Parallel zur Erscheinung dieser Ausgabe der BÖRSE ONLINE tagen mal wieder die Entscheidungsträger der Europäischen Zentralbank (EZB). Dabei wird es vor allem um ein Thema gehen: Um die Verlängerung des Anleihekaufprogramms. Interessant ist dabei, dass es EZB-Chef Mario Draghi in der jüngeren Vergangenheit tunlichst vermieden hat, dieses Thema anzusprechen. Vielleicht, um nicht zu viel Aufmerksamkeit auf die Sitzung am Donnerstag zu lenken?
Fakt ist: Es stehen wichtige Entscheidungen an. Denn es ist tatsächlich so, dass der deutschen, der finnischen, der portugiesischen und der irischen Zentralbank die passenden Anleihen ausgehen! Man muss daher entscheiden, welche zusätzlichen Papiere gekauft werden sollen. Allerdings dürfte dies nicht reichen. Denn es ist ja so, dass die bisherigen Inflations- und Wachstumsprognosen der EZB zu optimistisch waren. Die bisherigen Maßnahmen der Notenbank reichen offensichtlich nicht aus.
Vielmehr dürfte es in den kommenden Monaten so aussehen: Das künftige Wachstum wird sich im Euroraum bei etwa 1,5 Prozent bewegen, die Inflation wiederum bei ungefähr 1,2 Prozent - angestrebt sind hier aber zwei Prozent. Man merkt: Dorthin ist der Weg noch weit.
Was also tun? Bislang hat Draghi betont, dass das EZB-Kaufprogramm so lange fortgesetzt wird, bis die angestrebten zwei Prozent nachhaltig erreichbar sind. Es scheint daher klar, dass das Programm über den bisher angestrebten Endpunkt im März 2017 hinaus verlängert werden muss. Das kann man natürlich auch erst im Dezember beschließen - die EZB riskierte dann aber eine wieder deutlich höhere Volatilität an den Finanzmärkten. Etwas Planungssicherheit wäre also nicht verkehrt.
Was die von mancher Seite geforderten Käufe von Aktien angeht, dafür scheint die Zeit indes noch nicht reif zu sein. Dies gilt auch für noch niedrigere Zinsen. Solche Aktionen müsste man "verbal" wohl etwas besser vorbereiten , um die Öffentlichkeit nicht zu sehr zu schockieren.
Dass die Notenbanken allein die Weltwirtschaft nicht nachhaltig ankurbeln können, war auch auf dem Gipfel der G 20-Staaten in China klar, wo die Mächtigen der Welt zumindest darüber redeten, welche sonstigen Maßnahmen noch zu treffen sind. Herausgekommen ist dabei wenig.
Die Märkte sind angesichts all der Unwägbarkeiten ja recht robust. Gleichzeitig geht aber auch nichts voran. Seitwärtstrend eben. Es hat fast den Anschein, als ob die Märkte positive Szenarien ignorieren, wie etwa die Möglichkeit, dass die Wirtschaft die Erwartungen übertrifft, die Finanzbedingungen sich lockern und die Gefahren, die Brexit und andere internationale Entwicklungen für das Wachstum darstellen, nachlassen. Sollte sich das bewahrheiten, würde dies eine schnellere Anpassung erfordern. Durch steigende Kurse.
Gerade die Erholung der Rohstoffpreise ist ein Anzeichen dafür, dass sich die Konjunkturaussichten weltweit verbessern.
Auch die Bewertungen und die geringen Erwartungen sind günstig für steigende Aktienkurse - zumindest bis Jahresende. In den vergangenen beiden Jahren gab es zwar mehrere Scheinerholungen, dennoch musste Konjunkturoptimismus schließlich makroökonomischer Enttäuschung weichen. Doch die Entwicklung verläuft selten kerzengerade. Es gibt gerade in den USA auch ermutigende Zeichen. Dort steigt die Kerninflation leicht an. Das könnte auf eine Trendwende hindeuten - eine mit Signalwirkung auch für Europa und den Rest der Welt.
Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com