Hinzu kamen die Sanktionen der USA. Ökonomen erwarten eine Fortsetzung der Talfahrt der Lira, die zu einer schweren Wirtschaftskrise der Türkei führen könnte.

DAS PASSIERT GERADE BEI DER LIRA:

Am Montag war der Euro erstmals über die Marke von sechs Lira gestiegen. Dies ist das Resultat eines lang anhaltenden Abwärtstrends. So gab die Lira seit Jahresbeginn zu Dollar und Euro etwa ein Viertel nach. Beschleunigt hatte sich die Talfahrt am 24. Juli, als die türkische Notenbank darauf verzichtete, den Leitzins trotz der sehr hohen Inflation und der Talfahrt der Lira anzuheben. Im Juli war die Inflationsrate auf fast 16 Prozent gestiegen. Dies war die höchste Inflationsrate seit Oktober 2003.

Diese Zurückhaltung hatte die sowieso schon angeschlagene Glaubwürdigkeit der Notenbank weiter beschädigt. Schließlich ist Staatschef Erdogan ein entschiedener Gegner hoher Zinsen. Er stellte sogar die gewagte These auf, dass man mit sinkenden Zinsen die Inflation bekämpfen könne. Erdogan hatte zudem seinen Einfluss auf die Geldpolitik durch ein Dekret verstärkt, das ihn künftig zur Ernennung des Präsidenten und des Vizepräsidenten der Zentralbank ermächtigt. Außerdem wird die Amtszeit der beiden Spitzennotenbanker des Landes von bisher fünf auf nur noch vier Jahre verkürzt.

Ein weiterer Belastungsfaktor für die Lira ist der Konflikt mit den USA um den in der Türkei festgehaltenen US-Pastor Andrew Brunson. Die US-Regierung hatte am vergangenen Mittwoch Sanktionen gegen den türkischen Innenminister Süleyman Soylu und gegen Justizminister Abdülhamit Gül verhängt. Die Lira gab deutlich nach, auch wenn die wirtschaftliche Bedeutung der Maßnahme eher gering ist. Dies zeigt laut Ökonomen das geschwundene Vertrauen in die Lira. Wie viele andere Schwellenländer auch leidet die Lira zudem unter den Zinserhöhungen der US-Notenbank. Der Dollar wird dadurch für Anleger attraktiver.

DAS SAGEN ÖKONOMEN:

"Ich befürchte, die richtige Krise geht jetzt erst richtig los", sagte Devisenexperte Lutz Karpowitz von der Commerzbank. "Diejenige, die nicht nur ein paar Devisenhändlern weh tut, sondern der türkischen Volkswirtschaft und Gesellschaft." Er verweist auf das "exorbitante Leistungsbilanzdefizit". Er sieht die Möglichkeit einer großen realwirtschaftlichen Krise. Eine galoppierende Inflation könnte die Ersparnisse weiter Teile der Gesellschaft erodieren lassen.

Um eine Zahlungsbilanzkrise zu vermeiden, müsste die türkische Notenbank laut BayernLB durch deutliche weitere Zinserhöhungen die Währung stabilisieren und die Inflation unter Kontrolle bringen. "Fraglich ist jedoch, ob sie unter der zunehmend repressiven Staatsführung Erdogans überhaupt die nötige Handlungsfreiheit besitzt." Die Lira dürfte laut BayernLB auch bei der Marke von sechs Lira je Euro keinen Halt finden und weiter abwerten./jsl/bgf/tos