Eine echte Jahresendrally hat sich in diesem Jahr nicht eingestellt. Stattdessen hat sich der an den europäischen Börsen in den vergangenen Monaten vorherrschende Seitwärtstrend noch verfestigt. Glaubt man den Analysten von J.P. Morgan, besteht kaum Aussicht auf Besserung. Auf Sicht von zwölf bis achtzehn Monaten traut die US-Investmentbank den Aktien weltweit keine besonders beeindruckende Entwicklung zu.

Zur Begründung für diese zurückhaltende Meinung werden fünf Punkte angeführt: Erstens die eingeleitete US-Zinswende, die dieses Mal ziemlich spät im Zyklus vollzogen worden sei. Zweitens Kurs-Umsatz-Relationen, die sich bereits am oberen Rand der historischen Bandbreite bewegen. Drittens hat sich bei den US-Unternehmen eine Finanzierungslücke aufgetan, was rückblickend keine vorteilhafte Begleiterscheinung für die Börsen gewesen sei. Viertens machten die Gewinnspannen in den USA den Eindruck, als hätte sie ihr Spitzenniveau überschritten. Fünftens bereite China mittelfristig betrachtet Sorgen, was sich unter anderem mit relativen hohen Schuldenkennziffern erkläre.

Vor dem Hintergrund dieser Schwierigkeiten könnte laut J.P. Morgan langsam die bisher bestehende Bereitschaft schwinden, in jede Kursschwäche hinein immer wieder neu Aktien zu kaufen. In Reaktion darauf hat die US-Investmentbank die Aktien-Übergewichtung in einem Modellportfolio auf fünf Prozent gesenkt. Das ist gleichbedeutend mit der geringsten Übergewichtung von Aktien seit Aufnahme des derzeitigen Bullenmarktes im März 2009.

Aber wenigstens sind die Experten etwas zuversichtlicher gestimmt für Aktien aus der Eurozone. In einem 160 Seiten umfassenden Marktausblick auf das kommende Jahr wird zu einer Übergewichtung von Aktien aus der Eurozone in einem global ausgerichteten Portfolio geraten. Erklärt wird das unter anderem mit einer sich noch in einem relativ frühen Stadium befindlichen Konjunkturerholung. Zum anderen gehe der Analystenkonsens für 2016 von einem Ergebnisplus von durchschnittlich 8,5 Prozent beim Euro Stoxx Index aus. Diese Prognose passe gut zu der von den J.P. Morgan-Volkswirten vorhergesagten Wachstumsbeschleunigung in der Eurozone von 1,5 Prozent auf 1,8 Prozent. Eher als mögliche Kursbremse werden dagegen Bewertungsrelationen eingestuft, die nicht mehr unbedingt als günstig einzustufen seien.

Auf Ebene der Einzelwerte werden generell gesprochen die Aktien von Gesellschaften bevorzugt, die von einer Erholung der Wirtschaft in Europa begünstigt werden dürften. Wobei Werte mit dieser Charakteristik im Schnitt auch noch mit einem Bewertungsabschlag gegenüber dem Gesamtmarkt aufwarten könnten. Ebenfalls als aussichtreich eingestuft werden Exporteure, weil diesen Unternehmen der schwache Euro-Schwäche zu Gute kommen dürfte. Insgesamt werden aus dem J.P. Morgan-Universum 36 Einzeltitel als besonders interessant herausgestrichen. Wir stellen davon auf den nächsten Seiten jene fünf Werte mit dem größten Kurspotenzial vor. Gemessen an den Kurszielen haben diese Aktien zwischen Prozent und Prozent Luft nach oben.



J.P. Morgan-Euro-Favorit für 2016, Nummer fünf: Royal Mail Group Plc. (WKN: A1W5N2, 4,50 britische Pfund, 6,00 Euro, alle Kurs- und Bewertungsangaben beziehen sich auf den Stand vom 28.12.)



Nach einem Blitzstart beim Börsengang im Jahr 2013 hat den Aktienkurs der Royal Mail Group anschließend relativ schnell der Elan verlassen. Im zu Ende gehenden Jahr ging es dann vor allem volatil zu, unter dem Strich hat der Titel aber kaum Boden gutgemacht.

