In Frankreich gingen die Ermittler Hinweisen nach, wonach einer der Attentäter entkommen sein soll. Die Angreifer hatten abgestimmt in drei Teams im Pariser Ausgeh-Viertel sowie bei einem Fußballstadion willkürlich Menschen getötet. Sicher ist bislang, dass sieben der Angreifer starben. Sechs zündeten ihren Sprengstoffgürtel, einer wurde erschossen. Eine mit der Fahndung vertraute Person sagte Reuters, im östlichen Pariser Vorort Montreuil sei ein Wagen mit drei Kalaschnikows gefunden worden. Ein Anwohner sagte einem Reuters-Kameramann, die Polizei habe den Pkw auf Bombenfallen untersucht und danach abtransportiert.
AUTOS WEISEN SPUR NACH BELGIEN
Details über die beiden mutmaßlichen Attentäter aus Brüssel waren zunächst nicht zu erfahren. Die französischen Ermittler waren auf die belgische Spur durch zwei in unmittelbarer Nähe der Tatorte abgestellte Fahrzeuge mit belgischen Nummernschildern gekommen. In einem war ein Parkschein aus dem Brüsseler Ortsteil Molenbeek. Dort hatte die Polizei auch die Verdächtigen festgenommen. "Die Polizeimaßnahmen laufen weiter", erklärte der belgische Ministerpräsident Charles Michel dem Sender RTL. Sein Innenminister sagte, in Molenbeek werde jetzt "aufgeräumt". Der Stadtteilbürgermeister Francoise Schepmans sprach von einem islamistischen Netzwerk.
Belgien hat eine im europäischen Vergleich starke Islamistenszene. Aus keinen anderem EU-Land sind gemessen an der Bevölkerungszahl mehr Menschen in den syrischen Bürgerkrieg gezogen. "Belgien ist so etwas wie die Achilles-Ferse Europas", sagte ein Sicherheitsexperte.
ERMITTLUNGEN IM BRÜSSELER STADTTEIL MOLENBEEK
Ein Kristallisationspunkt dieser Szene scheint Molenbeek zu sein, ein ärmliches Viertel, das fast ausschließlich von Muslimen bewohnt wird. Einer der Attentäter, die 2004 mit Bomben in spanischen Regionalzügen 191 Menschen töteten, stammte aus dem Viertel. Der Mann, der Anfang des Jahres in einem jüdischen Supermarkt mehrere Menschen tötete, hatte seine Waffen in Molenbeek erhalten, genauso wie der Islamist, der Mitte des Jahres in einem französischen Schnellzug überwältigt werden konnte. Islamistische Gewalttaten in Belgien haben nach Angaben von Ermittlern Bezüge nach Molenbeek. "In Teilen Brüssels hat die Polizei kaum noch Einfluss", sagte der niederländische Terrorismus-Forscher Edwin Bakker.
In Frankreich verhörten die Ermittler Vater und Sohn eines der Attentäter, der anhand von Körperteilen identifiziert werden konnte. Es handelt sich dabei um einen wegen seiner Radikalisierung polizeibekannten und vorbestraften Franzosen. Eine andere Spur führte über die Grenzen Europas hinaus: Bei einem der Attentäter war ein syrischer Pass gefunden worden. Nach griechischen Angaben war der Besitzer des Passes in einer Gruppe von 69 Flüchtlingen in Griechenland registriert worden. Dabei seien seine Fingerabdrücke abgenommen worden. Diese müssen jedoch noch mit denen des toten Attentäters abgeglichen werden. Auch bei einem zweiten Attentäter besteht der Verdacht, er könne in einem Flüchtlingstrek via Türkei in die EU gekommen sein.
FRANKREICH KÜNDIGT "GNADENLOSE JAGD" AN
Wie zuvor Präsident Francois Hollande kündigte Ministerpräsident Manuel Valls eine "gnadenlose" Jagd nach den Hintermännern der Anschlagserie an. "Wir werden in den kommenden Tagen weitermachen mit der Absicht, Daesch (IS) dem Erdboden gleichzumachen", sagte Valls. US-Präsident Barack Obama sagte beim G20-Gipfel, die Anstrengungen würden verstärkt, um den IS von künftigen Anschlägen abzuhalten. US-Sicherheitsberater Ben Rhodes kündigte am Rande des Treffens an, die USA würden mit Frankreich bei der Verstärkung der Angriffe auf die IS-Miliz in Syrien zusammenarbeiten.
Die neue polnische Regierung nahm die Anschläge zum Anlass, die Zustimmung der Vorgängerregierung zur Verteilung der Flüchtlinge nach Quoten zurückzunehmen. Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico warnte, Islamisten könnten die Flüchtlingsströme unterwandern. In Deutschland sprachen sich führende CSU-Politiker dafür aus, die Grenzen stärker abzusichern. Vizekanzler Sigmar Gabriel rief dazu auf, sich ungeachtet der Anschläge weiter schützend vor Flüchtlinge zu stellen. Innenminister Thomas de Maiziere warnte, es dürfe nicht vorschnell ein Bogen von den Pariser Attentaten zur Debatte um die Flüchtlinge gespannt werden.
In Deutschland leitete Generalstaatsanwalt Peter Frank Ermittlungen ein. Mindestens eins der 129 Opfer ist Deutscher. Der Fall des vor gut einer Woche von der bayerischen Polizei verhafteten möglichen Komplizen der Attentäter bleibt vorerst in der Zuständigkeit der Landesbehörden. Im Wagen des 51-jährigen Verdächtigen aus Montenegro waren schwere Waffen und Sprengstoff gefunden worden. Er war auf dem Weg nach Frankreich.