Wenn es nur nach diesen Zahlen geht, dürfte der Kursanstieg ein Strohfeuer bleiben: Für 2016 plant Morphosys-Chef Simon Moroney nämlich 58 bis 68 Millionen Euro den größten Verlust in der bisherigen Firmengeschichte, weil er - wie seit langem angekündigt - mehr in Forschung und Entwicklung investieren will. Ohnehin ist das letztjährige Ergebnis vor Steuern von 17,2 Millionen Euro, ebenso wie der Anstieg des Umsatzes von 64 (2014) auf 106,2 Millionen Euro, vor allem eine Folge von Einmaleffekten nach der Beendigung der Kooperation mit dem US-Konzern Celgene.

Es führt aber grundsätzlich in die falsche Richtung, Morphosys anhand von Gewinn oder Verlust bewerten zu wollen, und es ist ein Problem, dass die Anleger dies 17 Jahre nach dem Börsengang immer noch tun. Viel wichtiger ist der Fortschritt in Morphosys’ Pipeline und die Fähigkeit des Unternehmens, diesen Fortschritt weiter zu finanzieren. In beiden Punkten schneidet Morphosys deutlich besser ab, als es die Entwicklung des Aktienkurses widerspiegelt. Morphosys verfügt über 25 Produktkandidaten, die bereits in der Klinik, also an Patienten, erprobt werden. Das ist eine Summe und eine Diversifikation, die nur wenige andere Unternehmen dieser Größe bieten.

Es ist rein statistisch betrachtet fast unmöglich, dass alle diese Kandidaten scheitern. Im Lauf des Jahres oder im kommenden Jahr könnten erstmals zwei Medikamente aus Morphosys’ Laboren zugelassen werden und auf den Markt kommen, was der Wahrnehmung des Unternehmens einen ordentlichen Schub verleihen sollte. Für insgesamt vier weitere Kandidaten, die die Münchner in Eigenregie oder mit Biotech-Partnern erforschen, werden im Lauf des Jahres wichtige Studien angestoßen oder ausgewertet.

Morphosys verfügt über knapp 300 Millionen Euro Cash, Ende des Jahres werden es voraussichtlich noch 225 bis 235 Millionen sein. Es besteht deshalb zunächst kein Bedarf, den Kapitalmarkt anzuzapfen, denn durch die vielen Partnerprogramme aus früheren Jahren erzielt die Firma auch recht stabile Erlöse von rund 50 Millionen Euro. Das ist eine komfortable Situation, die es erlaubt, die eigenen Projekte noch ein gutes Stück weiter voranzutreiben und damit eine weit höhere Wertschöpfung für das Unternehmen zu erzielen, als es mit der "Auftragsforschung" für Novartis, Roche und Co. der Fall war.

Allerdings: Bis sich diese Hoffnungen materialisieren, wird es noch dauern. Verzögerungen sind im Geschäft mit klinischen Studien und den Zulassungsbehörden zudem an der Tagesordnung. Auch Rückschläge sind wahrscheinlich, und die Stimmung für Biotechnologie-Unternehmen ist aktuell, vor allem aufgrund des US-Wahlkampfs und der dabei thematisierten Diskussion um Medikamentenpreise denkbar schlecht. Wer sich nicht langfristig engagieren will und starke Schwankungen aushalten kann, sollte deshalb die Finger von der Aktie lassen. Wer diese Risiken nicht scheut, kann die Papiere jedoch zu Schnäppchenpreisen einsammeln. Ziel: 65,00 Stopp: 29,50