Es geht wieder los, aber nur mit gebremster Kraft: Seit Ende April fährt BMW die Produktion in seinen Werken schrittweise hoch. Aufbruchstimmung ist dennoch nicht zu spüren. "Klar ist: Die Situation bleibt ernst, und Marktprognosen sind in dem aktuellen Umfeld nur unter Einschränkungen möglich", stellt Konzernchef Oliver Zipse klar.

Die Autoindustrie gehört zu jenen Branchen, die von der Corona-Krise besonders hart getroffen sind. Die Basiskosten dort sind hoch, das Geschäft ist stark zyklisch. Das zeigt sich auch jetzt wieder: Der Autoabsatz von BMW ist in den ersten drei Monaten des Jahres um knapp 21 Prozent eingebrochen. Der Quartalsbericht wirkt nur bei oberflächlicher Betrachtung ermutigend: Den operativen Gewinn hat die BMW Group mehr als verdoppelt, auf knapp 1,4 Milliarden Euro. Der Ergebnisanteil der Aktionäre schrumpfte dagegen um ein Prozent. Im Vorjahr hatte BMW eine Kartellstrafe von 1,4 Milliarden Euro verbucht, die jetzt die Vergleichslatte niedrig legt. Offensichtlicher ist das Ausmaß der Krise bei den BMW-Rivalen: Bei Daimler und Volkswagen ist der operative Gewinn im Auftaktquartal um fast 80 Prozent eingebrochen.

Die PS-Industrie steht mit ihren Sorgen nicht allein da. Die Schäden der Pandemie unter den deutschen Topkonzernen sind massiv, sie sind bislang aber beherrschbar. Das zeigt eine Auswertung dieser Zeitung. Bis Redaktionsschluss haben zwei Drittel der DAX-Konzerne ihre Geschäftsberichte für das erste Quartal vorgelegt. In Summe ist der Umsatz gegenüber dem Vorjahreszeitraum nur leicht geschrumpft: um knapp vier Prozentpunkte. Die Bremsspuren beim Gewinn gehen tiefer. Netto blieben in der Summe fast 50 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.

Der größte Verlierer


Die gute Nachricht: Bislang hat nur ein DAX-Konzern unter dem Strich einen Verlust erwirtschaftet. Bei der Deutschen Bank blieb im ersten Quartal ein Minus von 43 Millionen Euro. Die Lufthansa als wohl am schwersten vom Virus betroffener DAX-Konzern wird seine Zahlen detailliert erst in der zweiten Monatshälfte veröffentlichen. Die Vorabmeldung zeigt die Richtung: Der bereinigte operative Verlust hat sich demnach auf 1,2 Milliarden Euro fast vervierfacht.

Schmerzhaft ist auch der Absturz von Adidas. Weil die meisten Läden geschlossen werden mussten, bleibt ein großer Teil der Ware in den Regalen. Der Nettogewinn des Sportartikelkonzerns brach um 95 Prozent ein.

Ebenfalls stark unter Druck ist die Chemie, zu deren wichtigsten Kunden die Autoindustrie zählt: Bei Covestro ist der Nettogewinn im Quartal um 89 Prozent eingebrochen. Mit einem Minus von 37 Prozent etwas besser davongekommen ist BASF.

Der DAX hat aber auch Gewinner. Klassische defensive Branchen demonstrierten in der Corona-Krise ihre Qualitäten: Bayer steigerte seinen Nettogewinn im ersten Quartal um 20 Prozent. Sowohl das Arzneimittelgeschäft als auch die Agrarsparte der Rheinländer sind weitgehend unabhängig von der Konjunkturlage. Weil einige Kunden Vorräte angelegt haben, gab es sogar einen Nachfrageschub.

Die Deutsche Börse profitiert vom stark gestiegenen Handelsvolumen. Die Umsätze auf der elektronischen Handelsplattform Xetra waren im März auf dem höchsten Stand seit 2008. "Das außerordentliche Marktumfeld im ersten Quartal hat auch zu einem außerordentlich guten Ergebnis bei der Deutschen Börse geführt", sagte Finanzchef Gregor Pottmeyer. Der Nettogewinn stieg im ersten Quartal um ein Drittel.

