Die Finanzminister der Europäischen Union beraten derzeit über die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie. In einer Videokonferenz sprechen sie seit Dienstag über den Vorschlag der EU-Kommission, 750 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen.

Der deutsche Bundesfinanzminister Scholz sagte dazu laut Deutschlandfunk, er halte trotz unterschiedlicher Auffassungen der Staaten eine Einigung für möglich. Zwei Drittel der Summe als Zuschuss zu zahlen, helfe nicht nur den besonders stark von der Pandemie betroffenen Ländern, sondern auch Deutschland. Er wies in diesem Zusammenhang auf die hohen Exportmengen der deutschen Wirtschaft hin.

Mit der Frage, welche europäischen Aktien von einem so genannten Wiederaufbaufonds profitieren könnten, hat sich in einer aktuellen Studie auch Morgan Stanley beschäftigt. Laut dem US-Institut implizieren eine niedrige Positionierung und attraktive Bewertungen, dass die Nutznießer des vorgeschlagenen EU-Wiederauffüllungsfonds ausgehend von den aktuellen Kursniveaus noch über erhebliches Aufwärtspotenzial verfügen. Die hauseigenen Analysten haben konkret neun europäische Aktien herausgefiltert, die Investoren Anlagechancen rund um dieses Thema bieten. BÖRSE ONLINE berichtet nachfolgend über die damit verbundenen Grundannahmen und stellt die neun Favoriten näher vor.

Der EU-Wiederaufbaufonds ist ein potentieller Spielveränderer



In den vergangenen Wochen haben die Märkte laut den Studienautoren um Graham Secker, dem Chef-Aktienstrategen für Europa bei Morgan Stanley, mit dem Vorschlag für den EU-Konjunkturfonds eine potenziell spielverändernde Entwicklung in Europa erlebt. Hausintern sei man deswegen mit Blick auf europäische Aktien deutlich zuversichtlicher geworden als bisher, denn damit habe die Region im Umsetzungsfall eine interessante Story zu bieten. Diese sei auch losgelöst von der derzeit allgemein gestellten Frage zu sehen, ob die Börse angesichts der jüngsten ausgeprägten Rally vielleicht bereits zu weit gelaufen sind.

Wenn der Wiederaufbaufonds wie vorgeschlagen in Kraft trete, könnte dieser wohl als das fiskalische Äquivalent zu Mario Draghi's berühmter "was auch immer es kostet "-Rede im Jahr 2012 angesehen werden. Denn der Plan sollte dabei helfen, eine zyklische wirtschaftliche Erholung in der Region anzuschieben und die Risikoprämien bei einer Reihe von europäischen Assets senken.

Zu beachten sei in diesem Zusammenhang auch, dass Vermögenswerte aus Europa seit 2010 unter einer erhöhten Risikoprämie gelitten hätten, was wiederum mit der Angst vor einer Auflösung der Eurozone einhergegangen sei. Im Falle einer künftig besser koordinierten und stärkeren gemeinschaftlichen Fiskalpolitik dürften diese Befürchtungen dagegen im Laufe der Zeit nachlassen.

Nach mehreren Jahren mit einer speziell gegenüber den USA anhaltend schwächeren Entwicklung der lokalen Konjunktur und Aktienmärkte sei die Skepsis der Anleger derzeit noch immer groß, die Stimmung sowie die Positionierung niedrig und die relativen Bewertungen attraktiv. Dies schaffe die Basis für eine Periode für eine stärkere Performance in der Zukunft, vorausgesetzt, dass die Politik wie geplant voranschreitet.

Die Anlage-Implikationen



Aus der Perspektive einer Top-down-Strategie hat der EU-Wiederaufbaufonds laut Morgan Stanley, unter der Voraussetzung, dass er wie derzeit vorgeschlagen verabschiedet wird, eine Reihe bedeutender Auswirkungen auf die Anlageentscheidungen, welche die Analysten bei dem US-Institut wie folgt zusammenfassen:

Der EU-Konjunkturfonds dürfte erstens die Risikoprämien für ein breites Spektrum europäischer Vermögenswerte senken und das Interesse globaler Investoren an der Region wieder erhöhen. Dies sollte zu einem höheren Euro, geringeren Risikoaufschlägen an den Peripheriemärkten und steigenden Renditen bei deutschen Staatsanleihen führen. Morgan Stanley-Anleihestratege Tony Small sehe den Spread für italienische Staatsanleihen bis Ende dieses Jahres auf 125 Basispunkte sinken, was mit einem zehnprozentigen Anstieg der KGV-Relationen in Europa einhergehen könnte.

