WIE SCHNELL DROHEN VERBOTE?
Laut Gericht sind Fahrverbote als letztes Mittel zulässig, wenn die Luft nicht anders sauberer wird. Sie müssten aber verhältnismäßig sein und dürften nicht über Nacht eingeführt werden. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sieht Fahrverbote für ältere Diesel bis zur Abgasnorm Euro 4 noch in diesem Jahr kommen. Die ersten Fahrverbote hat die Stadt Hamburg angekündigt, die ab April zwei viel befahrene Straßen für alle Diesel-Fahrzeuge bis zur Abgasnorm Euro 5 sperren will. Die Stadt Stuttgart hat vom Gericht ein abgestuftes Vorgehen verordnet bekommen: Ab Januar 2019 könnten Euro-4-Diesel und älter, ab September 2019 auch Euro-5-Diesel betroffen sein.Die Stickoxid(NOx)-Grenzwerte werden derzeit in etwa 70 Städten übertroffen, häufig aber nur knapp oder in bestimmten Innenstadt-Zonen. Gerade in ländlichen Gebieten drohen auch älteren Dieseln daher keine Einschränkungen.
WELCHE FAHRZEUGE WÄREN BETROFFEN?
Fahrverbote würden womöglich alle Diesel-Fahrzeuge der Abgasnorm "Euro 5" und schlechter treffen. Laut Kraftfahrt-Bundesamt waren im vergangenen Jahr von den 15 Millionen Dieselautos auf Deutschlands Straßen rund 2,7 Millionen mit dem neuesten Standard "Euro 6" ausgerüstet. Den größten Teil bilden die noch vergleichsweise neuen Euro-5-Autos mit etwa sechs Millionen Fahrzeugen.WEN TREFFEN MÖGLICHE FAHRVERBOTE BESONDERS?
Das Handwerk sieht Fahrverbote als Bedrohung. "Den meisten Betrieben würde durch ein Fahrverbot die Existenzgrundlage entzogen. Die Folgen wären Unternehmensschließungen und Arbeitsplatzverluste", sagte der Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf, Andreas Ehlert, dem "Handelsblatt". Mehr als die Hälfte der Fahrzeuge seien drei, maximal vier Jahre alt. Die Kommunen können jedoch laut Gerichtsurteil Ausnahmen genehmigen, die etwa auch für Bau- und Behördenfahrzeuge nötig sein könnten. Ähnliches gilt für die Taxi-Flotte, die überwiegend aus Dieseln besteht.WAS ERWARTET PRIVATE DIESEL-BESITZER?
Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) hatte Fahrverbote als "kalte Enteignung von Millionen Diesel-Besitzern" bezeichnet. Tatsächlich sinkt der Absatz von Diesel-Fahrzeugen bereits wegen der Verunsicherung seit einiger Zeit, die Gebrauchtwagenpreise geben nach. Eine Entschädigung der Besitzer muss es nicht geben, wie das Leipziger Gericht klarstellte. Ein völliger Zusammenbruch des Marktes sei aber auch nicht zu erwarten. "Man sollte sich davor hüten, einen Panikverkauf vorzunehmen", sagt Markus Schäpe vom ADAC. Es wäre "völlig dumm", seinen Wagen jetzt unter Wert zu verscherbeln.KOMMEN JETZT MOTOR-NACHRÜSTUNGEN FÜR DIESEL?
Das ist gut möglich. Die Bundesregierung prüft besonders für die Euro-5-Flotte, ob dies technisch machbar und wirtschaftlich vertretbar ist. Der Koalitionsvertrag eröffnet diese Möglichkeit ebenfalls. Mit Katalysatoren könnten die NOx-Emissionen um bis zu 90 Prozent gesenkt werden. Auch der ADAC spricht sich dafür aus. Offen ist, wer die Kosten von um die 2000 Euro tragen müsste. SPD, Grüne und Umweltverbände sehen in erster Linie die Autoindustrie in der Pflicht. Diese kann sich aber darauf berufen, dass - abgesehen von Betrugsfällen - die Autos ordnungsgemäß zugelassen seien: Kein Besitzer kann wohl zu einer Nachrüstung gezwungen werden. Wer jedoch in belastete Innenstädte weiter einfahren will, wäre darauf angewiesen.KOMMT JETZT DIE BLAUE PLAKETTE?
Mit einer bundesweit geltenden blauen Plakette könnten solche nachgerüsteten Diesel, ganz moderne Diesel aber auch Benziner gekennzeichnet werden. Dies würde den Kommunen helfen, Fahrverbote effektiv zu kontrollieren und Verwirrung unter Autofahrer zu mindern.Eine neue Bundesregierung will sich bald mit der Frage der Einführung der Plakette befassen. Während das Bundesumweltministerium und auch die Städte und eine Reihe von Bundesländern diese fordern, leistet das Verkehrsministerium Widerstand. Die blaue Plakette weise in die falsche Richtung. Tatsächlich wäre die Plakette eben nur dann sinnvoll, wenn Fahrverbote in Kraft treten. Diese wollte die amtierende Regierung immer verhindern. Nach dem Leipziger Urteil ist dieses Vorhaben voraussichtlich gescheitert.