Auch Vonovia kommt ohne größere Schäden durch die Krise. Der Immobilienkonzern ist auf Wohnraum spezialisiert. Nur etwas mehr als ein Prozent der Mieter hätten gemeldet, dass sie wegen der Pandemie in wirtschaftliche Nöte geraten seien, berichtet Vonovia. Auch durch den Kauf der schwedischen Wohnungsbaugruppe Hembla sowie Neubau und Modernisierung stiegen die Mieteinnahmen im vergangenen Quartal um zwölf Prozent.

Andere Unternehmen aus defensiven Branchen wie die Versorger RWE und Eon sowie die Deutsche Telekom werden ihre Quartalsergebnisse später im Monat vorlegen.

In der DAX-Gesamtbilanz werden die Erfolge der Gewinner von den Problemen der großen Industriekonzerne überlagert. Zumal das erste Quartal nicht der Tiefpunkt gewesen sein und das zweite Jahresviertel vielerorts noch schwächer ausfallen dürfte, weil die Absatzmärkte in Europa und Nordamerika erst im März von der Pandemie erfasst wurden.

Vor dem Wendepunkt


Adidas hat bereits gewarnt, dass man für die Monate April bis Juni einen Umsatz von mehr als 40 Prozent unter dem Vorjahresquartal und ein negatives Betriebsergebnis erwarte. Auch bei den Autokonzernen sind rote Zahlen sehr wahrscheinlich. BMW etwa spricht von einem "sehr schwierigen Quartal".

Für Aktionäre die wichtigste Frage ist, wie schnell die Unternehmen die Krise hinter sich lassen können. BASF etwa schließt rote Zahlen im zweiten Quartal als schlimmstes Szenario nicht aus. Für das dritte und vierte Quartal erwartet man dann eine langsame Erholung. Das entspricht dem Fahrplan, den die meisten Börsianer derzeit für die Gesamtwirtschaft abstecken. Die Unsicherheit aber bleibt groß - für Unternehmen wie auch für Investoren.

Investor-Info

Deutsche Börse
Krisengewinner


Wenn Aktionäre in Panik verfallen, ist das meist gut für die Geschäfte der Deutschen Börse. Je stärker gehandelt wird, desto mehr Geld verdient der Handelsplatz. Andere Bereiche wie die Verwahrung von Aktien spüren aber auch Gegenwind. Für das Gesamtjahr rechnet der Finanzkonzern mit einem leichten Gewinnanstieg auf rund 1,2 Milliarden Euro nach 1,1 Milliarden im Vorjahr. Die Aktie bleibt ein defensiver Wachstumswert.

Volkswagen
Comeback-Kandidat


Volkswagen dürfte im zweiten Quartal in die Verlustzone rutschen. Für das Gesamtjahr rechnet der Vorstand mit einem positiven operativen Ergebnis. Die Nettoliquidität im Autogeschäft schmolz im ersten Quartal um mehr als zwei Milliarden Euro auf 17,8 Milliarden. Der Konzern sollte aber genug Handlungsspielraum haben, um die Krise zu überstehen. Die im DAX notierte Vorzugsaktie von VW bleibt eine Turnaroundspekulation.

Vonovia
Starkes Fundament


Der Immobilienkonzern verzichtet bis September auf Mieterhöhungen. Das kann sich Vonovia leisten: Vor allem durch Zukäufe, Neubau und Modernisierung steigert der
Bochumer Konzern seine Mieteinnahmen. Für das Gesamtjahr kalkuliert er mit einem operativen Gewinn von 1,275 bis 1,325 Milliarden Euro. In der Mitte wäre das ein Anstieg um knapp sieben Prozent. Die Dividende sollte weiterhin wachsen. Die Aktie bleibt als defensives Investment attraktiv.