Mitarbeiter und Aktionäre der Deutschen Bank brauchen beim Umbau des Instituts einen langen Atem. Nach einem Rekord-Verlust von fast sieben Milliarden Euro 2015 stimmte der neue Vorstandschef John Cryan am Donnerstag auf zwei weitere Krisenjahre ein. "Wir alle wissen, dass eine Restrukturierung sehr herausfordernd sein kann. Sie braucht Zeit, Entschlossenheit und Geduld", sagte der Brite auf der Bilanzpressekonferenz in Frankfurt. 2016 wird nach Angaben des Konzerns der Höhepunkt der Restrukturierung, ein weiterer Verlust ist nicht ausgeschlossen. Cryan will sich nun persönlich einschalten, um die wichtigsten Rechtsstreitigkeiten wie etwa Hypothekenklagen in den USA aus dem Weg zu räumen. Was ihn aber auch sorgt: Es gibt deutliche Bremsspuren im Tagesgeschäft, vor allem im einst so lukrativen Investmentbanking, das zum Jahresende einen Milliardenverlust schrieb.

Dabei bräuchte Deutschlands größtes Geldhaus mehr denn je eine verlässliche Einnahmequelle, um die milliardenschweren Belastungen aus Skandalen und dem Konzernumbau zu schultern. Allein für Rechtsstreitigkeiten hat die Bank seit 2012 fast 13 Milliarden Euro aufgewendet - und ein Ende ist nicht in Sicht, wie Finanzchef Marcus Schenck erklärte. Doch Cryan kann sich hier nicht mehr auf die Investmentbanker verlassen, die in den vergangenen Jahren trotz mancher Zockereien meist den Löwenanteil der Gewinne ablieferten. Sowohl im Anleihe- und Aktienhandel als auch im klassischen Beratungsgeschäft gab es zuletzt Einbußen. Das ist nicht nur dem schwierigen Marktumfeld geschuldet, das sich bereits in den Bilanzen der US-Rivalen gezeigt hatte. Die Deutsche Bank, die sich unter Cryans Vorgänger Anshu Jain stets mit den Besten der Branche messen wollte, räumte erstmals auch ungewohnt offen ein, Marktanteile in einigen Bereichen des Kapitalmarktgeschäfts zu verlieren.

SCHLECHTE STIMMUNG ÜBERALL



An der Börse kam das alles nicht gut an. Mit einem Verlust von drei Prozent war die Deutsche-Bank-Aktie wie schon so oft in den vergangenen Wochen größter Dax-Verlierer. Seit Cryans Amtsantritt im Juli hat das Papier mehr als ein Drittel verloren. "Der Aktienkurs ist auch ein Indikator für die Stimmung in der Bank", gab Cryan zu. Viele Investmentbanker sind Aktionäre der Bank. Mit einer Marktkapitalisierung von etwas mehr als 20 Milliarden Euro wären die Frankfurter ein Schnäppchen etwa für die wiedererstarkten Riesen an der Wall Street. Cryan sieht die Deutsche Bank trotzdem nicht als Übernahmekandidatin. "Das ist nichts, womit wir derzeit allzuviel Zeit verbringen." Die Bankenaufseher sähen riskante Großfusionen sehr kritisch.

Cryan räumte ein, dass viele der rund 100.000 Mitarbeiter im Konzern verunsichert seien. Das liege nicht nur am bevorstehenden Abbau von 9000 Jobs, knapp die Hälfte davon in Deutschland. Auch die Geschäftszahlen seien für viele, die jeden Tag hart arbeiteten, enttäuschend. Einen weiteren Dämpfer für die Motivation dürfte es im März geben, wenn die Bonus-Entscheidung verkündet wird. Cryan kündigte spürbare Einschnitte an. Nach Angaben aus Finanzkreisen ist der Prämientopf für 2015 in einigen Abteilungen um bis zu 30 Prozent geschrumpft. Auf Vorstandsebene wird der Bonus für 2015 nach einer Entscheidung des Aufsichtsrats sogar ganz gestrichen, wie Cryan erklärte. Für ihn sei das keine Überraschung, fühle er sich für das Rekord-Verlustjahr doch "persönlich verantwortlich". Nicht einmal auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 hatte es so schlecht ausgesehen. Die Dividende fällt für mindestens zwei Jahre aus.

Auf Seite 2: KEINE ILLUSIONEN BEI DER POSTBANK





KEINE ILLUSIONEN BEI DER POSTBANK



Die Deutsche Bank muss schrumpfen, um nicht immer wieder mit Spekulationen über weitere Kapitalerhöhungen konfrontiert zu werden. Die Aufseher verlangen von der Deutschen Bank ab 2019 mindestens eine harte Kernkapitalquote von dauerhaft 12,25 Prozent. Anfangs 2016 lag sie mit 12,5 Prozent nur knapp darüber - andere Geldhäuser haben da einen deutlich dickeren Puffer.

Und der Umbau verschlingt erneut viel Geld. So werden das Investmentbanking und die Vermögensverwaltung zerlegt. Im Privatkundengeschäft steht die Trennung von der Postbank über die Börse an, das verbleibende "blaue" Filialnetz wird zurückgebaut. Einen Teil der Restrukturierungskosten buchte die Bank bereits ins Schlussquartal, deshalb schrieb auch das Privatkundengeschäft zum Jahresende einen Verlust. In diesem Jahr rechnet die Bank abermals mit Belastungen von rund einer Milliarde Euro. Gleichzeitig reichen die Einsparungen 2016 wohl nur, um den Kostendruck durch Inflation und Regulierung abzufedern. Die Vorsorge für faule Kredite, die wegen der guten Konjunktur zuletzt auf historischen Tiefstständen gelegen hatte, dürfte wieder steigen.

Verzögern könnte sich auch der Ausstieg bei der Postbank, weil sich neue Hürden aufgetan haben. Geplant sei, die Beteiligung in zwei oder drei Schritten auf weniger als 50 Prozent zu reduzieren und die Tochter damit bis 2018 aus der Bilanz zu bekommen, erläuterte Finanzchef Schenck. Die Mehrheit an der Postbank schon gleich mit dem Börsengang abzugeben, wäre allerdings "sehr ambitioniert". Bislang waren die Planungen auf einen Börsengang zur Jahresmitte hin ausgerichtet.

Auch die Postbank-Mitarbeiter stehen vor Einschnitten: Man habe sich kürzlich mit dem Vorstand der Tochter darauf geeinigt, auch hier in den Filialen und der Zentrale den Rotstift anzusetzen, sagte Schenck. Das finde aber in einer anderen Größenordnung statt. Konkrete Zahlen nannte er nicht. Bei den Deutsche-Bank-Filialen ist der Fahrplan bereits klar: Von den insgesamt 750 Niederlassungen im Inland werden ab Herbst etwa 200 dichtgemacht. Die Gespräche mit den Betriebsräten über den Stellenabbau, der vor allem auf freiwillige Lösungen setzt, laufen jetzt an.

Reuters