chancen auch skeptisch. "Wie kann man mit einem Krokodil verhandeln, wenn es dein Bein im Maul hat? Das ist die Schwierigkeit, vor der die Ukrainer stehen", sagte er. Es werde schwer für die Ukraine, einen Friedenvertrag mit einem Staatschef auszuhandeln, der so unzuverlässig sei, sagte Johnson mit Blick auf Putin.

US-Präsident Joe Biden will sich heute in einer Rede im Weißen Haus erneut zum Krieg in der Ukraine äußern. Dabei werde es voraussichtlich auch um die US-Bemühungen für eine weitere Unterstützung der Ukraine und Waffenlieferungen gehen, hieß es in Regierungskreisen. Die Ansprache ist für 15.45 Uhr (09.45 Uhr Ortszeit) geplant. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez und die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen trafen zudem zu einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew ein. Frederiksen sagte der Ukraine die Lieferung von mehr Waffen zu.

Russische Truppen waren am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert. Die Regierung in Moskau bezeichnet ihr Vorgehen als Sondereinsatz zur Entmilitarisierung und Entnazifizierung des Nachbarlandes. Sie weist Vorwürfe zurück, Zivilisten anzugreifen. Westliche Staaten sprechen hingegen von einem Angriffskrieg und Kriegsverbrechen gegen Zivilisten. Seit Beginn der Invasion sind nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als fünf Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen.

rtr