Wäre Hawesko ein Mensch, wäre er jetzt im besten Alter", sagte Thorsten Hermelink, Vorstandschef des börsennotierten Hamburger Weinhändlers, nach der Bilanzpressekonferenz zu BÖRSE ONLINE. "Schon erwachsen, aber noch nicht alt." Im 53. Jahr präsentiert Hawesko stolz die beste Bilanz seiner Unternehmensgeschichte: Umsatz und Ergebnis liegen auf Rekordniveau.

"Im vergangenen Jahr haben wir erstmals die Halbe-Milliarde-Marke durchbrochen", sagte Hermelink bei Vorlage der 2017er-Zahlen mit Blick auf den Umsatz-nstieg von 5,4 Prozent auf 507 Millionen Euro. Und: "Wir haben zum zweiten Mal hintereinander das beste Ergebnis der Firmengeschichte erreicht." Das operative Ergebnis (Ebit) stieg um 4,6 Prozent auf 30,4 Millionen Euro. Voller Tatendrang blicken die Hamburger weiter nach vorn: Erklärtes Ziel seit der strategischen Neuausrichtung vor zwei Jahren ist es, der größte europäische Weinhändler im Premiumbereich zu werden. Dazu soll Hawesko sowohl aus eigener Kraft als auch durch Zukäufe wachsen.

Auf Seite 2: Wachstumsstory mit Wermutstropfen





Wachstumsstory mit Wermutstropfen



Besonders gut kommt die Handelskette Jacques’ Wein-Depot voran, die dank einer wachsenden Zahl aktiver Kunden im zwölften Jahr in Folge flächenbereinigt einen Umsatzanstieg verbuchte. Das Filialnetz soll von 300 auf 350 Geschäfte wachsen. Auch der Onlinehandel, der 2017 knapp 100 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftete, wird ausgebaut.

Der Konzernumsatz soll im laufenden Jahr ohne Zukäufe um etwa drei Prozent steigen, das Betriebsergebnis (Ebit) zwischen 32 und 33 Millionen Euro liegen. Der Wermutstropfen: Investitionen zur Steigerung des profitablen Wachstums schmälerten 2017 die operative Rendite. Die Ebit-Marge sank von 6,2 auf 6,0 Prozent und entfernte sich vom angepeilten Niveau um sieben Prozent. Auf einen Zeitpunkt, wann dieses Ziel erreicht sein soll, will sich Hermelink nicht festlegen, er stellt für 2018 aber eine Ebit-Marge von 6,2 Prozent in Aussicht (siehe Interview Seite 3).

Nach dem Mehrheitserwerb an WeinArt und Grand Cru Select ist Hawesko, auch wegen gestiegener Warenbestände, mit einer Nettoverschuldung von elf Millionen Euro nicht mehr ganz schuldenfrei. Zudem verfehlte der Weinhändler das selbstgesteckte Ziel von 16 bis 18 Millionen Euro beim freien Cashflow: Dieser sackte von 13,1 auf 2,8 Millionen Euro. Finanzchef Raimund Hackenberger führte Investitionen in Weinvorräte wegen der schlechten Ernte an und verwies auf die Einführung eines Softwaresystems, das die Bestände zwischenzeitlich erhöht habe.

Seit 20 Jahren ist Hawesko nunmehr an der Börse im Prime Standard notiert und zahlt ebenso lange und ohne Unterbrechung eine Dividende. Das soll auch künftig so bleiben, betonte Hermelink. Für 2017 sollen - wie im Vorjahr - 1,30 Euro je Aktie ausgeschüttet werden. Die Ausschüttungsquote liegt damit bei 63 Prozent.



Auf Seite 3: Interview





Interview: "Wir setzen auf den Ausbau des Onlinehandels"



Börse Online: Für Winzer war 2017 ein schlechter Jahrgang. Wird Wein teurer?


Thorsten Hermelink: Ja. Wir sind für unser Unternehmen aber positiv gestimmt. Durch Produktexklusivitäten können wir für Endverbraucher Preiserhöhungen ausweichen, unser Großhandel kann das in vielen Fällen leider nicht. Wir haben aber unsere Vorräte mit den Jahrgängen 2015 und 2016 gut gefüllt. Bei Weißweinen haben wir uns frühzeitig 2017er-Ressourcen gesichert. Denn der Endverbraucher ist preissensibel. Wir sind davon überzeugt, dass wir ohne große Rohmargendelle aus dem Jahr herauskommen.

Wann erreichen Sie das angepeilte Margenziel von sieben Prozent?


Bereinigt um Wachstumsinitiativen, ist unsere Ebit-Marge auch 2016 schon bei 6,4 Prozent gewesen, das wollen wir in diesem Jahr noch steigern. Ich bin überzeugt, dass wir in den nächsten Jahren unser Ziel erreichen, möchte mich aber nicht auf Jahr und Tag festlegen.

Ihr Ziel ist, Europas größter Weinhändler zu sein. Wie wollen Sie wachsen?


Wir haben drei Wachstumsquellen: erstens organisch aus eigener Kraft, und zwar in allen Segmenten, zweitens durch unsere neuen Geschäftsmodelle und drittens über Akquisitionen, aber das ist nur schwer planbar.

Anfang des Jahres hatten Sie Interesse am österreichischen Marktführer Wein & Co bekundet.


Das ist richtig. Wir sind aber nicht zum Zug gekommen. Aktuell gibt es aber keine Verhandlungen mehr.

Werden Sie Ihr Angebot aufstocken?


Nein. Das ist aktuell nicht unser Thema.

Wie wollen Sie neue Kunden gewinnen?


Dazu setzen wir vor allem auf den Ausbau des Onlinehandels. In ein paar Jahren werden wir auch im Wein internationale Händler sehen. Bisher kaufen Kunden ganz überwiegend national, es gibt noch zu wenig Vertrauen in Zahlungssysteme, Sicherheit und Retourenmöglichkeiten - aber das wird sich ändern. Ich bin mir sicher, dass auch wir in zwei, drei Jahren online international verkaufen werden.

Und wie rüsten Sie Hawesko dafür?


Wir bauen unsere Systeme so um, dass die Onlineshops international werden können. In Schweden sind wir ja mit The Wine Company schon vertreten. Daher wissen wir, dass wir vier bis fünf Jahre brauchen, um in neuen Ländern wirklich Fuß zu fassen.

In welche Länder expandieren Sie zuerst?


Naheliegend wären Österreich und die Schweiz, hier sind die sprachlichen Hürden am geringsten. Dann Benelux - und auf dem Weg nach Schweden läge Dänemark, aber wir haben überhaupt noch keine konkreten Pläne gemacht.