Es sind eisenharte Wochen für Guido Kerkhoff. Vor wenigen Tagen hat der Chef von Thyssenkrupp das geplante Joint Venture der Stahlsparte mit der indischen Tata abgesagt. Kurz darauf stellte sich Kerkhoff nach schwachen Halbjahreszahlen kritischen Fragen von Investoren. Der Sechsmonatsbericht enttäuschte, die Gründe waren teils unverschuldet, aber teils auch hausgemacht.

Die schwache Autokonjunktur und die Dürre schlugen in der Stahlsparte durch. Hersteller orderten weniger Stahl, weil sich die Zulassung vieler Neufahrzeuge auch wegen des Prüfstandards WLTP verzögerte. Das Niedrigwasser auf dem Rhein ließ zudem die Transportkosten stark ansteigen. Insgesamt sank das operative Halbjahresergebnis hier um 80 Prozent auf 76 Millionen Euro.

Bei den Fahrzeugkomponenten fiel der operative Gewinn um fast ein Drittel. Die Produktion in neuen Werken wie im mexikanischen Pueblo lief nicht so profitabel wie geplant.

Im Anlagenbau schlitterten die Essener mit 57 Millionen Euro sogar ins Minus. Ineffizient umgesetzte Projekte trieben die Kosten. Kerkhoff räumt auf, führte zum April eine neue Struktur ein, um das Management zu verbessern und die Verwaltungskosten zu senken.

Zum Leidwesen des Chefs verliert auch die Perle der Essener an Glanz: Umsatz und Auftragseingang der Aufzugsparte stiegen zwar im Halbjahr. Die Marge fuhr jedoch um 1,2 Prozentpunkte einen Stock tiefer auf 10,6 Prozent. Einfuhrzölle auf Stahl drückten die Profitabilität in den USA, auch das China-Geschäft lief nicht mehr so stark wie im Vorjahreszeitraum.

Anteilseigner machen Druck


Kerkhoff wollte den Stahl- vom Industriegüterbereich trennen, um Thyssenkrupp stabiler aufzustellen. Das scheiterte an den EU-Kartellbehörden. Mit dem Aus sind über zwei Jahre Arbeit verpufft. Im zweiten Quartal rutschte der Konzern auch wegen der Schwäche der Sparte, die jetzt wieder Kerngeschäft ist, netto in die roten Zahlen. Im Gesamtjahr soll es ebenfalls Verluste geben.

Kerkhoff steht unter Beschuss der Großaktionäre, etwa des schwedischen Finanzinvestors Cevian und des US-Hedge­fonds Elliott Management. "Wir werden eine deutlich bessere zweite Hälfte sehen", verspricht der Chef - und verweist dabei auch auf den höheren Pegelstand des Rheins. Das operative Ergebnis, das in den ersten sechs Monaten konzernweit um 27 Prozent auf 685 Millionen fiel, soll sich bis zur Jahresbilanz Ende September auf zwischen 1,1 und 1,2 Milliarden Euro summieren. Es wird damit unter der ursprünglichen Prognose von 1,4 Milliarden Euro liegen - die für eine Thyssenkrupp-Version mit Tata- Joint-Venture galt. Bei Ex-Vorstandschef Heinrich Hiesinger galten zwei Milliarden Euro Ebit indes stets als Untergrenze für eine nachhaltige Entwicklung.

Die Reaktion des ehemaligen Finanzchefs Kerkhoff: Er dreht an der Kostenschraube. 6.000 Jobs sollen binnen drei Jahren bei Thyssenkrupp wegfallen, allein im Stahlbereich sollen es 2.000 sein. Bereits in ein bis zwei Jahren will Kerkhoff die Kosten um 1,5 Milliarden Euro drücken.

Der Konzern braucht jedoch dringend Geld. Die Ratingagentur Moody’s überprüft die Bonität, das Rating ist in Gefahr. Um die Bilanz aufzupolieren, soll die Aufzugsparte Elevators an die Börse. Das wünschen sich Großaktionäre wie Cevian schon lange, weil dies Werte heben dürfte. Der Schweizer Konkurrent Schindler bringt es auf fast 20 Milliarden Euro Börsenwert und macht dabei bloß rund ein Drittel mehr operativen Gewinn pro Jahr als Elevators.

Die Thyssen-Sparte könnte so an der Börse locker über zehn Milliarden Euro wert sein. Zum Vergleich: Thyssenkrupp bringt es aktuell gerade mal auf acht Milliarden. Interesse an der Perle ist vorhanden. Der finnische Konkurrent Kone soll die Fühler nach den Aufzügen ausgestreckt haben.


Turbulenzen: Erst Kursschub, dann Gewinnmitnahmen. Insgesamt überwiegen wieder die Chancen bei der riskanten Aktie.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 16,00 Euro
Stoppkurs: 9,90 Euro