Mit dem kürzlich schon ausgeschiedenen Vorstandschef Heinrich Hiesinger und Lehner seien zwei Säulen der bisherigen Strategie von Thyssenkrupp weggefallen, die zuletzt oft kritisiert worden sei. Die beiden hatten eine Zerschlagung stets abgelehnt. Lehner begründete seinen Rücktritt - wie bereits Hiesinger - mit einer mangelnden Unterstützung durch die großen Aktionäre. Damit gerät auch die Chefin der Krupp-Stiftung, Ursula Gather, zunehmend unter Druck.

Lehner hatte in der vergangenen Woche Investoren wie Cevian und den US-Hedgefonds Elliott scharf angegriffen. "Wir sprechen nicht nur in der Hauptversammlung, sondern in vielen Treffen mit unseren Aktionären. Bedauerlicherweise beschreiten einige aber auch andere Wege, die teilweise schon als Psychoterror bezeichnet werden könnten", sagte er der Wochenzeitung "Die Zeit". Einige aktivistische Investoren seien dafür bekannt, dass Manager, die sie loswerden wollten, später in psychiatrische Behandlung gemusst hätten.

In seinem Rücktrittsschreiben holte Lehner auch gegen die Krupp-Stiftung aus, die mit 21 Prozent größter Einzelaktionär ist. "Das Vertrauen der großen Aktionäre und ein gemeinsames Verständnis im Aufsichtsrat über die strategische Ausrichtung von Thyssenkrupp waren Grundlage meiner Arbeit und Voraussetzung für mein Versprechen an Berthold Beitz, das Unternehmen im Interesse von Aktionären, Mitarbeitern und Kunden erfolgreich weiterzuentwickeln", sagte Lehner mit Blick auf die 2013 verstorbene Unternehmenslegende. "Das ist heute nicht mehr gegeben." Die Stiftung soll das Unternehmen erhalten, gleichzeitig aber auch weiterentwickeln.

Die Investmentbank Jefferies schrieb in einem Marktkommentar, dass es nun womöglich zu einer tiefgreifenden Restrukturierung des Konzerns mit seinen fast 160.000 Mitarbeitern komme. Einige Investoren setzen sich für einen Verkauf der Aufzugssparte ein, der Ertragsperle des Unternehmens. Thyssenkrupp ist zudem noch im Stahl-, Autoteile- und U-Bootgeschäft aktiv.

Der Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Thomas Hechtfischer, zeigte sich überrascht. "Es muss im Aufsichtsrat schlimmer zugehen als gedacht", sagte er Reuters. Lehner habe die Krupp-Stiftung zum Abschied noch heftiger kritisiert, als es Hiesinger getan habe. "Es scheint, als bewege sich die Stiftung in Richtung der Positionen von Cevian und Elliott. Die Stiftung und Frau Gather müssen dringend deutlich machen, welche Strategie Thyssenkrupp einschlagen soll."

SPEKULATIONEN ÜBER NACHFOLGER - GATHER, KEITEL, OBERMANN



Die Stiftung wollte sich zunächst ebenso wenig äußern wie Cevian oder Elliott. Gather hatte Vorwürfe einer mangelnden Unterstützung Hiesingers zurückgewiesen und seinem Nachfolger Guido Kerkhoff ihre Unterstützung zugesagt. Spekulationen machten die Runde, die 65-jährige Professorin strebe nun selbst an die Spitze des Aufsichtsrates, dem sie seit Anfang des Jahres angehört. Als weitere Kandidaten wurden der ehemalige Hochtief-Chef Hans-Peter Keitel und der frühere Deutsche-Telekom-Chef Rene Obermann gehandelt, die ebenfalls dem Gremium angehören. "Der neue Aufsichtsratschef muss eine Konsenslösung sein. Alles andere würde nur zu neuem Streit führen", sagte Union-Fondsmanager Speich.

Die dürfte allerdings schwierig werden. Während Cevian und Elliott den Konzern auf Rendite trimmen wollen und die Struktur für überholt halten, befürchten die Arbeitnehmervertreter eine Zerschlagung des 1999 aus Thyssen und Krupp fusionierten Unternehmens, dessen Wurzeln über 200 Jahren zurückreichen. "Es ist nun die Aufgabe der Hauptaktionäre, insbesondere der Krupp-Stiftung, das Unternehmen gemeinsam weiterzuentwickeln", sagte Konzernbetriebsratschef Wilhelm Segerath zu Reuters. Es gehe um Tausende Arbeitsplätze. Nach der Stahlsparte müssten auch die übrigen Bereiche zukunftssicher aufgestellt werden. "Eine Zerschlagung des Konzerns darf es nicht geben."

rtr