Europäische Inflationsrate marschiert stramm auf zehn Prozent zu. Mega-Zinsschritt der EZB immer wahrscheinlicher. DAX geht auf Talfahrt. Von Wolfgang Ehrensberger

Die Inflationsrate im Euroraum hat im August mit 9,1 (Vormonat: 8,9) Prozent erstmals die Neun-Prozent-Marke überschritten. Die Notenbankchefs von Deutschland, Belgien und den Niederlanden fordern deshalb die EZB dazu auf, auf ihrer nächsten Sitzung am 8. September einen kräftigen Zinsschritt vorzunehmen. Viele Experten gehen inzwischen davon aus, dass sie die Zinsen nicht nur um 0,5, sondern um 0,75 Prozentpunkte anheben könnte. Diese Perspektive versetzte dem DAX einen weiteren Dämpfer, der Leitindex lag am Mittag rund ein Prozent im Minus.

 

Bundesbank-Chef Joachim Nagel hat angesichts der steigenden Inflation eine „kräftige Zinsanhebung“ im September gefordert. In den folgenden Monaten sei mit weiteren Zinsschritten zu rechnen. "Für immer mehr Menschen wird die hohe Inflation zu einer enormen Belastung," erklärte Nagel. Gerade die Haushalte, die ohnehin mit wenig Geld zurechtkommen müssten, treffe es besonders hart. Die Inflation war im August im Euro-Raum auf die Rekordmarke von 9,1 Prozent geklettert.


"Es besteht das Risiko, dass die Phase hoher Inflation noch länger anhält und die aktuelle Teuerungswelle nur langsam abebbt", sagte der Bundesbank-Präsident. Daher sei es dringend notwendig, dass der EZB-Rat bei seiner nächsten Sitzung entschlossen handele, um die Inflation zu bekämpfen. "Andernfalls könnten sich die Inflationserwartungen dauerhaft über unserer Zielmarke von zwei Prozent festsetzen." Ähnlich hatten sich zuvor die Notenbankchefs von Belgien, Pierre Wunsch, und den Niederlanden, Klaas Knot, geäußert.

Haben Notenbanker zu lange gezögert?

Unterdessen äußerten Experten Zweifel, dass die Notenbank das Steuer noch rechtzeitig herumreißen könnten. Eine Trendumkehr zeichne sich nicht ab. VP-Bank-Chefvolkswirt Thomas Gitzel sagte, die Währungshüter hätte zu lange gezögert, und noch immer diskutierten Notenbanker über Zinsschritte, während sie der Teuerungsentwicklung schon hinterhinkten. Alexander Krüger vom Bankhaus Hauck Aufhäuser Lampe befürchtet, dass sich die allgemeine Inflationsangst jetzt noch weiter verstärkt.


Commerzbank-Chef Jörg Krämer sieht die Inflationsrate auf zehn Prozent zusteuern. Die Inflationserwartungen lägen längst nicht mehr beim EZB-Ziel von 2 Prozent, sondern bereits bei knapp 3 Prozent. „Diese gefährliche Entankerung der Inflationserwartungen kann die EZB nur mit entschiedenem Handeln stoppen. Sie sollte dem Beispiel der US-Notenbank folgen und ihre Leitzinsen am kommenden Donnerstag um 0,75 Prozentpunkte. 

ehr mit Material von Reuters