Zweitens dürften Finanztitel und Aktien der Peripherie angesichts der Aussicht auf einen stärkeren Euro, geringeren Renditedifferenzen in der Peripherie und höhere Renditen bei deutschen Bundesanleihen die größten Nutznießer des Fonds sein. Nach Jahren anhaltender Underperformance seien diese beiden Marktbereiche ungeliebt und würden nahe den relativen Allzeittiefs gehandelt. Aus der Perspektive einer Top-Down-Strategie ist Morgan Stanley daher in allen Finanzsektoren (Banken, diversifizierte Finanzwerte und Versicherungen) übergewichtet, ebenso wie im Versorgersektor, der gegenüber der Peripherie am stärksten exponiert sei.

Drittens dürften bessere Zeiten für Value-Aktien anstehen. In den vergangenen Jahren sei jeder Versuch, mit Value im Portfolios Erfolge zu erzielen, erfolglos geblieben, doch die Strategen glauben, dass es jetzt endlich zu einer Rotation bei den Anlagestilen zugunsten von Value kommen könnte.

Dafür sprächen sich verbessernde Wirtschaftsdaten, abnehmende politische Risiken in Europa (was Finanzen und der Peripherie helfen würden, ein schwächeren Dollar (was gut für Rohstoffe wäre) und steigende Anleiherenditen (schadet den teuren Qualitätsaktien). Ein für Value günstigeres makroökonomisches Umfeld werde zudem durch attraktive relative Bewertungen, eine hohe Bewertungsstreuung und eine (sehr) niedrige Positionierung der Anleger nach einer fast zehnjährigen starken Outperformance von Qualitäts-/Wachstumstiteln noch verstärkt.

Amundi-Aktie



Als ersten potenzieller Wiederaufbaufonds-Gewinner streicht Morgan Stanley die Aktien von Amundi heraus. Bei einem Kurs von 71,7 Euro gibt der zuständige Analyst Bruce Hamilton das geschätzte KGV für 2022 mit 13,3 an, die Dividendenrendite mit 4,6 Prozent und das Kurs-Buchwert-Verhältnis mit 1,4.

Wie es zunächst ganz allgemein heißt, kämen europäische Vermögensverwalter mit einem KGV von im Schnitt rund 14 für 2021 sowohl im Vergleich zur Geschichte als auch gegenüber dem Markt zwar nicht besonders günstig bewertet daher. Doch der Sektor dürfte von einer europäischen Markterholung auch über besser als befürchtet ausfallende Kapitalflüsse profitieren.

Beim französischen Vermögensverwalter Amundi sei es speziell so, dass dieser in Wachstumsbereichen wie ESG, Solutions, Passive Anlageinstrumente sowie Alternatives gut positioniert sein und dadurch über besonders gute Wachstumsaussichten verfüge. Der Titel sei in diesem Jahr zwar bereits besser gelaufen als die Wettbewerber im Schnitt, es gebe aber weiterhin rund zehn Prozent Luft nach oben für den Aktienkurs.

Attraktiv mache den Titel auch ein differenzierter Vertrieb über semi-exklusive und strategische Partner in Europa und Asien sowie M&A-Optionalitäten. Rund 80 Prozent der verwalteten Mittel kommen den Angaben zufolge bei Amundi aus Europa.

Etwaige Übernahmeaktivitäten seien positiv zu sehen. weil es das Unternehmen in der Vergangenheit verstanden habe, seine Fähigkeit, Erfahrungen und Größe zu nutzen, um bei zugekauften Einheiten Synergieeffekte zu erzielen. Das Kursziel wurde hier zuletzt von 64,70 Euro auf 77,90 Euro erhöht.



AXA-Aktie



Für die Aktien des französischen Versicherungskonzerns AXA rechnet Morgan Stanley ebenfalls mit positiven Impulsen durch einen EU-Wiederaufbaufonds. Der zuständige Analyst Jon Hocking ist jedenfalls davon überzeugt, dass der Titel eine der besten Möglichkeiten ist, um den europäischen Versicherungssektor zu spielen, wobei auch die jüngsten Dividendennachrichten positiv gewesen seien. AXA dürfte auch von einem verbesserten Preiszyklus und einer reduzierten Aktienrisikoprämie profitieren.

