Herr Mucic, SAP hat fürs dritte Quartal eher durchwachsene Zahlen vorgelegt. Vor allem das Cloud-Geschäft drückt derzeit auf das Ergebnis. Müssen sich Investoren bei SAP nach vier starken Jahren jetzt auf eine Durststrecke einstellen?
Ihre Einschätzung zu den Quartalszahlen teile ich nicht. Unsere Entwicklung im dritten Quartal war außerordentlich gut. Die Umsätze mit Software- und softwarebezogenen Dienstleistungen sind um sieben Prozent gewachsen, das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis je Aktie um acht Prozent, unser Cloud-Geschäft um 41 Prozent. Von daher muss sich niemand Sorgen um SAP machen. Wir sind sehr gut unterwegs.

Aber Sie haben die Prognose für das bereinigte operative Ergebnis gerade um rund 200 Millionen Euro nach unten korrigiert. Investoren fanden das nicht so überzeugend. Die Aktie lag am Montag mit einem Minus von gut fünf Prozent am DAX-Ende.
Wir haben unsere Prognose für das bereinigte Betriebsergebnis auf die stärkere Entwicklung im Cloud-Geschäft angepasst, das ist richtig. Im Cloud-Geschäft ist es nun einmal so, dass die Umsätze über die gesamte Vertragslaufzeit von mehreren Jahren realisiert, die Kosten für den Vertrieb oder die entsprechende Infrastruktur aber sofort gebucht werden. Doch über die Zeit sind diese Umsätze und die entsprechenden Erträge für SAP sehr positiv. Daher werden langfristig orientierte Investoren in der Zukunft noch sehr viel Freude mit SAP haben.

Kurzfristig belasten die Investitionen aber zunächst das Ergebnis. Die Cloudmarge ist zuletzt um 11,1 Basispunkte gesunken, offenbar vor allem wegen der nötigen Erweiterung ihrer Rechenzentren. Werden Sie hier weiter investieren?
Zunächst möchte ich feststellen, dass wir unsere Marge im dritten Quartal insgesamt mit 31,8% praktisch stabil gehalten haben. Gleichzeitig haben wir investiert. Wir gehen davon aus, dass unsere Investitionen ins Cloud-Geschäft im vierten Quartal und nicht mehr in der gleichen Weise nötig sein werden. Auch für die kommenden Jahre verändert sich das Bild.

Warum?
Zum einen - langfristig - haben wir unlängst mit IBM eine strategische Partnerschaft vereinbart. Dabei können wir verstärkt die Infrastruktur der IBM nutzen. Deshalb wird bei uns der Bedarf für Investitionen in zusätzliche Rechenzentrumskapazitäten sinken. Zum anderen - kurzfristig - wollen und können wir bis uns zum Jahresende voll auf unsere Kunden konzentrieren und dabei strikte Kostendisziplin über alle Bereiche üben. Personalseitig haben wir in den ersten drei Quartalen zum Beispiel aufgestockt. Zusätzliche Investitionen sind hier im Augenblick nicht vorgesehen.

Erst vor wenigen Tagen hat SAP-Chef Bill McDermott einen Bericht von BÖRSE ONLINE über das neue Sparprogramm mit den Worten abgetan, SAP sei noch nie so stark gewesen wie jetzt. Jetzt kappen Sie die Prognose um 200 Millionen Euro. Wie geht so etwas zusammen?
Wir haben kein Sparprogramm, sondern ich habe zur Kostendisziplin gerufen. Abgesehen davon: Bill McDermott hat es absolut richtig formuliert. Wir sind sehr erfolgreich unterwegs. Unser gesamtes Neuauftragsvolumen in der Cloud entspricht bereits jetzt mehr als einem Drittel der Lizenzerlöse im dritten Quartal. Wir wachsen in diesem zukunftsträchtigen Bereich extrem stark. Die Cloud-Aufträge von heute sind die Umsätze und die Ergebnisse von morgen. Deshalb noch einmal: Wir sind hier hervorragend unterwegs.

