Der galoppierende Vertrauensschwund bei der Schweizer Großbank Credit Suisse wird immer schlimmer. Anteilseigner und Kunden nehmen Reißaus. Wettbewerber halten Türen auf. Von Wolfgang Ehrensberger

Wie schlimm es inzwischen um die Credit Suisse (CS) bestellt ist, zeigen auch Mitleidsbekundungen der Wettbewerber. CS sei ein würdiger Konkurrent, der eine Krise durchmache, die er aber bewältigen werde, meldete sich jetzt der Verwaltungsratschef der Schweizer Großbank UBS, Colm Kelleher, zu Wort. Spekulationen über den finanziellen Zustand der Bank hatten vergangene Woche nicht nur zu einem weiteren Absturz der Aktie auf neue Rekordtiefs geführt, sondern nach Angaben der Bank auch zum Abzug von Kundengeldern von 80 Milliarden Franken oder sechs Prozent des Gesamtvolumens.

Wenn diese Kunden nun bei UBS anklopften, werde man sie nicht zur US-Konkurrenz weiterschicken, ergänzte Kelleher. Der frühere Morgan-Stanley-Manager war selbst erst im Frühjahr zur UBS gekommen. Die UBS wiederum ist weltgrößter Vermögensverwalter für Reiche und Superreiche — und somit ein gutes Auffangbecken für frustrierte CS-Kunden.

Der Absturz der Credit Suisse Aktie

Credit Suisse

Das Trauerspiel um das traditionsreiche Schweizer Geldhaus manifestiert sich auch in der Talfahrt des Aktienkurses, der in dieser Woche neue Rekordtiefs markierte. Innerhalb von acht Tagen verlor die Aktie ein Fünftel ihres Werts, im Zwölfmonatsvergleich liegt das Minus bei 66 Prozent.

Auslöser des jüngsten Ausverkaufs war eine Gewinnwarnung vorvergangene Woche. Um die Bilanz zu stärken, ist Credit Suisse zudem dabei, mit zwei Kapitalerhöhungen insgesamt rund vier Milliarden Franken aufzunehmen. Analysten machten auch diese Kapitalmaßnahmen für die jüngsten Wertverluste mitverantwortlich.

Credit Suisse in der Bredouille

Das Management um CS-Chef Ulrich Körner hatte für das vierte Quartal einen Verlust von 1,5 Milliarden Franken in Aussicht gestellt. Es wäre der fünfte Quartalsverlust in Folge. Im Sog der sinkenden Einlagen und verwalteten Vermögen gehen die Zins-, Kommissions- und Gebühreneinnahmen zurück. Hinzu kommen negative Ertragseffekte durch den Ausstieg aus Nicht-Kerngeschäften.

Doch vor allem die massiven Nettoabflüsse in der Vermögensverwaltung, dem Kerngeschäft, sind besorgniserregend — umso mehr, als sie sich noch nicht umgekehrt haben. Ob es der Bank noch gelingt, das Vertrauen rasch wiederherstellen, ist zweifelhaft.

„Für Credit Suisse gibt es in der aktuellen Lage eigentlich nur eine Rettung: eine Übernahme durch einen starken Konkurrenten“, heißt es in Branchenkreisen. Die Alternative sei eine Zerschlagung der Bank mit staatlicher Auffanglösung für das nicht überlebensfähige Geschäft. „Das Geldhaus sitzt angesichts des wegbrechenden Kundengeschäfts in einer regelrechten Todesspirale.“

Dieser Text erschien zuerst in der €uro am Sonntag 48/2022. Hier gibt es einen Einblick ins Heft.