Die Aktionäre des Supercomputerherstellers Cray feierten diesen Sommer so etwas wie einen Apple-Moment: Das Unternehmen mit Sitz in Seattle konnte sein Technologie-Wunderkind Steve Scott zurückgewinnen. Das nährt, ähnlich wie beim iPhone-Hersteller, die Hoffnung auf einen neuen Höhenflug. Der begann bei Apple mit der Rückkehr von Gründer Steve Jobs 1996.

Scott hatte 2011 einen Führungsposten bei Nvidia angenommen und war später zu Google abgewandert. "Es macht Spaß, wieder bei Cray zu sein, wo wir endlich bei Unternehmenskunden an Fahrt gewinnen", sagt Scott. Zu Jahresbeginn erhielt Cray neue Aufträge im Wert von 800 Millionen Dollar, mehr als doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum. "Wir feiern eine unglaubliche Erfolgsserie", freut sich Vorstandschef Peter Ungaro, "die meisten der Aufträge laufen über mehrere Jahre, sodass sich unser künftiges Wachstum bereits abzeichnet."

Cray profitiert von Big Data, der Ansammlung von immer größeren Datenmengen durch digitale Medien: Scott will die Systemarchitektur der Cray-Supercomputer für Datenanalyse und Simulationen optimieren. Das Unternehmen plant, seine Rechner für analytische Anwendungen in Forschungslaboren, in der Konsumindustrie oder im Ingenieurwesen noch schneller zu machen. "Bei Cray sind wir an aggressiver Analyse interessiert, nicht nur wie Google am Verwalten einer großen Datenmenge", erklärte Scott kürzlich dem US-Fachportal EnterpriseTech.

Die Anwendungsgebiete von Supercomputern in der Analyse von großen Datenmengen sind schier endlos: Sie kommen bei der Sequenzierung von Genen zum Einsatz, im Risikomanagement von Investmentbanken oder bei der Analyse von Kundenabwanderungen im Telekomsektor. Inhalte aus Social Media zu analysieren, um die richtige Werbung an den richtigen Adressaten zu schicken, ist ebenfalls eine Domäne der Hightechmaschinen.

Die Marktforschungsgesellschaft IDC erwartet für die Hochperformance-Computer-Branche ein Wachstum von 7,3 Prozent pro Jahr zwischen 2012 und 2017. Doch die Big-Data-Industrie, auf die sich Cray jetzt konzentriert, soll in Einzelbereichen um 50 Prozent pro Jahr wachsen. Der weltweite Umsatz soll sich schon Ende 2014 auf geschätzte 16 Milliarden Dollar belaufen.

Das Unternehmen wurde 1972 von Seymour Cray gegründet, dem "Vater der Supercomputer". Das Genie galt als höchst verschroben: Gern buddelte er zur Inspiration an einem Tunnel unter seinem Haus - er sagte, dass ihm dort "Elfen die Lösung für Probleme liefern". 1976 verblüffte er die Fachwelt mit dem schnellsten Rechner der Welt, dem Cray 1. Der erste wurde im Atomlabor von Los Alamos eingesetzt, insgesamt verkaufte Cray 80 Stück. Doch der Anschlusserfolg ließ auf sich warten.

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Zwei Ochsen oder 1024 Hühner?

In den 90er-Jahren wurde die Parallelschaltung mehrerer Computer, die Cray immer verachtet hatte, extrem beliebt. Sein berühmter Spruch: "Wollen Sie ein Feld lieber mit zwei Ochsen pflügen oder mit 1024 Hühnern?", erwies sich als falsch: Viele Computer gleichzeitig an einem Problem arbeiten zu lassen, setzte sich durch. 1996 starb Cray im Alter von 71 Jahren bei einem Autounfall. Sein Unternehmen Cray Research fusionierte 1996 mit Silicon Graphics. Dort wurde der Supercomputerbereich im Jahr 2000 ausgelagert und an die Firma Tera Computer verkauft, die sich dann wieder in Cray umbenannte.

Aktuell gewinnt Cray weltweit an Statur: Von der King-Abdullah-Universität in Saudi-Arabien kam im November ein Auftrag in Höhe von 80 Millionen Dollar. Gerade abgeschlossen ist der mit 128 Millionen Dollar bislang größte Auslandsauftrag: Im vergangenen Jahr begann das britische European Centre for Medium-Range Weather Forecasts mit der Umrüstung von IBM auf Cray: Die Cray-Computer steigern die bisherige Rechenleistung des Wettervorhersagedienstes um das 13-Fache.

Produktinnovationen machen Cray bei Großkunden so beliebt: Die XC40-Reihe bietet "DataWarp-Technologie", die aus Daten mehrere Interpretationen zieht, statt einer einzigen, vermeintlich korrekten Weltsicht. Die Ulrika-XA-Linie wird von der Fachpresse gar als "Datenmonster" gefeiert - erster Kunde ist das US-Energieministerium, das die Rechner im Nationallabor in Oak Ridge Klimadaten und Materialwissenschaften analysieren lässt.

Die Konkurrenz im Markt für Supercomputer ist allerdings enorm - das Fliegengewicht Cray konkurriert mit den Giganten der Branche. Laut Schätzung von Server Watch hält Hewlett-Packard (HP) einen Marktanteil von 36,4 Prozent, IBM 35,2 Prozent, Cray nur 10,2. Doch: "Die Dynamik verlagert sich hin zu Cray", beobachtet Aaron Rakers, Analyst bei der Investmentbank Stifel-Nicolaus. Während auf der Liste der 500 größten Supercomputer der Welt in den vergangenen beiden Jahren noch je rund 50 neue IBM-Superrechensysteme auftauchten, waren es in diesem Jahr nur noch drei. Cray wies in diesem Jahr dagegen 14 neue Systeme aus, während das Unternehmen in den Vorjahren nur sieben- und achtmal gelistet war. Für Rakers ist das ein klares Kaufsignal: Er erhöhte sein Kursziel für die Aktie von 35 auf 40 Dollar.

Im dritten Quartal verdreifachte Cray den Umsatz im Vergleich zum Vorjahresquartal auf 158 Millionen Dollar. Für das Gesamtjahr sollen die Erlöse um 14 Prozent anziehen. Analysten rechnen auch für die nächsten Jahre mit zweistelligen Umsatzsteigerungen. Allerdings hält Crays Gewinnwachstum noch nicht mit dem Umsatzanstieg Schritt - ein Indiz, dass der Wettbewerb nicht nur über die Qualität, sondern auch über den Preis läuft. Die operative Marge von Cray betrug zuletzt gerade einmal 4,1 Prozent. Analysten gehen aber davon aus, dass das Unternehmen 2015 bei einem Umsatzzuwachs von elf Prozent seinen Gewinn um 40 Prozent steigern kann.

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