Die Analysten von J.P. Morgan sind aber optimistisch, dass es den Anteilsscheinen der britischen Post gelingen wird, wieder in den Vorwärtsgang zu schalten. Zumindest legt diesen Schluss ein Kursziel nahe, das sich mit 6,05 britischen Pfund nahe am Rekordhoch von 6,15 Pfund bewegt. Sollte die Vorgabe erreicht werden, müsste der Kurs um 34,4% zulegen.

Das Unternehmen wurde gerade ebenso wie andere Paket- und Frachtdienst-Anbieter wegen illegaler Preisabsprachen in Frankreich zu einer Strafzahlung von 55,1 Millionen Euro verdonnert. Aber weil sich das im Rahmen der Erwartungen bewegte, folgte daraus keine nennenswerte Kursbelastung auf die Notiz, die gerade im Bereich von 4,38 Pfund einen charttechnischen Boden auszubilden versucht.

Zur Einschätzung des Titels mit einem Übergewichten-Urteil heißt es zwar, die Gesellschaft sei mit einigen Risiken behaftet wie einem möglicherweise kostspieligen Ausgang der im kommenden Jahr anstehenden Tarifverhandlungen oder auch nicht auszuschließenden zusätzlichen regulatorischen Belastungen. Doch von diesen negativen Einflussfaktoren dürfte inzwischen viel auch schon in den Kursen stecken. Ähnlich scheint das auch der neue Chairman Peter Long zu sehen. Hat er sich gerade doch bei einem Kurspreis von im Schnitt 4,44 Pfund mit 50.000 Aktien der Royal mail Group eingedeckt.

Bei einem geschätzten Gewinn von 41 Pence für 2016 wird verglichen mit den für 2015 erwarteten 40,6 Pence im kommenden Jahr zwar kein Schwung auf Ergebnisebene erwartet. Aber auf dieser Basis würde sich das KGV für das kommende Jahr nur bei 11,0 bewegen. Hinzu kommt eine Dividendenrendite, die sich auf Basis der Schätzungen beim aktuell gültigen Aktienkurs auf immerhin fast fünf Prozent belaufen dürfte.



J.P. Morgan-Euro-Favorit für 2016, Nummer vier: Land Securities Group (WKN: 662289, 11,86 britische Pfund, 16,061 Euro)



Auf ein Kurspotenzial in einer ähnlichen Größenordnung wie Royal Mail kommt mit der Land Securities Group ein weiterer Titel von der Insel. Aus einem Kursziel von 16,00 Pfund errechnet sich in diesem Fall ein Aufwärtspotenzial von 34,9 Prozent. Allerdings ist dem Titel nach einem starken Anstieg seit März 2009 zuletzt die Luft ausgegangen. Mitte Dezember ist die Notiz sogar auf den tiefsten Stand des Jahres zurückgefallen.

Die jüngste Kursschwäche hat dabei neben der allgemein wenig erbaulichen Verfassung des rohstofflastigen britischen Leitindex FTSE 100 mit den Sorgen zu tun, der vor allem in London überhitzt wirkende Immobilienmarkt könnte von einem Boom in eine Krise schlittern. Allerdings verhalten sich viele Branchenvertreter derzeit etwas vernünftiger als in früheren Boomphasen und versuchen nicht auf Biegen und Brechen mit aus bilanzieller Sicht gewagten Transaktionen die Blase noch weiter aufzublasen.

Ganz bestimmt trifft das auch auf den größten kommerziellen Immobilienentwickler in Großbritannien zu. Die Tatsache, dass Land Securities sich nicht aggressiv in neuen spekulativen Entwicklungsprojekten engagiert, sondern eher versucht, bestehenden Projekte zu einem guten Pries abzustoßen, hat dem Titel jüngst eine Hochstufung von Halten auf Kaufen durch die Analysten der Deutschen Bank beschert. Auch bei J.P. Morgan zeigen sich die Verantwortlichen zufrieden mit der bisher im diesmaligen Zyklus bewiesenen Finanzdisziplin. Hervorgehoben wird auch ein Volumen von 1,4 Milliarden Pfund an Cash und verfügbaren Finanzierungsmitteln.

