"Vor allem die Deutsche Bank braucht jetzt einen Plan, wie sie die Profitabilität nachhaltig steigern kann, insbesondere mit Blick auf die Investmentbank", sagt Union--Investment-Fondsmanagerin Alexandra Annecke gegenüber BÖRSE ONLINE. "Die Eckzahlen zum ersten Quartal zeigen: Das Ziel von vier Prozent Rendite auf das Eigenkapital für 2019 rückt immer weiter in die Ferne."

Viele Analysten, die zunächst erleichtert auf die abgesagte Fusion reagierten, vermissen inzwischen neue strategische Impulse bei beiden Häusern - von einem richtigen Plan B ganz abgesehen. Das Scheitern der Fusion sei kein schlechter Ausgang, heißt es beispielsweise in einer Studie von Goldman Sachs. Es stelle sich aber die Frage nach besseren Optionen. Vor allem die Deutsche Bank müsse ihre unbewältigten strategischen Herausforderungen angehen. Auch Großaktionäre wie BlackRock oder Katar fordern hier härteres Durchgreifen.

Doch sowohl Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Paul Achleitner als auch Commerzbank-Chef Martin Zielke wollen von Strategiedefiziten nichts wissen. Achleitner hält vielmehr unverdrossen an der bisherigen Konzernstruktur des größten deutschen Geldhauses fest - trotz Dauer-Ertragskrise und neuen Brandherden. So hatte die Deutsche Bank zwar im ersten Quartal wieder einen bescheidenen Überschuss erwirtschaftet, war aber im Kerngeschäft Investmentbanking in die roten Zahlen gerutscht. Zumindest Vorstandschef Christian Sewing hatte deshalb den Druck auf diese Sparte erhöht. "Wir haben zuletzt im Kapitalmarktgeschäft zu wenig verdient", warnte er in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Wenn sich das nicht nachhaltig verbessert, dann werde ich auch so konsequent sein und sagen: Da müssen wir uns etwas anderes überlegen."

Aufsichtsratschef Achleitner ging das zu weit. In der "Financial Times" verteidigte er die defizitäre Sparte, die sich bemühe, das Ruder herumzureißen. Anpassung an ein sich wandelndes Marktumfeld sei schon nötig, erklärte Achleitner. Doch in diesem Fall gehe es nicht um die Strategie, sondern um die Ausführung.

Commerzbank - mit Unicredit und HVB ein neuer "Champion"?


Ähnlich hält es Commerzbank-Chef Martin Zielke, der nach der geplatzten Fusion vor allem eines nicht mehr hat: Interesse an einem Partner. Und das, obwohl die niederländische ING und die italienische Unicredit offen ihren Hut in den Ring geworfen haben. "Wir sind alleine stark genug, um unseren Weg zu gehen", glaubt Zielke. "Und wir haben eine klare Strategie", erklärte er auch mit Blick auf die Zahlen für das erste Quartal. Demnach verlaufe das Privatkundengeschäft sehr erfolgreich, und auch im Firmenkundengeschäft würden Fortschritte erzielt.

Anleger sind derzeit allerdings nicht nur auf den Quartalsbericht gespannt, den die Bank am 8. Mai vorlegt. Seit Tagen zeigt sich die Commerzbank-Aktie trotz geplatzter Fusion erstaunlich robust. Der Grund: Am Markt wird weiterhin auf eine Übernahme spekuliert. Die Analysten von JPMorgan beispielsweise haben sich schon festgelegt: "Unicredit wäre die bessere Lösung. Die Gewinndynamik wäre ausgeprägter als bei ING."

Das Analysehaus Kepler Chevreux strickt diesen Gedanken sogar noch weiter: Übernimmt die HVB-Mutter Unicredit die Commerzbank, könnten sich Commerzbank und HVB in Deutschland zu einem "nationalen Champion" zusammenschließen. Diesmal allerdings nicht unter der Schirmherrschaft der Bundesregierung, sondern unter der Obhut der Mailänder Großbank.