Das gesunkene Interesse der Deutschen an der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar macht sich auch wirtschaftlich bemerkbar: Immer weniger Deutsche opfern Arbeitszeit für die WM. Während das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei der WM 2018 um rund 15,8 Milliarden Euro sank, dürfte das Minus diesmal nur knapp 5,6 Milliarden Euro betragen. Von Carl Bastisweiler
Das ist das Ergebnis einer aktuellen Fußball-WM-Studie der Universität Hohenheim in Stuttgart unter der Leitung von Marketing-Experte Prof. Dr. Markus Voet, der die FIFA Fußballweltmeisterschaften seit 2001 mit regelmäßigen repräsentativen Bevölkerungsbefragungen begleitet.
Nur zehn Minuten pro Tag für die Spiele
Voraussichtlich werden die Deutschen durchschnittlich rund zehn Minuten ihres Arbeitstages für die WM in Katar aufwenden. Die Arbeitgeber dürfte das freuen: Im Vergleich zu den Weltmeisterschaften 2010 (28 Minuten), 2014 (13 Minuten) und 2018 (16 Minuten) wurde nie weniger Arbeitszeit für WM-Zwecke geopfert als bei dieser WM. Dies macht sich auch beim Rückgang des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) bemerkbar: So nahm das BIP pro Kopf im Jahr 2018 aufgrund der WM in Russland noch um rund 352 Euro ab. Bei der WM 2022 in Katar werden es nur noch knapp 223 Euro sein.
Und das, obwohl die deutschen Arbeitgeber seit der WM 2010 in Südafrika insgesamt deutlich toleranter geworden sind. Während 2010 nur rund 22 Prozent der Unternehmen das Anschauen von Fernsehübertragungen oder Livestreams am Arbeitsplatz toleriert haben, sind es dieses Mal rund 41 Prozent.
Stimmungskiller Winter-WM
Insgesamt wollen deutlich weniger Deutsche die WM 2022 in Katar sehen als in den Jahren zuvor. Vor allem hat seit der Corona-Pandemie das Interesse der Deutschen, Spiele im Rahmen von Public Viewing oder in Kneipen bzw. Bars zu verfolgen, deutlich abgenommen: Es sank von 27,2 Prozent bei der WM 2014 auf jetzt 11,3 Prozent. Nur ein Fünftel der Deutschen geht davon aus, dass die Stimmung während eines Public Viewings bei der WM in Katar gut sein wird. Dementsprechend plant eine überwältigende Mehrheit von fast 90 Prozent der Befragten, bei dieser Winter-WM ganz auf Public Viewing zu verzichten.
Aus Sicht von Prof. Dr. Voeth vom Lehrstuhl für Marketing & Business Development der Universität Hohenheim steht fest: „Diese Winter-WM ist aus Sicht der Deutschen ein echter Stimmungskiller, was das Public Viewing betrifft.“ „Auch die Idee, die Winter-WM auf dem Weihnachtsmarkt zu verfolgen, finden nur wenige gut: Mehr als 90 Prozent der deutschen Bevölkerung stehen ihr eher skeptisch gegenüber“, so Co-Studienleiter Yannick Urbitsch.
Wenn es darum geht, sich über die WM zu informieren, ziehen die Deutschen, ähnlich wie bei vergangenen Weltmeisterschaften, das klassische Fernsehen mit verschiedenen Formaten (Live-Übertragungen, Berichterstattungen oder Nachrichten) gegenüber anderen Kanälen vor. Insgesamt ist das Informationsbedürfnis aber deutlich geringer ausgeprägt im Vergleich zu den bisherigen Weltmeisterschaften.
Sympathie für Thomas Müller und Frau Lisa
Die geeignetsten TV-Experten für WM-Berichterstattungen sind für die Deutschen das Weltmeistertrio Bastian Schweinsteiger, Per Mertesacker und Christoph Kramer. Auf einer Skala von 1 bis 6 erhielt der ehemalige Mannschaftskapitän den Bestwert von 4,8 Punkten. An zweiter Stelle folgen die beiden Ex-Nationalspieler mit jeweils 4,6 Punkten. Weibliche TV-Expertinnen kommen bei den Deutschen vergleichsweise weniger gut an.
Mit der zunehmenden Glamourisierung des Fußballs rücken, neben den Spielern selbst, auch die Spielerpaare verstärkt in die öffentliche Wahrnehmung, so die Studienleiter. Als das Paar mit den höchsten Sympathiewerten kürten die Befragten Thomas und Lisa Müller mit 4,3 von 6 Sympathiepunkten. An zweiter Stelle folgten die Paare Kai Havertz und Sophia Weber mit 4,1 sowie Mario und Ann-Kathrin Götze mit 4,0 von 6 Sympathiepunkten.
WM-bezogene Werbung sehen die Deutschen sehr skeptisch
WM-bezogenen Werbeaktivitäten von Unternehmen steht die deutsche Bevölkerung skeptisch wie nie zuvor gegenüber. Nur etwas mehr als zwölf Prozent der Deutschen finden es aktuell gut, dass viele Unternehmen die WM als Werbethema aufgreifen. Bei der WM 2014 waren dies noch 22 Prozent.
Die Studie basiert auf einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage unter 1.000 Personen in Deutschland zu den Themen sportliche Erwartungen, Sponsoring und Sport-Vermarktung, Medienwirksamkeit sowie Politik.