Der Kurs sei zuletzt zwar bereits klar gestiegen, der Titel sei aber trotzdem nach wie vor günstig. Laut Hocking ist bei einem Kurs von 20,00 Euro jeweils für 2022 das KGV auf 6,9, die Dividendenrendite auf 8,0 und das Kurs-Buchwert-Verhältnis auf 0,6. zu taxieren. Das seien Bewertungsrelationen, die einen Anstieg bis auf 24,90 Euro zulassen würden.

Hocking hat vor kurzem seien Gewinnschätzungen für das Geschäftsjahr 2020 aktualisiert und dabei die höheren Covid-19- Schadensfälle sowie die Auswirkungen der verschiedenen Solidaritätsmaßnahmen auf die Gewinn- und Verlustrechnung berücksichtigt. Mit den Ergebnisprognosen für das laufende Jahr ging es dabei um 14,3 Prozent auf 1,95 Euro nach unten. Die Vorhersage für 2021 blieb mit 2,72 Euro je Aktie unverändert.

Eine Verbesserung des Preisumfelds dürfte ansonsten auch Chancen für AXA XL schaffen. Morgan Stanley ist mit Blick auf den Preiszyklus optimistischer - insbesondere bei den US-Geschäftsbereichen Commercial Lines, Specialty und Rückversicherung - alles Bereiche, in denen AXA XL stark vertreten sei. Dieser Geschäftsbereich ist für 20 Prozent der Gewinnprognose für das Geschäftsjahr 2021 verantwortlich.



BNP-Aktie



Ebenfalls aus Frankreich stammt mit BNP Paribas der dritte Mitfavorit, den Morgan Stanley mit Blick auf einen möglichen EU-Wiederaufbaufonds auf der Rechnung stehen hat. Trotz der Rallye von über 40 Prozent in den vergangenen beiden Wochen seit der Ankündigung des Wiederaufbaufonds sieht die zuständige Analystin Giulia Aurora Miotto in BNP immer noch einen der am besten positionierten Branchenvertreter, um den Sturm von Covid zu überstehen.

Dafür sprächen vergleichsweise widerstandsfähige Erträge, ein robustes Geschäftsmodell (trotz der Risikokosten von 2,3 Prozent kumulativ über die nächsten drei Jahre ist die Bank immer noch in der Lage, eine ROTE-Rendite von vier Prozent zu erzielen) und eine starke Unterstützung von staatlicher Seite über staatlich garantierte Darlehen.

Das KGV für 2022 beziffert Morgan Stanley bei einem Kurs von 39,1 Euro auf 7,7, die Dividendenrendite auf 5,4 Prozent und das Kurs-Buchwert-Verhältnis auf 0,4. Das seien Bewertungsrelationen, bei denen die französische Bank zu schlecht wegkomme und es sei auch keine große Differenzierung gegenüber der Societe Generale festzustellen, obwohl dieser Konkurrent laut Morgan Stanley mehr Gegenwind ausgesetzt ist.

Für den Titel spreche zudem auch eine starke Erfolgsbilanz. Der Buchwert sei seit 2008 um etwa fünf Prozent pro Jahr gestiegen. Außerdem sei die Bank auch während des großen Finanzkrise profitabel geblieben und 2014 eine Strafe von neun Milliarden Dollar verkraftet, ohne größere Verluste hinnehmen zu müssen. Mit Blick auf eine auch weiterhin gute Erfolgsbilanz sei es ein beruhigender Ausgangspunkt, dass sich der Geschäftsmix bis heute nicht wesentlich verändert habe.

Die betriebene Rückstellungspolitik sei darüber hinaus als konservativ zu bezeichnen. Das Kapitalpolster bei französischen Banken sei zwar relativ dünn, der regulatorische Rahmen habe sich jedoch wesentlich geändert. Zu beachten ist allerdings, dass Morgan Stanley im Basisfall für die Geschäftsjahre 2019 und 2020 mit keinen Dividendenzahlungen rechnet. Das Kursziel bewegt sich bei 41,00 Euro.