Ansonsten ist die Aktie nicht zuletzt auch deshalb mit Übergewichten eingestuft, weil die Bewertung als attraktiv eingestuft wird. Gemessen an dem für Ende März 201/ ermittelten Nettoinventarwert wird der Abschlag auf mehr als 25 Prozent beziffert. Angesichts der als gut beurteilten Perspektiven für den gewerblichen Immobilienmarkt in London sei das ein zu großer Diskont, heißt es. Die geschätzte Dividendenrendite wird auf rund 2,8 Prozent taxiert.



J.P. Morgan-Euro-Favorit für 2016, Nummer drei: Deutsche Bank AG (WKN: 514000, 22,18 Euro)



Bei den drei Werten mit dem größten Kurspotenzial aus der J.P. Morgan-Favoritenliste für 2016 stoßen wir noch einmal in ganz andere Dimensionen vor als bei den beiden zuerst präsentierten Titeln. Denn die Kursziele liegen in diesen Fällen mindestens 57 Prozent über den aktuell gültigen Notierungen. Auf den dritten Platz hat es dabei die Deutschen Bank geschafft. Nach einer zuletzt ausgeprägten Kursschwäche hat die Notiz rein theoretisch 57,8 Prozent Luft nach oben bis zu dem von J.P. Morgan auf 35,00 Euro bezifferten Kursziel.

Es ist davon auszugehen, dass die Kursfindung bei dem Dax-Vertreter auch jüngst durch anhaltend hohe Restrukturierungs- und Rückstellungskosten nach unten gezogen wurden. Die Analysten von J.P. Morgan gehen außerdem davon aus, dass die Entwicklung mit der Sorge um eine Verwässerung des Buchwertes zu erklären sein dürfte. Selbst glaube man aber nicht an diese These und unter dieser Annahme sei der Abstand zum Buchwert inzwischen einfach zu groß. Denn dieser Buchwert wird auf 38,00 Euro beziffert, woraus sich derzeit ein Kurs-Umsatz-Verhältnis von 0,58 ergibt. Das wäre in der Tat als sehr niedrig einzustufen, falls der Buchwert nicht doch noch weiter nach unten korrigiert werden muss.

Die US-Investmentbank hat die Aktie des Konkurrenten Deutsche Bank aber deshalb zum Favoriten im europäischen Bankensektor gekürt, weil man davon ausgeht, dass der neue Vorstand bei den bisher abgegebenen Geschäftsprognosen konservativ geplant hat. Das heißt, wenn alles normal laufe, dürfte es bei den angestrebten Kostensenkungen und der Zielvorgabe noch Raum für positive Überraschungen geben. Aber auch so ergebe sich aus Basis des für 2016 angenommenen Gewinns je Aktie von 3,82 Euro nur ein niedriges geschätztes KGV von 5,8.

Mit Blick auf das äußerst angeschlagene Chartbild und der optimistische Haltung von J.P. Morgan ergibt sich für die Aktie der Deutschen Bank eine spannende Konstellation. Es wird interessant sei zu beobachten, ob letztlich die Analysten der US-Investmentbank mit ihrer Einschätzung des Titels Recht behalten oder der momentan sehr skeptisch Marktkonsens. Wobei die derzeit allgemein zurückhaltende Meinung auch darin zum Ausdruck kommt, dass die Ratingagentur Fitch den deutschen Banken generell angesichts niedriger Zinsen, steigender Kosten und einem harten Wettbewerb nur einen begrenzten Spielraum für steigende Gewinne zubilligt.



J.P. Morgan-Euro-Favorit für 2016, Nummer zwei: Moncler S.p.A. (WKN: A1W66W, 12,70 Euro)



Gegenüber dem noch im August markierten Hoch von 18,91 Euro hat die Aktie von Moncler inzwischen fast 33 Prozent an Wert verloren. Durch diese Baisse ist bei einem unveränderten Kursziel von 21,50 Euro für den erst seit Ende 2013 börsennotierten italienischen Mode-Bekleidungshersteller das Kurspotenzial zuletzt immer größer geworden. Auf dem aktuellen Kursniveau beträgt das Aufwärtspotenzial rein theoretisch 69,3 Prozent.

Ob dieses erschlossen werden kann, hängt mit Sicherheit auch stark davon ab, wie die Anleger künftig allgemein den Luxusgütersektor einstufen. Zuletzt herrschte diesbezüglich viel Skepsis vor, weil man Angst hat, die konjunkturellen Probleme in China könnte die Lust auf Luxus in dem wichtigen Abnehmerland verhageln. Die Deutsche Bank beispielsweise hat auch deshalb zuletzt die Kursziele für einige Branchenvertreter gesenkt. Gleichzeitig wurde für 2016 die Prognose für das Nachfragewachstum von 5,2 auf 4,2 Prozent gesenkt.

