Für den neuen Konzernchef Vasant Narasimhan ist es ein vielversprechender Start. Novartis hat überzeugende Geschäftszahlen für 2018 abgeliefert. Der Gesamtumsatz des Schweizer Pharmagiganten verbesserte sich um 5,7 Prozent auf 51,9 Milliarden US-Dollar. Den größten Anteil daran hatte der neue Geschäftsbereich "Innovative Medikamente", der alle verschreibungspflichtigen Arzneien bündelt und für zwei Drittel der Konzernerlöse steht. Dank neuer Produkte mit Milliarden­ einnahmen - wie das Herzmittel Entresto oder das Schuppenflechte­Medikament Cosentyx - kletterte der Umsatz um acht Prozent auf 34,9 Milliarden US-Dollar.
Das operative Kernergebnis von 13,8 Milliarden Euro legte ebenfalls um acht Prozent zu. Der Konzerngewinn wiederum war stark von Sonderfaktoren getrieben, wie der US-Steuerreform und dem Buchgewinn von 5,7 Milliarden US-Dollar aus dem Verkauf der Beteiligung an dem Gemeinschaftsunternehmen mit Glaxo­ SmithKline. Die gesamten freien Mittelzuflüsse beliefen sich auf 11,7 Milliarden US-Dollar. Für die Aktionäre will Novartis die Dividende zum 22. Mal in Folge erhöhen. 2019 erwartet die Firma beim operativen Kernergebnis einen Zuwachs im mittleren bis oberen einstelligen Prozentbereich. Abschreibungen, Verkäufe und andere Sonderfaktoren sind dabei nicht berücksichtigt.

Die "neue" Novartis nimmt Fahrt auf



Bei den Anlegern kommt die neue Strategie an. Seit den Sommermonaten hat sich der Aktienkurs aus seiner zweijährigen Lethargie gelöst und um rund 25 Prozent zugelegt. Solides Wachstum, unterschiedlich profitable Sparten, aber keine aufregende Wachstumsstory - dieses Image hatte die Gesellschaft in der Finanzwelt, als Narasimhan Anfang 2018 die Konzernspitze übernahm. Was der gebürtige Inder für die Zukunft als "inspiriertes und neugieriges Unternehmen" umreißt, bedeutet in der Praxis eine Runderneuerung, der sich Novartis für den Zeit­ raum 2018 bis 2023 verschrieben hat.
Weil Diversifikation laut Narasimhan ein Unternehmen eher daran hindert, in den jeweiligen Branchen führend zu sein, konzentriert Novartis die Forschung jetzt auf einzelne Bereiche und stößt zugleich weniger profitable Geschäftsfelder ab. Der Verkauf der Anteile am Joint Venture mit GlaxoSmithKline im Geschäft mit Konsumprodukten im März 2018 spülte 13 Milliarden US-Dollar in die Kasse. Im Gegenzug sicherte sich Novartis mit der Übernahme der Biotechfirmen Avexis und Endocyte neue Technologien in der Gentherapie und Radiopharmazeutika für die Krebsbehandlung. Als globaler Vorreiter in der Pharmaindustrie sieht sich Novartis mit seinem Zentrum für künstliche Intelligenz mit dem Namen SENSE.
Auf sechs riesigen Monitoren in einem Kontrollraum am Firmenhauptsitz in Basel können Mitarbeiter rund zwei Millionen gespeicherte Patientendaten in Echtzeit einsehen. Über diese digitale Plattform lassen sich die rund 500 klinischen Studien überwachen, die Novartis jährlich am Laufen hat. Programmierte Algorithmen erkennen vorausschauend Probleme, zum Beispiel wenn einzelne Kliniken noch keine Patienten für die klinischen Tests rekrutiert haben und somit Verzögerungen im Zeitplan für den gesamten Studienablauf drohen. Hält man sich vor Augen, dass klinische Studien mit gut 35 Prozent den größten Kostenblock bei der Medikamentenentwicklung stellen, kann Novartis hier bis zu 20 Prozent Kosten sparen. Neben effizienteren klinischen Studien soll der Datenpool auch neue Heilmittel schneller auf den Markt bringen. Allein 10 000 Pharmareferenten sollen bis Ende 2019 mit dem Analysesystem von SENSE für den Vertrieb vertraut werden.

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Mehr Profitabilität, neue Blockbuster



Auf Sicht der nächsten Jahre ist Novartis gut aufgestellt, um bei Umsatz und Profitabilität größere Sprünge hinzulegen. Bei der operativen Marge übertraf das Unternehmen mit seinen 26,6 Prozent bereits die beiden Konkurrenten Merck & Co (22,9 Prozent) und Sanofi (13,6 Prozent), die im Hinblick auf ihre Geschäftsfeldern ähnlich breit aufgestellt sind wie die Schweizer. Auch bei der Profitabilität liegt Novartis mit einer Kapitalrendite von 16 Prozent über dem Branchenschnitt.
Bis 2020 erwartet das Management die Zulassung von bis zu elf Produkten, denen jährliche Umsätze von mehr als einer Milliarde US-Dollar eingeräumt werden. Auch lässt der freie Cashflow von zuletzt 11,7 Milliarden Dollar Spielraum für Akquisitionen. Eines hat Narasimhan in jedem Fall schon geschafft: Öffentlichkeit und Finanzmärkte haben den neuen Konzern im Blick. Das war zu Beginn seiner Amtszeit noch anders - damals war ruchbar geworden, dass sein Vorgänger Joe Jimenez dem Trump-Anwalt Michael Cohen 1,2 Millionen US-Dollar für Beratungsleistungen gezahlt hatte.