von Martin Blümel
Seit Wochen kommt der DAX nicht mehr vom Fleck. Mal notiert er über der Marke von 10 000 Punkten, mal darunter. Für so ein Hin und Her werden dann schöne Vokabeln wie "Schaukelbörse" oder "Sägezahnbörse" bemüht. Das ist einigermaßen bildhaft, dem Anleger hilft es indes nicht weiter. Es sei denn, er ist Daytrader und hat einen Mordsspaß am kurzfristigen Auf und Ab.
Was fehlt, das sind Impulse. Irgendwas, was für einen Stimmungsumschwung sorgt, egal ob dies dann zu einem Auf- oder Abschwung führt. Man denke beispielsweise an den Volksentscheid zum Brexit. Hauptsache Bewegung!
Abseits von den fehlenden Impulsen ist es ja so, dass die niedrigen Zinsen weiterhin für Aktien sprechen. Doch was hilft’s? Es bleibt L’art pour l’art, wenn sich denn beim Wachstum rund um den Globus nichts Entscheidendes tut.
Gleichzeitig ist es auch richtig, dass es wieder einige gute Gründe für fallende Kurse gibt. Dies sind beispielsweise die eher schlechten Nachrichten, was die chinesische Wirtschaft angeht, oder schlicht der Saisonalitätsaspekt, weil die Börse ab Mai selten wirklich gut läuft. Jedoch verhindert der viel zitierte "Anlagenotstand", der durch die Mickerzinsen und die hohe Liquidität der Notenbanken verursacht wurde, ganz offensichtlich einen größeren Kursrutsch. "Die Geldpolitik hat ein Sicherheitsnetz für Aktien gespannt", erklärt Robert Halver, Marktstratege bei der Baader Bank. Eine Meinung, der man sich anschließen kann.
Vielleicht greift die berühmt-berüchtigte Börsenweisheit "Sell in May and go away" dieses Jahr ja auch deswegen noch nicht, weil es zwischen Januar und April schlicht keine rechten Gewinne gab, die wieder abzugeben wären. Zumindest schaut es aktuell danach aus. Dass sich die Börse hält, liegt auch am Ölpreis. Der steigt nämlich, was als Indiz gedeutet werden kann, dass es um die Weltwirtschaft doch nicht so schlecht steht. Sowohl der Preis für die US-Ölsorte WTI wie auch der für die Nordsee-Ölsorte Brent tendiert langsam, aber sicher in Richtung 50 Dollar pro Fass. Gründe sind die Produktionsausfälle in Nigeria, Venezuela und in den Waldbrandgebieten Kanadas. Von einem Überangebot an Öl spricht daher im Moment kaum jemand mehr.
Insgesamt ist es aber wohl so, dass sich die Zahl der Optimisten und Pessimisten an der Börse derzeit die Waage hält. Interessant ist, dass beide Lager das gleiche Argument ins Feld führen können. Einen ähnlich verpatzen Jahresstart wie den diesjährigen gab es nämlich zuletzt im Crashjahr 2008. Andererseits - und darauf können sich wiederum die Börsenbullen berufen - ging es auch 1995 zwischen Januar und Mai ähnlich schlimm abwärts. Lang ist es her! Doch wer sich erinnert, der weiß, dass das Börsenjahr damals dann trotzdem im Plus endete.
Man kann festhalten: Sowohl die US-Märkte als auch der DAX stehen am -Scheideweg. Die Pattsituation wird sich irgendwann auflösen. In den kommenden Tagen - oder Wochen - dürfte sich entscheiden, ob die vorsichtige Aufwärtsbewegung der jüngsten zwei Monate nachhaltig ist oder ob die Bären, die zuvor dominierten, wieder das Ruder übernehmen. Im Moment scheint der DAX bei 10 200 Punkten gedeckelt zu sein. Nach unten wiederum sind 9700 und 9500 Punkte recht gute Unterstützungen. Werden diese Marken geknackt, egal ob die unteren oder die obere, dann dürfte es wieder Schwung an der Börse geben.
Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com