Der Treiber für die Umsatzverdopplung liegt in Espelkamp. Die Kleinstadt ist Heimat von Aumann, dem jüngsten Zukauf des Beteiligungsunternehmens MBB. Was hier in der westfälischen Provinz gebaut wird, versteckt sich in der Entwicklungsabteilung unter weißen Tüchern oder hinter Sichtschutzwänden in der Fertigungshalle. Die streng gehüteten Konstruktionen sollen MBB maßgeblich helfen, seine Einnahmen binnen fünf Jahren von zuletzt 253 auf 500 Millionen Euro zu steigern.

Grund für den Optimismus sind die Produkte, die auf den Maschinen hergestellt werden. Die Geheimhaltung verlangen die Kunden. Die Anlagen wickeln Kupferdrahtspulen, das Herz jedes Elektromotors. Soll die Vision der E-Mobilität Realität werden, sind diese Bauteile unerlässlich. Doch damit sich Elektroautos durchsetzen, müssen ihre Elektromotoren kleiner, leichter und schneller produziert werden. Die Gewichts- und Kosteneinsparungen helfen, E-Mobile länger fahren zu lassen und ihren Preis zu senken. Solche Wettbewerbsvorteile teilen Automobilhersteller nur ungern. Wie sich Kupferspulen mit weniger Material enger und schneller wickeln lassen, wissen allerdings nur wenige. Da Aumann dieses Geschäft schon seit 80 Jahren beherrscht, stehen Autobauer bei der Firma Schlange. Die Lieferzeiten liegen bei über einem Jahr. Wegen der hohen Nachfrage glauben die Westfalen ihren Umsatz dieses Jahr um rund 20 Prozent in Richtung 50 Millionen Euro steigern zu können.

Exponentielles Wachstum



Geht es nach MBB-Vorstand Gerrit Karalus, wird diese positive Entwicklung noch lang anhalten. "Allein Volkswagen will bis 2025 zwei bis drei Millionen Elektroautos pro Jahr verkaufen. Dabei steht bei VW derzeit nur ein Bruchteil dieser Fertigungskapazitäten zur Verfügung. Wir glauben, dass der Markt für E-Mobility und entsprechende Ausrüstungsgüter vor exponentiellem Wachstum steht." Da bis 2025 weltweit 25 Millionen E-Autos pro Jahr verkauft werden sollen, erscheint Karalus mittelfristig ein Umsatz von jährlich über 100 Millionen Euro durchaus machbar.

Das hohe Wachstumstempo soll Aumann auch dank der MBB Fertigungstechnik (MFT) stemmen können. Das nach Umsatz größte MBB-Tochterunternehmen erreicht man von Espelkamp aus mit dem Auto in nur einer Stunde. In der Werkshalle in Beelen stehen alle paar Meter Roboterarme in Metallkäfigen und üben Choreografien, um Achsen und Rahmen zu schweißen oder Nockenwellen zusammenzufügen. MFT konstruiert, plant und baut für BMW, Audi und Zulieferer automatisierte Fertigungslinien. 90 Prozent ihrer Umsätze macht die Firma mit der Autoindustrie, bei Aumann ist es nur gut die Hälfte. Bei einigen Prozessabläufen kann Aumann von den Roboterchoreografen daher noch lernen. Bei MBB glaubt man, die Vorsteuermarge der Spulenwickler so um rund ein Drittel - und damit in den zweistelligen Prozentbereich - heben zu können.



Zusätzlich soll MFT einzelne Herstellungsschritte beim Bau der Wickelmaschinen übernehmen. Ursprünglich sollte die Aufgabenteilung freie Kapazitäten bei MFT auslasten, doch seit Ende 2015 verzeichnet der Maschinenbauer selbst eine anhaltend hohe Nachfrage. Im Vergleich zum Vorjahr zog der Auftragseingang im ersten Quartal 2016 um 121 Prozent an. Wegen der Vollauslastung muss nun eine neue Halle gebaut werden, um die eigenen Orders zu bedienen und um Aumann zu entlasten. Doch auch die anderen MBB-Beteiligungen machen gute Geschäfte.

Delignit, selbst ein börsennotiertes Unternehmen, konnte 2015 einige Neu- und mehrere Folgeaufträge aus der Autoindustrie gewinnen. Das Unternehmen stellt Buchenholzlaminat her, aus dem unter anderem Boden- und Wandplatten für Transporter werden. Mit 44 Millionen Euro wurde bereits vergangenes Jahr ein Umsatzrekord eingefahren. Da Serienaufträge über die Zeit hochgefahren werden, werden die größten Stückzahlen aber erst verzögert abgerufen. Während sich der Wachstumstrend des Vorjahres 2016 wiederholen soll, stehen Delignit laut seiner Konzernmutter die wirklich guten Jahre daher erst noch bevor.

Die MBB-Tochterfirma DTS wiederum erlebt bereits gute Zeiten. Der IT-Dienstleister bietet Cloud-Lösungen an und expandiert mit neuen Niederlassungen. Im Cloud-Geschäft werden den Kunden IT, Speicherplatz und Rechnerkapazität bedarfsgerecht über das Internet bereit-gestellt. Der Markt boomt, und DTS kann dank eigener Server in Deutschland zusätzlich in Sachen Daten-sicherheit punkten. Dank eines um 37 Prozent gestiegenen Umsatzes gelang im ersten Quartal operativ der Turnaround, während das vierte Quartal laut MBB-Chef Christof Nesemeier traditionell das stärkste sei.

In einem Wachstumsmarkt bewegt sich auch CT Formpolster. Das Unternehmen stellt Matratzen her und richtet sich stark an den Bedürfnissen von Onlinehändlern aus. So können etwa selbst größte Matratzen auf Paketgrößen mit Kantenlängen von einem Meter zusammengepresst werden. Grund: in dem hierzulande eine Milliarde Euro großen Markt werden erst rund acht Prozent der Bettpolster über das Internet gekauft. Doch der E-Commerce-Anteil steigt rasant, legte zuletzt um 350 Prozent zu - wovon wiederum CT Formpolster stark profitiert.

MBB hält Kurs



Insgesamt sah MBB-Vorstand Nesemeier alle Beteiligungen im ersten Quartal "voll auf Kurs". Einzig bei Hanke Tissue, einem der führenden Hersteller bedruckter Papierservietten, gab es kein Umsatzplus. Vor diesem Hintergrund bezeichnet das Unternehmen die eigenen Jahresziele "als zunehmend konservativ". Bei einer Firma, die für ihre ohnehin vorsichtigen Prognosen bekannt ist, sollte das aufhorchen lassen. Allein die Vorjahresumsätze von MBB-Gruppe und Aumann zusammen bringen die Berliner nah an ihr Ertragsziel von 300 Millionen Euro für 2016. Als Gewinn sind aktuell zwei Euro je Aktie geplant.

Doch sowohl der Neuzugang im Beteiligungsportfolio als auch MFT melden einen hohen Auftragseingang. Voll ausgelastet kann MFT aktuell Aufträge für 120 Millionen Euro bewerkstelligen. Die beiden Töchter allein könnten MBB damit über die geplanten Umsätze hieven. Da von den anderen Beteiligungen kein Ungemach droht, stehen die Chancen gut, dass mit den Halbjahreszahlen am 31. August die Prognose angehoben wird.