Für etwa die Hälfte der potenziellen Wähler könnte der Verlauf der Debatten laut einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters und des Instituts Ipsos sogar ausschlaggebend sein, wem sie in sechs Wochen ihre Stimme geben. Auch weltweit wird der Kampf um die Nachfolge von Präsidenten Barack Obama mit Spannung verfolgt.

Seit Wochen laufen die Vorbereitungen für das Duell zwischen der Demokratin Clinton und dem Republikaner Trump auf Hochtouren. "Viele Leute werden sich zum ersten Mal bei dieser Wahl einklinken", sagte Clintons Wahlkampfleiter Robby Mook dem Sender ABC. 90 Minuten lang werden die Zuschauer ohne Werbeunterbrechungen verfolgen können, wie sich die beiden Bewerber auf einer Bühne der Hofstra Universität in Long Island unweit von New York schlagen. Eine Schwäche darf sich keiner von beiden leisten: Denn in der US-Geschichte haben Fernsehdebatten mehrfach den Verlauf eines Wahlkampfs maßgeblich verändert.

Der Wahlkampf befindet sich in einer womöglich vorentscheidenden Phase. Mehr als ein Fünftel der Wähler ist noch unentschlossen. Die bislang in Umfragen führende Clinton hat einen großen Teil ihres Vorsprungs eingebüßt. In der jüngsten Reuters/Ipsos-Erhebung erhielt die ehemalige Außenministerin 41 Prozent, der Geschäftsmann Trump 37 Prozent. Vor allem Clintons Schwächeanfall infolge einer Lungenentzündung und die anhaltende Debatte über ihren Umgang mit vertraulichen E-Mails setzen der 68-Jährigen zu.

Viele Experten sind sich einig, dass für die ehemalige First Lady bei der Debatte mehr auf dem Spiel steht. "Es steht außerfrage, dass die Latte für Trump niedriger hängt", sagt etwa der ehemalige Republikaner-Berater und Politologe Dan Schnur. "Er muss nicht brillant sein, er darf nur nicht zu bombastisch sein."

Umfragen zufolge sind sowohl Trump als auch Clinton die bislang unbeliebtesten Kandidaten in der jüngeren US-Geschichte. Der 70-Jährige aber wittert Höhenluft. Noch während der Vorwahlen machte sich der politische Quereinsteiger mit seinem populistischen Auftreten selbst in der eigenen Partei zahlreiche Feinde. Doch inzwischen bekommt er aus dem Lager seiner schärfsten Kritiker zunehmend Zuspruch: Am Freitag bekannte sich überraschend der Erzkonservative Ted Cruz zu ihm, der ihn im Vorwahlkampf noch als "krankhaften Lügner" bezeichnet hatte. Am Sonntag erschien eine von 50 ehemaligen Mitarbeitern des früheren Präsidenten George W. Bush unterzeichnete Solidaritätserklärung.

UNBEHAGEN AN DEN MÄRKTEN



An den Märkten machte sich im Vorfeld der TV-Debatte Unbehagen breit. "Ein gutes Abschneiden von Trump bei der TV-Debatte könne zu Schwankungen an den Börsen führen, vor allem wenn Anleger glauben, dass er tatsächlich gewinnen kann", sagte Chefanalyst Michael Hewson vom Brokerhaus CMC Markets in London. Die TV-Debatten sind eine seltene Gelegenheit, die Kandidaten außerhalb ihrer üblichen streng kontrollierten und durchchoreografierten Auftritte zu sehen.

Genau dies mache die Debatten so spannend - "das Gefühl der Gefahr, die Ungewissheit des Ausgangs", sagt der Medienexperte Alan Schroeder. Dazu komme in diesem Jahr das unvorhersehbare Verhalten von Trump, das nach Debatten im Vorwahlkampf zu dessen Stärken gezählt wird.

Die unterschiedlichen Persönlichkeiten der Kandidaten spiegeln sich in ihren Vorbereitungen wider. Clinton bereite sich akribisch vor und übe das Duell in Rollenspielen, berichtete die "New York Times". Mit Hilfe von psychologischen Profilen werde nach Möglichkeiten gesucht, Trump aus dem Gleichgewicht zu bringen. Dieser wiederum führe keine Übungsdebatten, sondern studiere Videoaufnahmen von Clinton.

Trump halte auch wenig davon, sich Einzelheiten einzuprägen, die die meisten Zuschauer nach einer Stunde ohnehin vergessen hätten. Auch hielten es seine Berater für sinnlos, Trump Daten und Fakten eintrichtern zu wollen - vielmehr solle er sich auf die großen Fragen konzentrieren. Umfragen zufolge wollen die US-Bürger insbesondere etwas zur Abwehr von Terrorangriffen, der Wirtschaftslage und dem Haushaltsdefizit hören.

rtr