Der Anschlag kommt allerdings nicht überraschend, denn die Sicherheitsbehörden gehen seit langem von einer erhöhten Gefährdungslage aus und betonen immer wieder, dass Deutschland im Visier des islamistischen Terrorismus steht. Laut Verfassungsschutz kommen verschiedene Szenarien infrage, bei denen unterschiedliche Arten von Tätern in Erscheinung treten:

- "Hit-Teams". Dabei handelt es sich um Personen, die mit einem Auftrag des IS oder auch von Al-Kaida in ein Land einreisen, um Anschläge zu verüben.

- Als Bedrohung gelten auch sogenannte Schläfer, die von den Extremistenorganisationen aktiviert werden können.

- Sorge bereiten den Behörden zudem Personen, die sich aus Deutschland oder anderen Ländern auf den Weg nach Syrien gemacht haben, um an der Seite von Islamistengruppen zu kämpfen - und dann enthemmt, mit Kampferfahrung oder auch ausgestattet mit einem Terrorauftrag zurückkehren. Laut Verfassungsschutz liegen Erkenntnisse zu 880 Personen vor, die aus Deutschland in den Dschihad gezogen sind. Etwa ein Drittel ist wieder in die Bundesrepublik zurückgekehrt.

- Die wohl unberechenbarste Gruppe stellen Einzeltäter dar - auch "einsame Wölfe" genannt. Sie radikalisieren sich meist über das Internet oder über Kontakte in die islamistische Szene. Verfassungsschützer sprechen hier auch von einer Art "individuellem Dschihad". Auch Kleingruppen können ohne Auftrag agieren und sich im Stillen radikalisieren.

Die Behörden verweisen seit längerem auf die Gefahr solcher Einzeltäter und Kleingruppen, die mit relativ geringem Aufwand und einfachen Mitteln hohen Schaden anzurichten versuchen. Wie auf dem Berliner Weihnachtsmarkt verwendete der Täter im französischen Nizza im Juli einen Lastwagen und riss damit auf der Uferpromenade mehr als 80 Menschen in den Tod. Bei der Zugattacke in Bayern im Sommer benutzte der Täter eine Axt und ein Messer, um fünf Menschen teils schwer zu verletzen. Als weiteres Beispiel gilt die Attacke der 15-jährigen Safia S., die im Februar am Hauptbahnhof von Hannover einen Bundespolizisten mit einem Küchenmesser schwer verletzte.

Wenn es sich um Einzeltäter handelt, sind konkrete Vorermittlungen für Polizei und Verfassungsschutz äußerst schwierig. Die Radikalisierung vollzieht sich meist unterhalb ihres Radars. Eine Chance zur Verhinderung von Anschlägen solcher Täter liegt vor allem in deren Umfeld. Denn dort gibt es nicht selten Personen, die Kenntnis von dem Vorhaben bekommen ein auffälliges Verhalten feststellen.

Bei den genannten Szenarien können auch Migranten eine Rolle spielen. So warnte der Verfassungsschutz im Sommer, Hit-Teams könnten als Flüchtlinge getarnt nach Deutschland einreisen. Migranten könnten zudem als Rekrutierungspotenzial für Islamisten in Deutschland dienen. Islamistische Organisationen trügen etwa unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe und von Unterstützungsangeboten an die eingereisten Personen heran. Und schließlich bestehe auch bei Migranten die Gefahr der Selbstradikalisierung.

Schon die Anschläge von Paris im vergangenen Jahr wiesen Bezüge zum Flüchtlingsstrom nach Europa auf. Der Verfassungsschutz vermutet, dass der IS ganz bewusst zwei der Attentäter als Flüchtlinge von Syrien über Griechenland nach Europa einreisen und registrieren ließ - auch als Botschaft, dass er den Flüchtlingsstrom infiltrieren kann.

rtr