Auf Seite 2: DER ZEITDRUCK WÄCHST
DER ZEITDRUCK WÄCHST
Dabei hat sich inhaltlich noch nicht viel geändert - außer dass viele Diplomaten derzeit instinktiv auf die Uhr schauen, wenn sie danach gefragt werden, wie groß der Zeitdruck ist. Denn der Countdown für die Rettung läuft. Bis zum 30. Juni muss auf jeden Fall eine Lösung gefunden werden. Dann läuft das zweite Griechenland-Rettungspaket aus, das immerhin noch 7,2 Milliarden Euro enthält. Dann wird der IWF wohl keine weitere Stundung akzeptieren. Und dann muss die griechische Regierung auch innenpolitisch Farbe bekennen, weil sie den Staatsbediensteten Löhne überweisen sowie Renten auszahlen muss.
Seither wird zurückgerechnet, und es werden Tage gezählt: Der EU-Gipfel Ende Juni wird als nicht mehr ausreichend für eine Einigung angesehen, auch wenn der griechische Ministerpräsident immer wieder von einem gewünschten Durchbruch auf höchster Ebene spricht. Stattdessen gilt nun auf beiden Seiten der 18. Juni mit dem dann angesetzten Eurogruppen-Treffen als entscheidendes Datum. Gelingt es Athen, mit den drei Institutionen vorher eine Vereinbarung über ein Reformprogramm zu schließen, könnten die Euro-Finanzminister dann zustimmen. Es blieben zwölf Tage, um zunächst die wichtigsten Reformgesetze durch das griechische Parlament zu bringen - und danach auch die anderen nationalen Parlament wie den Bundestag für die Auszahlung weiterer Hilfsmilliarden einzubinden.
Auf Seite 3: NUR VORSICHTIGER OPTIMISMUS
NUR VORSICHTIGER OPTIMISMUS
Als Erfolg von Brüssel gilt schon, dass nun allen Beteiligten dieser Zeitplan klar zu sein scheint. Aber Beobachter warnen davor, die positive Stimmung überzubewerten. Denn die Erfahrungen gerade der vergangenen Woche zeigen nach Ansicht von EU-Diplomaten, wie fragil angebliche Fortschritte sind. Merkel und Hollande hatten gleich zweimal lange mit Tsipras telefoniert und sich danach freundlich geäußert. Am Wochenende war vor allem EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sauer wie selten. Denn Tsipras hatte aus Brüsseler Sicht seine Zusage neuer Reformvorschläge nicht eingehalten. In Athen beschimpfte er die Reformvorschläge der Institutionen sogar als "absurd". Dann folgte am Montagabend eine dreiseitige Vorschlagsliste, die von der Kommission umgehend als völlig unzureichend verworfen wurde.
Dass ausgerechnet Juncker, der aus CDU und CSU dafür kritisiert wurde, zu weich zu Griechenland zu sein, Verärgerung zeigte, dürfte Tsipras den Ernst der Lage gezeigt haben. Weitere Spitzengespräche Merkels und Hollandes mit Tsipras in den nächsten Tagen sind absehbar. Denn der griechische Ministerpräsident muss seinen Wählern beweisen, dass er bis zum Ende mit den größten Euro-Staaten ringt. Nur dann kann er weitere Zugeständnisse innenpolitisch verkaufen. Aber das ändert nichts daran, dass harte Reformzusagen der griechischen Regierung etwa bei der Rente ausstehen.
Tsipras muss innenpolitisch durchsetzen, dass er von seinen Wahlversprechen abrückt. Gelingt das, beginnt die Arbeit für Merkel und Hollande: Erwartet wird, dass sie und die Geldgeber Athen am Ende in Finanzierungsfragen entgegenkommen müssen. Denn alle scheinen sich einig zu sein, dass die 7,2 Milliarden Euro aus dem laufenden zweiten Hilfsprogramm nicht ausreichen werden, um die Finanzierung Griechenland zu sichern. Das erklärt die ständigen Spekulationen, dass als Geldquelle auch die 10,9 Milliarden Euro genutzt werden könnten, die im laufenden Programm für Kapitalhilfen für griechische Banken vorgesehen sind, aber nicht abgerufen wurden.
Reuters