Verglichen mit manchen anderen Sektoren wäre das immer noch eine vergleichsweise üppige Zuwachsrate. Aber sollte die Luxusbranche tatsächlich auf die niedrigste Wachstumsrate seit 2010 zurückfallen, wäre das für die Aktie der Luxusgüterunternehmen auch deshalb ein Problem, weil die Bewertungen oft noch anspruchsvoll sind.

Bei dem vor allem für seine wattierten Daunenjacken im oberen Preissegment bekannten italienischen Branchenvertreter Moncler wäre dieser Punkt unverdächtig, falls die J.P. Morgan-Gewinnschätzungen aufgehen sollten. Denn das Ergebnis je Aktie wird für 2016 und 2017 auf 0,78 Euro und 0,88 Euro veranschlagt, Daraus ergeben sich Kurs-Gewinn-Verhältnisse von 16,3 und 14,4. Das sind Werte, die gegenüber der Branche eine so niedrige Bewertung wie noch nie seit dem IPO darstellen, heißt es.

Zumal das auch der Annahme nicht gerecht werde, wonach das Unternehmen in der Lage sein wird, seinen Wachstumskurs zu verteidigen. Das Unternehmen habe zwar bereits in den vergangenen Jahren deutlicher zugelegt als andere Vertreter aus dem Luxussegment, doch man verfüge trotzdem auch jetzt noch immer über viele ungenutzte Hebel, um diesen Trend auch künftig fortzuschreiben. Wird der jüngste Kursverlauf als Maßstab herangezogen, dann ist die Skepsis unter der Anlegerschaft aber groß, ob diese Rechnung tatsächlich aufgehen wird.



J.P. Morgan-Euro-Favorit für 2016, Nummer eins: Peugeot (WKN: 852363, 16,07 Euro)



Keinen so ausgeprägten Kursrückgang wie Moncler oder die Deutsche Bank musste in den vergangenen Wochen Peugeot hinnehmen. Verglichen mit dem Stand von Ende September hat sich die Notiz vielmehr deutlich erholt. Das ändert aber nichts an dem nach wie vor großen Kurspotenzial, das die Analysten von J.P. Morgan hier wittern. Bei einem mit 27,00 Euro angegebenen Kursziel hätte dieser Titel stolze 68 Prozent Luft nach oben.

Den damit verbundenen Optimismus begründet die US-Investmentbank wie folgt: Dank einer Erholung des europäischen Automarktes und der Einstellung unprofitabler Modelle winke dem französischen Autobauer eine verbesserte Preismacht. Außerdem seien erhebliche Kosteneinsparungen absehbar und es zeichne sich eine steigende Kapazitätsauslastung ab.

Die Hoffnung auf ein sich aufhellendes Umfeld scheint nicht völlig haltlos zu sein. So hat der französische Automarkt im November seine Erholung fortgesetzt und die Neuzulassungen legten gegenüber dem Vorjahresmonat um 11,3 Prozent zu. Auch in den ersten elf Monaten stiegen die Zulassungen um 6,2 Prozent auf 1,7 Millionen Fahrzeuge. Nach mehreren Jahren mit Rückgängen steuert der französische Automarkt dieses Jahr damit wieder auf ein ordentliches Wachstum zu. Davon profitieren nicht zuletzt französische Marken wie PSA Peugeot Citroen. Angeführt von der Marke Peugeot, die um 16,6 Prozent zulegte, stiegen die Verkäufe des Konzerns im Vormonat um 13,1 Prozent.

Mehren positive Nachrichten dieser Art, dann dürften immer mehr Marktteilnehmer zu der Erkenntnis gelangen, dass die selbstgesteckten Margenziele der Franzosen erreichbar seien. In diesem Falle sei dann aber eine Neubewertung des CAC 40 Index-Mitglieds zu erwarten. Zumindest würden dafür Bewertungsüberlegungen sprechen. Schließlich bewege sich auf Basis der für 2016 und 2017 vorhergesagten Gewinne je Aktie von 1,8 Euro und 2,2 Euro das KGV nur im einstelligen Bereich.