Beim Stichwort Belgien denken die meisten Deutschen zuerst vermutlich an die EU-Hauptstadt Brüssel in ihrer Rolle als Drehpunkt der Europapolitik. Bekannt ist der Nachbar im Westen zudem für Pralinen, Bier und "Tim und Struppi" - sowie in Sportlerkreisen für eine gute Fußballnationalmannschaft.

Das Wissen um die dortige Wirtschaftsstruktur dürfte dagegen begrenzt sein, ebenso die Kenntnis belgischer Unternehmen, was wohl auch mit der Größe des Landes zu tun hat. Die Einwohnerzahl ist mit 11,3 Millionen überschaubar, und in Deutschland ist das nominale Bruttoinlandsprodukt fast 7,5-mal so hoch. Das Wachstum ist indes passabel - um 1,7 Prozent legte es 2017 zu.

Die Börse steht auch ganz gut da. In den vergangenen 20 Jahren wies der Aktien-Leitindex BEL20 mit dem Schwergewicht Anheuser-Busch InBev an der Spitze einen engen Gleichlauf mit dem DAX-Kurs-index auf. Daran sollte sich auch wenig ändern, schließlich zählen Belgien und Deutschland zu Kerneuropa und durchlaufen volkswirtschaftlich in der Regel eine ähnliche Entwicklung.

Aussichtsreiches Quartett



Auch die Kennzahlen ähneln sich: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für belgische Aktien liegt im Schnitt bei gut 16, für deutsche Aktien bei gut zwölf. Diesen Nachteil macht Belgien mit den etwas besseren Aussichten für das Gewinnwachstum und einer überdurchschnittlichen Nettogewinnspanne wett. Sehr gut sind die erwarteten Dividendenrenditen bis 2020 von im Schnitt 3,8, 4,0 und 4,2.

Und gerade auf Einzelwertebene gibt es Titel mit interessanten Storys und attraktiven Bewertungsrelationen, gerade auch weil die geringe Größe der lokalen Aktien zu einer Vernachlässigung durch institutionelle Anleger führt. Aufgrund neuer regulatorischer Hürden dürfte das auch so bleiben.

Ein gutes Beispiel dafür ist Ageas. Die nach der Finanzkrise 2008 aus dem ehemaligen belgisch-niederländischen Finanzkonzern Fortis hervorgegangene Assekuranz ist auf dem Heimatmarkt die Nummer 1 im Lebensversicherungsgeschäft und die Nummer 2 bei den anderen Versicherungen.



Insgesamt ist man in 25 Ländern in Europa und in Asien aktiv, wobei die Expansion zumeist mithilfe von Partnern erfolgt. Was bei Ageas besonders lockt, ist das Eigenkapital je Aktie, das mit 48,30 Euro über dem aktuellen Kurs liegt. Zudem sieht der Analystenkonsens den Gewinn je Aktie von 2017 bis 2020 von 3,13 auf 6,80 Euro steigen, womit das KGV bald einstellig wäre. Hinzu kommt außerdem noch eine geschätzte Dividendenrendite von gut fünf Prozent.

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Ein weiterer Favorit im BEL20-Index



Wie Ageas ist mit Umicore auch der zweite Favorit im BEL20-Index enthalten. An dem Materialtechnologie- und Recyclingkonzern gefällt, dass der Großteil der Umsätze aus sauberen Technologien wie Recycling, Autoabgaskatalysatoren, Materialien für wiederaufladbare Batterien und Photovoltaik stammt.

Das sind Aktivitäten in Bereichen, die längerfristig gute Aussichten versprechen, und nicht umsonst hat das Unternehmen gerade erst die Gewinnprognose für 2018 erhöht. Der Analystenkonsens ist ebenfalls zuversichtlich, sagt er doch von 2017 bis 2022 einen Anstieg beim Ergebnis je Aktie von 1,22 Euro auf 2,52 Euro voraus. Geht die Rechnung auf, würde sich die derzeit optisch hohe Bewertung in die richtige Richtung bewegen.

Spannende Nebenwerte



Ein echter Nebenwert ist mit einem Börsenwert von gerade einmal 1,4 Milliarden Euro die dritte Empfehlung: Barco. Das Akronym steht für Belgian American Radio Corporation, und diese Gesellschaft ist auf DLP-Projektoren, LED-Bildschirme und Flachbildschirme fokussiert. Neben neuen Chancen wie dem drahtlosen Präsentationssystem ClickShare, die das Unternehmen ergreifen will, befindet sich Barco allgemein im Umbau. Ein wichtiges Ziel dabei ist eine Margenverbesserung, und den Zahlen vom ersten Quartal zufolge ist man da durchaus auf einem guten Weg. Die Berenberg Bank erwartet jedenfalls von 2017 bis 2020 einen Anstieg der Nettogewinnspanne von 2,3 auf 8,5 Prozent. Mit dem angepassten Gewinn je Aktie soll es gleichzeitig von 3,91 auf 8,14 Euro nach oben gehen, was deutlich Kurspotenzial verspricht.

Margenverbesserungen sind laut Berenberg Bank auch bei Recticel drin. Den Prognosen zufolge soll die Nettogewinnspanne von 2017 bis 2020 von 2,1 auf 4,9 Prozent zulegen. Die Hoffnung besteht unter anderem darin, dass der Produzent von Schaumstoff von den EU-Vorschriften für mehr Energieeffizienz profitiert. Weil Polyurethan als leistungsstärkster Dämmstoff gilt und Recticel hier führend ist, verspricht das mehr Umsatz. Auch den Gewinn je Aktie sieht der Analystenkonsens von 2017 bis 2020 von 0,60 auf 1,09 Euro steigen. Damit winkt ein einstelliges KGV, was die These untermauert, dass es auf dem belgischen Kurszettel vernachlässigte Titel mit guten Perspektiven gibt.



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Auf einen Blick: Belgien