Merkel und Hollande hatten den Reformstreit vergangene Woche an sich gezogen, nachdem die Finanzminister der Euro-Zone seit Monaten keine Lösung finden. Danach hatte Tsipras aber ein von der Euro-Zone und dem IWF vorgelegtes Kompromisspapier am Freitag im Parlament als "absurd" zurückgewiesen. Er will dem rezessionsgeplagten Volk keine weiteren Reformen abverlangen und besteht stattdessen auf einen Forderungsverzicht der Geldgeber.
Bote des Kompromisspapiers war Juncker, der sich vor Beginn des G7-Gipfels enttäuscht zeigte. Er hätte gerne mit Tsipras schon am Mittwoch darüber verhandelt, dazu sei die griechische Seite aber nicht in der Lage gewesen. Dann habe Tsipras ihm versprochen, bis Donnerstagabend eine Alternative vorzulegen, dann bis Freitag. Stattdessen habe der Regierungschef im Parlament den Vorschlag der drei Institutionen als ein "Friss-oder-Stirb-Angebot" preäsentiert. "Das war nicht die Message, die ihm gegeben worden war", sagte Juncker.
Schließlich habe Tsipras am Samstag mit ihm sprechen wollen. Da er ohne Alternativvorschlag aber keine Grundlage gesehen habe, mit Tsipras zu diskutieren, sei das Telefonat nicht zustande gekommen. Damit widersprach Juncker der Darstellung eines griechischen Regierungssprechers, wonach nicht wahr sei, dass Juncker das Gespräch abgelehnt habe.
Juncker sagte, er schließe ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro weiter aus. Er wolle damit aber nicht so verstanden werden, dass er oder jemand anderes irgendwann ein Kaninchen aus dem Hut ziehen würde, das es erlaube, dieses Ziel ohne weitere Anstrengungen zu erreichen. Die Zeit für eine Rettung Griechenlands laufe ab: "Mit Sicherheit gibt es eine Deadline."
SCHULZ KRITISIERT "SPIELCHEN" DER GRIECHEN
Auch EU-Parlamentspräsident Schulz, der wie Juncker stets Kompromissmöglichkeiten betont hatte, ging auf Distanz. "Die Verbohrtheit der griechischen Regierung ist ärgerlich", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Die Regierung solle "Verzögerungen und Spielchen" unterlassen. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, den "Stuttgarter Nachrichten", Tsipras' Problem sei, "dass er nicht bereit ist, die Dinge, die er im Land lösen muss, auch dort anzugehen". Tsipras wolle sie auf die Schultern der europäischen Steuerzahler verlagern. "Das wird aber nicht gehen", so Gabriel.
Eine weitere Gelegenheit zur Kompromisssuche gibt es am Rande des EU-Lateinamerika-Gipfels am Mittwoch und Donnerstag in Brüssel. Nach Angaben der Regierung in Athen wird Tsipras dort mit Merkel und Hollande sprechen. Ein Telefonat der drei am Samstag verlief nach griechischer Darstellung in einem guten Klima. Griechenland muss diesen Monat 1,6 Milliarden Euro an den IWF überweisen, an die EZB im Juli und im August insgesamt 6,7 Milliarden Euro. Das Hilfsprogramm endet Ende Juni. Danach wären die Griechen finanziell auf sich allein gestellt.
Mit ihrem Zickzackkurs verärgert die griechische Regierung auch zunehmend die CDU/CSU-Abgeordneten im Bundestag, von denen bereits viele nur zähneknirschend der Verlängerung des laufenden Programms zugestimmt hatten. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte der "Passauer Neuen Presse", die griechische Regierung sei am Zug: "Sie muss jetzt endlich Konkretes liefern und nicht immer nur sagen, was auf keinen Fall geht." Der Unmut in der Fraktion könnte auch für die Bundesregierung zum Problem werden, wenn sie dort einen zu weichen Kompromiss präsentiert. Der Bundestag müsste wesentlichen Änderungen an der Hilfs- und Reformvereinbarung der Euro-Länder mit Griechenland zustimmen.