Apple-Boss Tim Cook mühte sich in der Telefon-Konferenz mit Analysten zu den Q2-Zahlen gestern redlich um gute Stimmung. Natürlich gebe es Gegenwind von der Konjunktur. Aber das Dienste-Geschäft rund um iTunes und den Appstore laufe. Und das iPhone-Geschäft sei "gesund", versicherte der oberste Apple-Verkäufer. Von Januar bis März seien mehr Nutzer von Googles Betriebsysystem Android zum iPhone gewechselt als je zuvor. Auch mit dem Erfolg der Apple Watch zeigte sich der drahtige Manager zufrieden. Von der vor Jahresfrist gestarteten Uhr habe man mehr verkauft, als vom iPhone in seinem Premierenjahr 2007.

Aber ob das alles so beindruckend ist? Immerhin ist die Apple Watch deutlich günstiger als es das iPhone je war. Und bei den Wechseln von Android zu iOS blieb Cook Zahlen ebenso schuldig wie bei der Apple Watch, egal wie sehr die Analysten auch nachbohrten. Und über die enttäuschenden Absatzzahlen des iPhones konnte das ohnehin nicht hinwegtäuschen.

Insgesamt gingen die Verkäufe von Apples Flaggschiff-Produkt im abgelaufenen Quartal gleich um 16 Prozent auf 51,2 Millionen Geräte zurück. Das war zwar etwas besser als die Analysten erwartet hatten. Aber unterm Strich steht das erste Absatz-Minus seit Marktstart des iPhone 2007.

Dicke Bremsspuren in der Bilanz



Die sinkenden Absatzzahlen des iPhone hinterlassen dicke Bremsspuren in der Bilanz. Um satte 13 Prozent auf 50,56 Milliarden Dollar gaben die Konzern-Erlöse. Beim Ergebnis stand sogar ein Minus von 22 Prozent auf 10,5 Milliarden.

Und im laufenden Jahr dürfte die Talfahrt sich wohl zunächst weiter beschleunigen. Für sein drittes Quartal prognostiziert das Unternehmen nur noch einen Umsatz von 41 bis 43 Milliarden Dollar. Analysten hatten 47,3 Milliarden Dollar auf dem Zettel. Bei den iPhone-Verkäufen scheint ein weiteres Minus derzeit wohl ebenfalls absehbar. 38,5 Millionen Einheiten traut etwa UBS-Analyst Steven Milinovich dem Konzern gerade noch zu.

Kein Wunder, dass sich Investoren reichlich ernüchtert gaben. Nachbörslich rauchte die Apple-Aktie um rund acht Prozent ab. Im frühen Handel in Frankfurt war die Lage für Apple-Aktionäre mit einem Minus von 7,4 Prozent nur unwesentlich besser.

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Einschätzung der Redaktion



Bei Apple ist passiert, was zu erwarten war: Beim iPhone-Absatz muss der Konzern das erste Absatzminus seit seiner Markteinführung 2007 verkraften. Bei den Erlösen bleibt das erste Umsatzminus seit 13 Jahren. Wir hatten bereits im Vorfeld auf die angespannte Lage hingewiesen.

Doch Besserung ist vorerst nicht in Sicht - im Gegenteil. Im laufenden Quartal droht ein weiterer schwerer Absatzrückgang. Deutlich weniger iPhone 6-User als früher seien auf das neueste iPhone 6S-Modell gewechselt als in den vorangegangen Geräte-Generationen, räumte Apple-Boss Tim Cook gestern ein.

Erst mit dem wohl ab Herbst verfügbaren Phone 7 dürften die Verkäufe wieder spürbar anziehen, schreibt UBS-Analyst Milunovich in einer ersten Einschätzung zu den Zahlen. Apple überarbeitet seine Smartphones alle zwei Jahre komplett. 2016 ist so ein Jahr.

Ein grundlegendes Problem aber bleibt: Das iPhone ist ähnlich wie viele andere Smartphones inzwischen sehr ausgereift. Die Displays sind top, die Speicher groß, die lange Zeit unbefriedigenden Akku-Laufzeiten inzwischen ebenfalls akzeptabel. Und Surfen oder Musik hören funktionieren eh vorzüglich. Damit wird es für die Hersteller immer schwieriger neue Kaufanreize zu setzen. Dieser Herausforderung sehen sich alle Hersteller gegenüber, auch Apple. Wenn den Ingenieuren nicht eine überragende Neuerung fürs iPhone 7 gelingt oder ein atemberaubend neues Design, dürften die überragenden Absatzzahlen des iPhone 6 zunächst unerreichbar bleiben.

Auch charttechnisch ist die Apple-Aktie angeschlagen. Kurzfristig dürfte das Papier die Unterstützung bei 82 Euro testen. Wir stufen die Aktie daher zunächst auf Halten zurück. Kursziel: 92 Euro. Stopp: 82 Euro.