Bureau Veritas -Aktie



Chancen durch einen EU-Wiederaufbaufonds verspricht sich Morgan Stanley auch bei Bureau Veritas. Bei der ebenfalls französischen Inspektions-, Klassifikations- und Zertifizierungsgesellschaft gibt der zuständige Analyst Edward Stanley bei einem Kurs von 19,7 Euro jeweils für 2022 das KGV mit 17,4 an, die Dividendenrendite mit 3,3 Prozent und das Kurs-Buchwert-Verhältnis mit 4,6. Als Kursziel nennt man 23,00 Euro.

Sollten sich die hauseigenen Prognosen als richtiger als jene des Analystenkonsensus erweisen, dann biete dieser Wert gute Chancen. Auf Basis der Schätzungen von Morgan Stanley für das Geschäftsjahr 2021 würde die Aktie jedenfalls mit einem Abschlag von 18 Prozent auf den eigenen Zehnjahresdurchschnitt aller Multiplikatoren gehandelt und habe zudem verglichen mit den Konkurrenten Intertek und SGS den größten Bewertungsabschlag aller Zeiten aufzuweisen.

Zu erklären sei dieser Bewertungsabschlag auch damit, dass Bureau Veritas die höchste Exposition gegenüber dem europäischen Bruttoinlandsprodukt sowie den privaten und öffentlichen Investitionen habe. Zudem komme man auf den größten Anteil bei den Einnahmen aus Bau-, Infrastruktur- und Tiefbauprojekten in Frankreich und dem übrigen Europa. Folglich glaubt Stanley, dass das Unternehmen der Hauptnutznießer im Bereich der Unternehmensdienstleistungen aus dem EU-Konjunkturfonds sein könnte. Diese Perspektive werde derzeit vom Markt noch unterschätzt.

Abgesehen davon gebe es nach wie vor strukturelle Antriebkräfte. Der globale Test-, Inspektions- und Zertifizierungsmarkt in Höhe von 250 Milliarden Dollar werde weiterhin von den drei großen Akteuren Bureau Veritas, Intertek und SGS dominiert. Das vorherrschende Umfeld spreche dafür, dass die Barrieren für einen Markteintritt hoch bleiben würden, was wiederum zu Klebrigkeit bei der Kundenbasis führe und im Zusammenspiel mit einem starken Kostenmanagement gute Renditen ermögliche.

Als Geschäftsstütze dürfte sich darüber hinaus das E-Commerce-Geschäft erweisen. Jedenfalls unterstellt Stanley, dass das Unternehmen von der zunehmenden Verbreitung des elektronischen Handels profitiert. Die Einschränkungen rund um Covid-19 hätten diese Ansicht sogar noch verstärkt, da sich die E-Commerce-Durchdringung dadurch beschleunigt habe. So habe sich in den USA die E-Commerce-Durchdringungsrate im Einzelhandel in den vergangenen acht Wochen von 16 Prozent auf 27 Prozent erhöht. Um einen Sprung in diesem Ausmaß zu erreichen, habe es zuvor von 2009 bis 2019 gedauert.



Enel-Aktie



Als favorisierten Profiteur eines EU-Wiederaufbaufonds verweist Morgan Stanley im Versorgersektor auf Enel. Für den bei 7,54 Euro gehandelten italienischen Energiekonzern hat der zuständige Analyst Robert Pulleyn das Kursziel auf 9,00 Euro festgezurrt.

Pulleyn erkennt zwar an, dass sich die Aktie in den vergangenen Wochen bereits nach oben bewegt hat und Risiken im Zusammenhang mit dem Lateinamerika-Engagement bestehen, er stuft den Titel aber dennoch als am besten für das skizzierte Anlagethema positioniert ein.

Konkret sieht Morgan Stanley zwei Vorteile des EU Recovery-Funds für Enel und andere südeuropäische Versorger. Erstens glaubt man, dass dieses Unterstützungspaket die Bedenken des Marktes hinsichtlich der fiskalischen Situation in diesen Ländern verringern dürfte, wobei sich diese Bedenken auch auf die Subventionen für erneuerbare Energien als auch die Steuerlast der Versorgungsunternehmen beziehen.

