Angesichts der Schwankungsbreite ist auch ein Sieg der Nea Dimokratia von Vangelis Meimarakis noch möglich, erscheint aber schwierig.
Tsipras hatte sich von der Wahl kräftigen Rückenwind erhofft, nachdem er monatelang mit der Euro-Zone und dem IWF um die Auflagen für das dritte Hilfsprogramm gerungen hatte. Erst unter dem Druck der nahenden Staatspleite hatte der als Spargegner angetretene Tsipras eine Reform-Vereinbarung abgeschlossen, die Griechenland weitere 86 Milliarden Euro in Aussicht stellt.
Anschließend war er zurückgetreten, auch um seine Gegner in den eigenen Reihen loszuwerden. Diese spalteten sich von der Syriza ab und bildeten die "Volkseinheit". Sie muss um den Einzug in das Parlament bangen und kommt der Prognose zufolge auf 2,5 bis 3,5 Prozent. In Griechenland gilt eine Drei-Prozent-Hürde.
ERHOFFTE ABSOLUTE MEHRHEIT VERFEHLT
Um alleine regieren zu können, braucht der Wahlsieger rund 38 Prozent der Stimmen. Mit dem Bonus von 50 Sitzen für die stärkste Fraktion im 300 Mandate zählenden Parlament würde das für die absolute Mehrheit der Sitze reichen. Im Januar hatte Tsipras mit 36,3 Prozent die absolute Mehrheit nur um zwei Sitze verfehlt.
Für eine Koalition könnte Tsipras nun neben den Unabhängigen Griechen auch auf die Unterstützung der pro-europäischen To Potami oder der sozialdemokratischen Pasok angewiesen sein. Eine großte Koalition hatte er unter Hinweis auf die gegensätzlichen Positionen im Wahlkampf ausgeschlossen. Dagegen hatte sich ND-Chef Meimarakis bereiterklärt, ein Bündnis mit Syriza einzugehen, aber nicht mit Tsipras. Nach der Parlamentswahl im Januar hatte Tsipras binnen weniger Tage eine Koalition geschmiedet.
Sollte eine Regierungsbildung scheitern, müssten die Griechen, die unter der Schuldenkrise und der Flüchtlingskrise ächzen, in wenigen Wochen erneut zu den Wahlurnen schreiten. Das würde den Zeitplan des dritten Hilfspakets mit den neuen Milliarden-Krediten weiter durcheinanderbringen. Einem Zeitungsbericht zufolge verzögert sich wegen der Wahl die Überprüfung der vom Krisenland eingegangenen Reformverpflichtungen schon um mindestens zwei Wochen.
Der erste Prüfbericht werde wohl nicht beim Treffen der Euro-Finanzminister am 5. Oktober vorliegen, berichtete das "Handelsblatt" am Sonntag vorab unter Berufung auf hochrangige EU-Diplomaten.