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Für SAP sind die letzten drei Monate des Jahres entscheidend. Dann machen Sie rund 42 Prozent des Neugeschäfts. Wie sieht die Pipeline fürs Jahresende aus?
Wir würden die Prognose für die Cloud- Umsätze nicht anheben und für die Software- und softwarebezogenen Serviceerlöse nicht beibehalten, wenn die Pipeline für das vierte Quartal das nicht hergäbe.

Also können Sie zum Jahresende keine Eintrübung erkennen?
Wir sind zuversichtlich.

Aber die Konjunktur kühlt sich in vielen Regionen ab. Die Bundesregierung hat gerade erst ihre Prognose fürs laufende Jahr und 2015 nach unten korrigiert. Auch in Italien und Frankreich ist die Lage schwierig. Das Russland-Geschäft leidet unter den politischen Spannungen. Dazu kommt der Gegenwind in anderen wichtigen Märkten wie Brasilien. Woher nehmen Sie Ihren Optimismus?
In Europa haben wir unseren Umsatz mit Software- und softwarebezogenen Leistungen im dritten Quartal trotz der Krise in der Ukraine zuletzt um acht Prozent verbessert. Hier waren insbesondere Großbritannien und Deutschland sehr stark. In Asien war Japan lange ein Sorgenkind. Dort sehen wir nach einem Turnaround nun zweistellige Zuwächse. Und was Amerika angeht: Dort haben wir in der Tat eine Zweiteilung, mit zweistelligen Zuwächsen in den USA. In anderen Ländern wie Brasilien hat sich das Geschäft dagegen spürbar eingetrübt. Aber SAP ist global aufgestellt. Schwächen in einzelnen Märkten können wir durch die Entwicklung in anderen Ländern ausgleichen.

Auf Seite 3: Mucic über die geplante Übernahme von Concur



SAP hat Ende September angekündigt, für 8,3 Milliarden Dollar das US-Softwarehaus Concur übernehmen zu wollen. Analysten halten den Deal für sinnvoll, aber für viel zu teuer. Investoren sehen das ähnlich. Musste Concur unbedingt sein?
Concur ist genau das Richtige für SAP. Wir setzen langfristig auf den Erfolg von Geschäftsnetzwerken und tun das mit Ariba ja bereits sehr erfolgreich. Daher passt diese Akquisition sehr gut. Sie dürfen ja nicht vergessen: Weltweit liegt das Marktvolumen im Bereich Reisekostenmanagement bei 1,2 Billionen Dollar. Concur ist in diesem Markt ganz vorn. Die Firma hat eine komplette Infrastruktur rund um das Thema Reisen aufgebaut, von Fluglinien über Hotelketten bis zu Dienstleistern im Bereich Logistik. Und zum Preis: Concur hatte in diesem Jahr zwischenzeitlich einen Aktienkurs von 131 Dollar und damit noch oberhalb des Preises von 129 Dollar, den wir je Aktie geboten haben.

Auf Seite 4: Personalchef Stefan Ries über den Konflikt mit den Mitarbeitern



Herr Ries, das starke Wachstum im Cloud-Bereich führt auch zu Umbesetzungen bei den SAP-Mitarbeitern. Dazu stehen sie in Verhandlungen mit dem Konzern-Betriebsrat. SAP fährt hier eine ungewohnt harte Linie und will bislang betriebsbedingte Kündigungen nicht ausschließen. Dies sorgt bei Mitarbeitern für großen Unmut. Weshalb wollen sie auf dieses Instrument nicht verzichten?
Stefan Ries: Die Kommentierung unserer Verhandlungsführung sind Ihre Worte. Dem kann ich mich nicht anschließen Betriebsbedingte Kündigungen sind nur die Ultima Ratio. Das haben wir wiederholt gesagt. Wir haben mit dem Betriebsrat der deutschen Landesgesellschaft ja bereits eine Einigung erzielt. Aufgrund unseres hohen Wachstums haben wir viele Möglichkeiten, Mitarbeiter, deren Stellen wegfallen, in anderen Bereichen einzusetzen. Dazu laufen entsprechende Schulungsprogramme. Von daher sind wir zuversichtlich, dass wir hier auch für die meisten Mitarbeiter der SE, bei denen es Veränderungen gibt, eine gute Lösung finden.

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