Im Hightech-Mekka Silicon Valley südlich von San Francisco, von dem aus Unternehmen wie Apple oder Facebook die Welt erobert haben, gilt Marc Andreessen als Legende. "Wunderkind" nannte ihn die Presse. Der in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsene Venture-Capital-Investor kennt alle Höhen und Tiefen des Silicon Valley und ist ein gefragter Ratgeber für Start-up-Unternehmen. Er ist Mentor und Freund von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, er ist ein begehrter Redner und Blogger, verschickt jeden Tag über

100 Tweets, erhält pro Jahr im Durchschnitt rund 3000 Finanzierungsanfragen von Start-ups und will später die Hälfte seines Vermögens für wohltätige Zwecke spenden. Der charismatische Andreessen ist populär im "Valley" - und von einem auffallenden Äußeren: Fast zwei Meter groß, sein Markenzeichen ist eine glatt polierte Glatze, gilt er als redselig und witzig. Sein Leben ist eine typisch amerikanische "Tellerwäscher-Story". Er kam 1971 in dem verschlafenen Dorf New Lisbon in Wisconsin zur Welt und wuchs in einem Klima von Aberglauben, Frustration, Entsagung und Armut auf. Der nächste Buchladen war eine Fahrstunde entfernt. Aber außer Kochbücher und Kalender mit Katzenmotiven bot er kaum etwas an, was Andreessens Wissensdurst hätte befriedigen können.

Als er im Fernsehen die Actionserie "Knight Rider" mit David Hasselhoff sah, bekam er eine Ahnung, wohin ihn sein Leben führen könnte: Er begeisterte sich für das sprechende Auto K.I.T.T., einen fahrender Computer, "der selbst eine Giftgasattacke analysieren konnte", so Andreessen. "Dieses Auto war pure Magie." Computer wurden seine Welt. Mit zwölf Jahren entwickelte er auf dem Computer der Schulbibliothek eine Methode zur Lösung der Mathe-Schulaufgaben. Später studierte er Computerwissenschaften an der Universität von Illinois, schwänzte jedoch oft die Vorlesungen, weil er zusammen mit einem anderen Programmierer den Mosaic-Browser entwickelte, den Vorläufer des Netscape Navigator. Mosaic war kostenlos und verbreitete sich schnell in der noch kleinen Gemeinde der WWW-Nutzer.

Nach dem Studium zog Andreessen ins kalifornische Silicon Valley, wo sich die neue Tech-Elite formierte, und lernte Jim Clark kennen. Der war ein großer Fan des Mosaic-Browsers und sah darin ein gigantisches Geschäftspotenzial. Zusammen entwickelten sie 1994 den Netscape Navigator, der weltweit schon bald einen Marktanteil von über 90 Prozent erreichte. Ein Jahr später ging ihr Unternehmen Netscape Communications Corporation an die Börse. Die Aktie explodierte, stieg von 28 Dollar auf 75 Dollar am Ende des ersten Handelstags - Marc Andreessen war mit gerade 24 Jahren 56 Millionen Dollar wert. Das Tech-Wunderkind schaffte es sogar auf das Cover des Nachrichtenmagazins Time, das ihn barfüßig und lachend auf einem Thron sitzend zeigte.

Der Niedergang von Netscape begann, als Microsoft einen eigenen Browser entwickelte und dafür den in der Public Domain befindlichen Code des Mosaic nutzte. Der Internet Explorer 1.0 wurde in das Betriebssystem Windows integriert. Microsoft hatte den "Browser-Krieg" gewonnen, der Marktanteil von Netscape schrumpfte auf vier Prozent. Andreessen und Clark schafften es 1999 dennoch, Netscape für 4,2 Milliarden Dollar an AOL zu verkaufen.

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Seiner Zeit zu weit voraus


Noch im gleichen Jahr gründete er mit seinem Partner Ben Horowitz Loudcloud, einen frühen Cloud-Anbieter, der Kunden wie Ford, Nike oder die US Army hatte. Doch der Dotcom-Crash traf Loudcloud hart, Andreessen entließ 500 Angestellte. Die Welt war noch nicht reif für das Cloud-Computing. 2002 wurde das Unternehmen in Opsware umbenannt. Aber die Geschäfte liefen nicht gut, 2007 verkauften Andreessen und Horowitz Opsware für 1,6 Milliarden Dollar an den US-Konzern Hewlett-Packard. Andreessen entschloss sich, es als Wagniskapitalgeber zu versuchen. Er und Horowitz begannen, in Start-ups zu investieren. Sie beteiligten sich an 50 Unternehmen, darunter Facebook, Twitter, Airbnb und LinkedIn. 2009 gründeten sie die Venture-Capital-Gesellschaft Andreessen Horowitz. Sie begannen mit einem Kapital von 300 Millionen Dollar. Drei Jahre später verwalteten sie bereits 2,7 Milliarden Dollar.

Forbes schätzt sein Vermögen heute auf 1,3 Milliarden Dollar. Seine Investmentstrategie: "Keine saubere Umwelttechnologie, keine Weltraumraketen, keine Elektroautos, kein China, kein Indien". Er glaubt unerschütterlich daran, dass das Internet schon bald alle Aspekte unseres Lebens beherrschen wird. 2009 übernahm Andreessen Horowitz zusammen mit anderen Investoren für 2,75 Milliarden Dollar eine Mehrheit der Internettelefonie-Software Skype. Diese Investition zahlte sich aus: Zwei Jahre später kaufte Microsoft Skype für 8,5 Milliarden Dollar.

Bitcoin und Kryptowährungen seien "innovativ und radikal", verkündet Andreessen. Er hat deshalb einen Fonds aufgelegt, der in Unternehmen investiert, die sich auf Kryptowährungen und die Blockchain-Technologie spezialisieren. Rund 300 Millionen Dollar hat Andreessen Horowitz dafür eingesammelt, meldete der US-Wirtschaftssender CNBC. In der Schweiz investierte das Unternehmen 2018 zusammen mit Partnern wie Sequoia Capital 61 Millionen Dollar in das ambitionierte Blockchain-Projekt Dfinity: Die Schweizer arbeiten an einem gigantischen virtuellen Computer. Er soll eine neue Art von Cloud-Computing ermöglichen.

Virtual Reality ist für Andreessen das Medium der Zukunft. Diese Technologie könne sowohl die Arbeit wie auch die Freizeit der Menschen revolutionieren. Andreessen, dem man im Silicon Valley nachsagt, dass er einen untrüglichen Riecher für die Geschäftsideen von morgen habe, hat deshalb rechtzeitig in das Start-up Oculus VR investiert, das spezialisiert ist auf Hardware- und Softwareprodukte für die virtuelle Realität.