Ein größerer Druck auf die Regierungshaushalte könnte zu einer Verringerung der Subventionen für erneuerbare Energien und damit den Investitionsmöglichkeiten führen. Ein weiteres stichhaltiges Argument sei, dass der Versorgungssektor in Zeiten fiskalischen Drucks zum Gegenstand zusätzlicher Steuern werden könnte. Während diese Sorge natürlich bestehen bleibe, sollte der EU-Konjunkturfonds die Wahrscheinlichkeit und/oder das Ausmaß eines möglichen fiskalischen Gegenwinds verringern. Dadurch könnte das Engagement bei erneuerbaren Energien weniger risikoreich sein als befürchtet.

Abgesehen davon dürfte sich auch die unterstellte Verengung der Spreads von Anleihen der Peripherieländer als unterstützend für die Bewertung von Aktien aus den betroffenen Ländern erweisen. Dies könnte vor allem im Versorgungssektor von Bedeutung sein, wo regulierte und einige integrierte Versorgungsunternehmen als Anleiheersatz-Investments betrachtet werden.

Bei einem Kurs von 7,6 Euro gibt Pulleyn jeweils für 2022 das KGV mit 13,5 an, die Dividendenrendite mit 5,2 Prozent und das Kurs-Buchwert-Verhältnis mit 2,0.



Generali-Aktie



Chancen im Zuge eines potenziellen EU-Wiederaufbaufonds wittert Morgan Stanley auch bei Generali. Auf Basis der Schätzungen für 2022 sieht der zuständige Analyst Emanuele Musio den französischen Versicherungskonzern bei einem Kurs von 14,4 Euro mit einem KGV von 8,3 ausgestattet. Die Dividendenrendite beziffert er auf 7,2 Prozent und das Kurs-Buchwert-Verhältnis auf 0,8.

Das zu erwartende Ausmaß der Verluste, die durch Covid-19 entstehen könnten, scheint für die überwiegende Mehrheit der hausintern abgedeckten Versicherer beherrschbar zu sein, so das Urteil, aber es bleibe ein gewisses Maß an Unsicherheit. Dieses beziehe sich auf Rechtsstreitigkeiten über Betriebsunterbrechungen oder nachteilige Entwicklungen, die sich aus Rechtsstreitigkeiten in bestimmten Haftpflichtsparten ergeben könnten. Was das Lebensgeschäft betreffe, so erwartet man nicht, dass die Sterblichkeitstrends einen bedeutenden Einfluss auf die Rentabilität der Akteure im Lebensgeschäft haben werden.

Musio ist der Ansicht, dass der Geschäftsmix von Generali das Unternehmen von den oben erwähnten Trends in der Sach- und Unfallversicherung abschirmt, aber die Lebens- und Vermögensverwaltungssparten könnten eine vorübergehende Verlangsamung erfahren. Letztendlich erwartet er einen Rückgang der Nachfrage nach anlagebezogenen Produkten als Folge der jüngsten makroökonomischen Entwicklungen. Auf längere Sicht bleibe die Anlagestory aber intakt, wobei das Unternehmen wahrscheinlich weiterhin Verbesserungen bei den Margen im Lebensversicherungsgeschäft und ein Wachstum in der Vermögensverwaltung erzielen wird.

Mit einem KGV von 7,5 für 2021 sehe Generali nicht besonders teuer aus. Der Titel haben in diesem Jahr nicht wirklich underperformt, selbst dann nicht, als sich die Spreads für italienische Staatsanleihen um rund 25 Basispunkte ausweiteten. Dies könnte auf einige der oben genannten Gründe zurückzuführen sein, wie z.B. eine begrenzte Exponierung gegenüber einer Betriebsunterbrechungsversicherung sowie einigen möglichen Verzerrungen bei der Kursfindung durch das Verbot von Leerverkäufen in Italien.

Die Morgen Stanley-Zinsstrategen gehen davon aus, dass sich die Spreads italienischer Staatsanleihen bis zum Jahresende auf 125 Basispunkte verengen werden (von derzeit fast 200 Basispunkten). Dies war als positiv für Generali einzustufen. Der Versicherungssektor weise die größte negative Korrelation mit den Italien-Spreads auf und engere Spreads helfen allgemein der Peripherie. Generali sei dabei der Versicherer, der am stärksten in der europäischen Peripherie exponiert sei. Daher geht man davon aus, dass die Gesellschaft der Hauptnutznießer des EU-Wiederaufbaufonds und der Verengung der Spreads der Peripherieländer sein wird.

