Der monatelange Lockdown hat Spuren hinterlassen. Auch auf den Sparbüchern der Deutschen. Allein im vergangenen Jahr dürften die Bundesbürger Schätzungen zufolge rund 100 Milliarden Euro mehr gespart haben als in normalen Zeiten. Noch im ersten Quartal 2021 lag die Sparquote auf einem Rekordhoch von mehr als 23 Prozent. Viel Geld, das mit der Wiedereröffnung großer Geschäftsbereiche nun bereitsteht, um nicht nur die aufgeschobenen Anschaffungen nachzuholen. Dazu dürften viele Menschen, die während Corona arbeitslos geworden sind und nun einen neuen Job haben, wieder größeren finanziellen Spielraum haben. In der Summe ergibt dies einen regelrechten Konsum-Boom.

Nie zuvor seit der Wiedervereinigung ist der Ifo-Teilindex für den Einzelhandel so stark gestiegen wie im Juni. Experten erwarten für das Gesamtjahr den stärksten Anstieg der Konsumausgaben seit mehr als 50 Jahren. Über diese neue Konsumlaune freuen sich Unternehmen wie Villeroy & Boch, die von der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr zunächst hart getroffen wurden. Das Unternehmen musste 400 Shops in 21 Ländern vorübergehend schließen. Bis zu elf Produktionswerke mit 3500 Arbeitern standen zwischenzeitlich still.

Neue Wachstumstreiber

Im Krisenmodus wurde ein striktes Sparpaket beschlossen, Marketingetats zusammengestrichen, Mieten und Lieferantenverträge nachverhandelt sowie ein Einstellungsstopp verhängt. Mit Erfolg: Musste die Gesellschaft zwischen Januar und Juni 2020 noch ein deutliches Minus auf operativer Ebene verbuchen, startete in der zweiten Jahreshälfte eine fulminante Aufholjagd, an deren Ende auf Gesamtjahressicht lediglich ein Umsatzrückgang von 833 Millionen auf 801 Millionen Euro sowie ein Ebit im Bereich des Vorjahreswerts stand. Seit Monaten profitiert Villeroy & Boch vom Trend zur Renovierung und Neuausstattung von Haus und Wohnung. Als "Cocooning" wird das Einigeln in Krisenzeiten bezeichnet, bei dem der Mensch wie Schmetterlingsraupen im Kokon zum Schutz vor der Außenwelt in die eigenen vier Wände flüchtet.

Wer in Corona-Zeiten schon zum sozialen und beruflichen Rückzug verdammt ist, möchte sich zu Hause eben auch wohlfühlen. Während in der ersten Phase des Lockdowns noch fleißig gewerkelt wurde, wird seit vergangenem Herbst kräftig investiert. "Der Stellenwert des Zuhauses und damit die Nachfrage nach unseren Produkten ist erheblich gestiegen", sagte Vorstandsboss Frank Göring unlängst.

Die Produkte aus den beiden Geschäftsbereichen Bad und Wellness sowie Dining und Lifestyle vertreibt das 1748 gegründete Traditionsunternehmen mit Hauptsitz im saarländischen Mettlach in mehr als 125 Ländern der Erde. Das Produktportfolio geht inzwischen weit über leicht zu reinigende WC-Schüsseln oder hochwertiges Geschirr hinaus. Mit Geschenken und Wohnaccessoires oder To-go-Produkten trifft man immer häufiger auch den Geschmack jüngerer Zielgruppen. Auch zahlreiche Design- und Innovationspreise zeugen von der stetigen Weiterentwicklung der Premiummarke.

Den Schwung des vergangenen Spätjahres konnte Villeroy & Boch ins Jahr 2021 hinüberretten. Gegenüber dem von der Corona-Pandemie stark beeinträchtigten Vorjahreszeitraum zog der Halbjahresumsatz um 32 Prozent auf 449,6 Millionen Euro an. Und da sich auch der Auftragsbestand gegenüber dem Jahreswechsel um 65,8 auf 166,6 Millionen Euro verbesserte, hat der Konzern seine Umsatz- und Ergebnisprognosen für das Gesamtjahr deutlich angehoben.

Für das Gesamtjahr 2021 rechnet Villeroy & Boch nun mit einem Umsatzplus um zehn Prozent auf 885 Millionen Euro, beim operativen Ergebnis wird ein Anstieg von rund 50 Millionen auf über 75 Millionen Euro erwartet. Die gute operative Entwicklung lässt sich auch am Aktienkurs ablesen, der sich gegenüber den Corona-Tiefs bereits wieder verdoppeln konnte. Dennoch hat die Aktie bei einem Kurs-Umsatz-Verhältnis von 0,74 und einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von elf noch Luft nach oben.

Dazu dürfen Anleger mit einer Dividendenrendite von aktuell 2,6 Prozent rechnen. Gemäß der Dividendenpolitik des Konzerns werden rund 50 Prozent des operativen Ergebnisses an die Aktionäre ausgeschüttet, die andere Hälfte als Rücklagen für Zukunftsinvestitionen einbehalten. Investiert wird derzeit vor allem in die Digitalisierungsstrategie, mit der das Familienunternehmen seine vielleicht größte Veränderung in der über 270-jährigen Firmenhistorie vollzieht.

Schon im vergangenen Jahr hat insbesondere das starke Wachstum im Onlinehandel das Geschäft gerettet. Plattformen wie Pinterest dienen als neue Showrooms, Internetnutzer können in computergenerierten Bilderwelten ihr neues Traumbad planen - als Teil der neuen Wohlfühloase zu Hause.

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