Doch die Suche nach einer gemeinschaftlichen Lösungen scheint eingestellt worden zu sein. Heute das Landgericht in Braunschweig entschieden das Volkswagen bereits alle nötigen Voraussetzungen für die Herausgabe fehlender Teile erwirkt hat. Für den Produzentden der Getriebeteile ES Automobilguss und den Sitzspezialist CarTrim, liege eine einstweilige Verfügung vor, die aktuell "vollstreckbar" sei. Die Wirksamkeit der beiden Verfügungen greife bereits, sie sind also nicht aufschiebbar. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass in den Fällen teilweise noch Fristen für Stellungnahmen gewährt sind und zudem eine mündliche Verhandlung am 31. August ansteht.
VW zeigt sich damit entschlossen, seine Ansprüche gegen die beiden Zulieferer notfalls mit Hilfe des Gerichtsvollziehers durchzusetzen. Im Extremfall würden Lastwagenkolonnen vor den Toren der Zulieferer aus Sachsen stehen, während der Gerichtsvollzieher die benötigten Teile beschlagnahmt. Gleichzeitig stellte die Wolfsburger den Antrag, Car Trim durch ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro zur Wiederaufnahme der Lieferungen von Sitzbezügen zu zwingen. Sollte dies nicht geschehen, solle Ordnungshaft gegen den Geschäftsführer der Firma angedroht werden, teilte das Gericht diesen Freitag mit. Car Trim habe nun einige Tage Zeit für eine Stellungnahme. Danach wolle die Zivilkammer entscheiden.
Wie ernst die Lage ist zeigt, dass VW Kurzarbeit einführen will von der mehr als 20.000 Mitarbeiter betroffen sein könnten. Die Fertigung des Erfolgsmodells VW Golf in Wolfsburg wird ab morgen stillstehen. Damit drohen ganze Produktionstage wegzubrechen und Treffen den europäischen Brancheprimus mitten ins Herz.
Laut einer internen Mitteilung hat VW seine Lieferpartner bereits über die nahende Zwangspause der Golf-Fertigung vom 20. bis 29. August im Stammwerk in Wolfsburg informiert. Grund sei der Lieferstopp. In Emden hat VW für 7.500 Menschen die Kurzarbeit bereits angemeldet. Der Konzern prüft dieses Mittel derzeit auch für die Standorte Braunschweig, Zwickau, Kassel und eben Wolfsburg. Dort steht das Stammwerk von Europas größtem Autobauer. Es stellt fast 4.000 Wagen pro Tag her, neben dem Golf auch den Tiguan und den Touran, deren Bänder nicht ruhen müssen. Das Werk in Wolfsburg ist die größte zusammenhängende Autofabrik der Welt. Sie baute 2015 mit insgesamt rund 815.000 Fahrzeugen fast ein Zehntel des gesamten globalen Absatzes des Zwölf-Marken-Konzerns. Zum Vergleich: Das Unternehmen hat weltweit rund 120 Produktionsorte.
Auslöser des Konfliktes ist eine Rechtsstreit von VW und der Prevent Gruppe. Dem Unternehmenskonsortium gehören die beiden Zulieferern ES Guss und Car Trim, die VW derzeit nicht beliefern. Beide Firmen sind erst seit einigen Monaten Teil der in Bosnien Herzigowina beheimateten Gruppe. Bei Car Trim kam es nach der Übernahme durch Prevent zu einer Kündigungswelle. Die Gruppe liegt mit VW offenbar im Streit um ein künftiges Entwicklungs- und Lieferprojekt. Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies, der das Land im VW-Aufsichtsrat vertritt, sagte, es sei nicht einfach, die Hintergründe der Auseinandersetzung zwischen VW und der Prevent-Gruppe vollständig zu durchschauen.
Beide Seiten werfen sich Vertragsbruch vor, wollen sich aber nicht detalliert zu dem Sachverhalt äußern. Während VW die Schuld bei seinen Zulieferern sieht heißt von der Prevent Gruppe, dass man Forderungen in zweistelliger Millionenhöhe gegenüber VW habe und zur aktuellen Hadlungsweise gezwungen sei, um den Bestand der Unternehmen zu sichern.
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Einschätzung der Redaktion
Wie groß der wirtschaftliche Schaden für VW aus dem Streit mit seinen Zulieferern werden könnte ist aktuell noch schwer abzusehen. Kann der Konzern den Konflikt in wenigen Wochen beenden dürfte die Sonderbelastung nach ersten Analysteneinschätzungen nicht über einen mittleren zweistelligen Betrag hinausgehen. Der Milliardenkonzern Volkswagen sollte den Rechtsstreit in einem solchen Fall finanziell leicht verkraften können. Schlimmer könnte es allerdings werden, wenn die Lieferengpässe die Produktionsabläufe der Wolfsburger über einen längeren Zeitraum stören oder sich auf weitere Marken des Konzerns ausweiten. Bisher scheinen nur das Modell Golf und der Passat betroffen zu sein. Die Wolfsburger fertigen als größter Autobauer der Welt aber auch die Marken Audi, Seat oder Skoda. Getreu dem Plattformprinzip greifen die Modelle dabei ein Stück weit auf identische Bauteile zurück. Noch drohen bei der Fertigung dieser Marken laut VW keine Probleme.
Der Konflikt macht aber auch deutlich wie rau der Umgang der Autokonzerne mit ihren Zulieferern mittlerweile geworden ist. VW gilt in der Branche dabei als einer der härtesten Verhandlungspartner, der seinen Zulieferern steigende Lieferbedingungen und zu niedrigeren Preisen abverlangt. Laut Experten gebe es in der Branche daher aktuell nicht wenige Firmen, die das Debakel bei VW mit Schadenfreude beobachteten. Es sei an der Zeit gewesen, dass sich jemand traue und gegen VW zur Wehr setze, so die Lesart vieler.
Gleichzeitig scheint zumindest bei VW an dem Mantra der durch doppelte Zuliefererbeziehungen abgesicherten Fertigung nicht viel dran zu sein. Auch von dem in Zuge des Abgasskandals versprochenen Kulturwandel ist noch nicht viel zu erkennen. Angesichts der anhaltenden Probleme, raten wie bei VW weiter zum Verkauf.