Viele Berater, keine wirtschaftliche Beratung
· Börse Online Redaktionvon Christoph Leichtweiß, Geschäftsführer der Ypos Consulting GmbH
Der stabile Sachwert einer Immobilie mit planbaren und regelmäßigen Mieteinnahmen, finanziert zu extrem niedrigen Kreditzinsen (die sich noch dazu steuerlich auswirken), ist augenscheinlich die perfekte Antwort auf den andauernden Anlagenotstand. Allerdings hat die Kombination aus historisch niedrigen Zinsen, ungelösten und möglicherweise nur in die Zukunft verschobenen Euro- und Staatsschuldenkrisen nicht nur an den internationalen Kapitalmärkten für eine hohe Nachfrage nach soliden Anlagen gesorgt. Auch die vermietete Immobilie, ab einer gewissen Größe liebevoll Zinshaus genannt, hat in den Ballungsgebieten preislich bereits eine ordentliche Wertsteigerung erfahren. Ob dies ein angemessener Nachholeffekt oder eine durch Zins- und Alternativlosigkeit angefachte überzogene Entwicklung ist, wird die Zukunft zeigen.
Im Hier und Jetzt sollte Anlegern allerdings bewusst sein, dass sie beim Immobilienkauf eine noch größere Eigeninitiative zeigen sollten und mehr Verantwortung tragen als bei anderen finanziellen Entscheidungen. So hat keine der beteiligten Parteien - Verkäufer, Makler, Notar oder finanzierende Bank - eine umfangreiche Pflicht, über die wirtschaftlichen Folgen der Investition aufzuklären. Von Auswirkungen auf die Vermögensstruktur des Anlegers ganz zu schweigen. Auch der Steuerberater bekommt das Thema häufig erst nach Vollzug präsentiert. Ketzerisch könnte man sagen: viele Berater, keine wirtschaftliche Beratung.
Auch die häufig als Kaufargument ins Feld geführten Renditen vermieteter Objekte sind oft reine Augenwischerei. Typischerweise werden bei solchen Berechnungen wichtige Faktoren außer Acht gelassen. Instandhaltungskosten, Mietausfallrisiko, nicht umlagefähige Nebenkosten und die nicht unerheblichen Erwerbsnebenkosten werden nicht berücksichtigt. Während die Darstellung der Kreditkosten und der Effektivzinsen gesetzlich geregelt ist, gibt es für die Darstellung der Rendite keinerlei Vorgaben.
Auf Seite 2: Keine Schutz vor unkalkulierbarem Risiko
Viele Regeln, die den Anleger beim Kauf von Wertpapieren vor einer nicht einschätzbaren Investition schützen sollen, gelten bei Immobilien nicht. Kenntnisse und Erfahrungen des Anlegers? Chancen und Risiken einer finanzierten Immobilie? Eignung für Anlegerziele und Beratungsprotokolle? Fehlanzeige. Dabei trägt der Käufer einer vermieteten Immobilie sicher ein mindestens ebenso hohes Risiko wie bei jeder anderen Form der Kapitalanlage. Grundsätzlich stellt sich die Frage, warum identische Risiken, die lediglich anders verpackt sind, so unterschiedlich gehandhabt werden.
Interessierte Investoren sollten daher den Regulierungsvorsprung von Wertpapieren nutzen und die Risikohinweise eines Offenen Immobilienfonds im Prospekt lesen und diese auf das eigene Immobilienprojekt übertragen. Die Komplexität steigt noch, da die gleiche Immobilie in Abhängigkeit von Finanzierungsstruktur und steuerlichen Gegebenheiten bei verschiedenen Anlegern unterschiedliche Ergebnisse generiert. Der Entscheidungsprozess bei Kapitalanlageimmobilien sollte daher mindestens mit der gleichen Vorsicht und Sorgfalt gefällt werden wie bei anderen Geldanlagen. Hierbei geht es nicht um mathematische Scheingenauigkeit, sondern darum, Fakten und Zukunftswertungen sinnvoll abzugleichen, um eine bessere Entscheidungsgrundlage zu schaffen. Auch ein Verständnis für die Rolle und Aufgaben der involvierten Dienstleister ist hilfreich.
Zusätzlich sollten die langfristigen Auswirkungen auf die Lebensund Liquiditätsplanung betrachtet werden. Eine Scheidung, Phasen der Berufsunfähigkeit oder der Tod des Hauptverdieners sind unangenehme, aber wichtige Themen. Auch in der Vermögensnachfolge und deren Planung ist die Immobilie wegen der schlechten Teilbarkeit ein beratungsintensives und, spätestens bei Entstehung einer Erbengemeinschaft, herausforderndes Thema.
Auf Seite 3: Im Profil
Christoph Leichtweiß
Leichtweiß ist zertifizierter Finanzplaner und Portfoliomanager. Neben beruflichen Stationen bei den SV-Versicherungen, Deutscher Bank und Cortal Consors verfügt er über große Erfahrung im Bereich Training und Seminare. Unter anderem ist er Co-Autor des Datev-Kompendiums "Beratungsschwerpunkt Vermögensplanung" für Steuerberater. Ypos ist ein unabhängiges Beratungsunternehmen für private Anleger.