Seit 18 Jahren ist "dissen" im Duden zu finden. Und doch dürfte das mit "verunglimpfen" oder "beschimpfen" gleichstehende Verb vielen Deutschen, zumindest ab einem gewissen Alter, kaum geläufig sein. Der Klassiker der Rechtschreibung verweist beim Wortgebrauch auf die Sprache der Rapper. Mit Eminem liefert einer der bekanntesten und erfolgreichsten Vertreter dieser Musikrichtung gerade einen Beleg für diese Zuordnung im Duden: In seinem Ende August erschienenen Album "Kamikaze" disst der US-Künstler andere Musiker mit voller Wucht.

Für Vivendi kommt der Wutanfall des Superstars gerade recht. Eminem steht bei Universal Music Group (UMG), einer Tochter des französischen Medienkonzerns, unter Vertrag. In mehr als 100 Ländern führte "Kamikaze" die Album-Charts an. Wegen dieses Erfolgs und der neuesten Hits des Rapper-Kollegen Drake hat die Deutsche Bank ihre Schätzung erhöht. Mit einem Wachstum von 16 Prozent soll UMG das beste Quartal seit 18 Monaten verbucht haben. Neben den aktuellen Resultaten dürfte bei der Zahlenvorlage von Vivendi am 15. November die Zukunft der Musiksparte im Fokus stehen.

Die Franzosen hatten Ende Juli angekündigt, bis zu 50 Prozent an UMG an einen oder mehrere strategische Partner verkaufen zu wollen. Das Interesse an diesem Filetstück des Konzerns dürfte groß sein. Neben Eminem arbeiten viele weitere Top Acts wie beispielsweise U2, die Rolling Stones oder Katy Perry mit UMG zusammen. Noch im Herbst möchte Vivendi-Chef Arnaud de Puyfontaine einen Deal verkünden, dessen Einnahmen größtenteils in den Aktienrückkauf fließen sollen. Schon allein deswegen könnte ein erfolgreicher Abschluss den Medientitel aus dem laufenden Seitwärtstrend befreien.



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Musik für die Massen



Neben dem dicken Katalog macht die Digitalisierung der Musikindustrie UMG zu einer begehrten Braut. Während der Umsatz mit klassischen Tonträgern nach der Jahrtausendwende regelrecht erodiert ist, brachte der internetbasierte Musikgenuss den Sektor zurück in die Wachstumsspur (siehe "Auf einen Blick"). Am globalen Durchbruch des Streamings hat Spotify Technology einen maßgeblichen Anteil. Zehn Jahre nach dem Start ist die Plattform mit 180 Millionen Nutzern weltweit führend. Knapp die Hälfte davon zahlt als Premium-Abonnent eine monatliche Gebühr, in Deutschland 9,99 Euro, für die werbefreie Nutzung des Angebots.

Auf der digitalen Jukebox bleibt kaum ein Wünsch unerfüllt. Mit UMG, Sony und Warner bieten die drei führenden Musikhäuser ihr Repertoire auf Spotify an. Die Zugriffszahlen sind enorm: Allein die 13 Stücke des neuen Eminem-Albums wurden zusammen bereits rund 760 Millionen Mal abgespielt. Natürlich ist das seit April börsennotierte Unternehmen darauf angewiesen, dass die 2017 vereinbarte Zusammenarbeit mit den drei Branchenriesen von Dauer ist. Allerdings wird allein wegen der schieren Größe und des technologischen Vorsprungs kaum ein Weg an Spotify vorbeiführen. Am 1. November dürfte das Unternehmen mit dem Zwischenbericht für das dritte Quartal seinen Wachstumskurs unterstreichen.

Die Spotify-Aktie ist nach einem fulminanten Debüt aus dem Takt geraten. Als klassischer Wachstumswert, der noch tief in den roten Zahlen steckt, wurde das Papier früh und heftig von der globalen Korrektur erfasst. Für Anleger mit einem langfristigen Horizont könnte sich daher eine Einstiegschance bei diesem "Gamechanger " der Musikindustrie bieten.

Mitunter wird Spotify bereits als neues Netflix bezeichnet. Doch der Vergleich mit dem erfolgreichen Videostreaming-Anbieter aus den USA hinkt. Netflix verdankt den kometenhaften Aufstieg der vergangenen Jahre vor allem hauseigenen Serien wie dem Politthriller "House of Cards". Spotify versucht dagegen, so viel Musik wie möglich auf die eigene Plattform zu bringen und sieht sich nicht als Produzent. Netflix gibt viel Geld für Inhalte aus. Allein im laufenden Jahr plant das Management mit Kosten von acht Milliarden US-Dollar. Obwohl das Geschäft profitabel ist, wirft es nicht genügend ab, um Serien und Filme zu bezahlen. Gerade hat Netflix zwei Anleihen in einem Volumen von insgesamt 1,8 Milliarden Euro aufgenommen. Damit dürfte der Schuldenberg auf umgerechnet rund neun Milliarden Euro anwachsen - eine nachhaltige Zinswende könnte das Unternehmen also hart treffen. Unser Rating für Netflix belassen wir auf "Beobachten".

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