Zum Kursziel ist zu ergänzen, dass sich diese trotz aller genannten Vorzüge lediglich bei 13,5 Euro und die Anlageempfehlung sich losgelöst von Überlegungen zum Wiederaufbaufonds nur auf "gleichgewichten" lautet.



Infineon-Aktie



Für den zuständigen Morgan Stanley-Analysten Dominik Olszewski ist auch der deutsche Halbleiter-Hersteller Infineon ein Begünstigter des EU-Wiederaufbaufonds. Ein so genannter Grüner Deal spiele dabei eine zentrale Rolle. Denn der Geschäftsmix von Infineon sei positiv auf Regulierungs- und Subventionsmaßnahmen entlang der Trends Autoelektrifizierung, Energieeffizienz und Wachstum im Bereich der erneuerbaren Energien ausgerichtet.

Innerhalb des Portfolios von Infineon fühlt sich Olszewski am meisten vom Geschäft rund um Elektrofahrzeuge angezogen. Zu den jüngsten europäischen Maßnahmen in diesem Bereich gehöre eine 20 Milliarden Euro umfassende Fazilität für den Kauf sauberer Fahrzeuge, 40 bis 60 Milliarden Euro für Investitionen in emissionsfreie Antriebsstränge, eine Verdoppelung der Investitionen in die Ladeinfrastruktur - um bis 2025 zwei Millionen Stationen zu erreichen - und die Unterstützung von 15 GW an erneuerbaren Energien über einen Zeitraum von zwei Jahren.

Das Unternehmen habe auch eine Führungsposition bei Kraftfahrzeugen, insbesondere beim Thema Elektrifizierung, inne. Infineon sei der größte Chiphersteller auf dem Automobil-Halbleitermarkt (mit einem Gesamtanteil von 13,4 Prozent). Auf Konzernebene würden rund 45 Prozent des Umsatzes durch Engagements im Automobilbereich erzielt. Morgan Stanley prognostiziert für das Elektrofahrzeuge-Geschäft eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 23 Prozent von 2019-2024, verglichen mit 18 Prozent für den gesamten adressierbaren Markt für Elektrofahrzeuge Das Wachstum werde durch regulatorische Zielvorgaben und bedeutende Verpflichtungen der Automobilhersteller vorangetrieben - viele neue Modelle werden um 2022 erwartet. Die Produkte von Infineon umfassen Haupt-/Hilfsumrichter, On-Board-Ladegeräte und DC/DC-Leistungswandler - alles wichtige Bestandteile von Elektrofahrzeugen. Der verbaute Dollar-Anteil in diesen Autos sei jedoch höher als früher.

Das Energiemanagement sei für 69 Prozent der Umsätze von Infineon im Geschäftsjahr 2019 verantwortlich (nach der breiten Definition des Unternehmens) gewesen. Änderungen der gesetzlichen Bestimmungen, der Wirtschaft und des Verbraucherverhaltens legen einen ausdrücklichen Schwerpunkt auf eine bessere Energieeffizienz. Entscheidend sei, dass Infineon Produkte für alle betroffenen Branchen liefere und von den zunehmenden Investitionen in saubere Technologien profitieren werde.

Die Bewertung von Infineon sei im Vergleich zu globalen Wettbewerbern anspruchslos, den Bewertungsabschlag gegenüber den Mitbewerbern beziffert man auf rund 30 Prozent. Wie es heißt, bewegt sich bei einem Kurs von 21,7 Euro das KGV für 2002 bei 18,7, die Dividendenrendite bei 1,4 und das Kurs-Buchwert-Verhältnis bei 2,4. Das Kursziel beträgt momentan 24,00 Euro.



Rexel-Aktie



Als Elektrogroßhandel für Industrie, Elektrohandwerk und das Baugewerbe stuft Morgan Stanley auch Rexel als Profiteur des Wiederaufbaufonds ein. Unter den im Bausektor exponierten Namen stuft die zuständige Analystin Lucie Carrier die französische Gesellschaft als das sicherste Unternehmen für den grünen Aufschwung ein.

Das Engagement in Europa sei Branchenvergleich mit über 50% des Umsatzes und etwa 65% der Gewinne am größten. Weil noch unklar sei, wie viele Mittel für Renovierungen zur Verfügung stehen werden, sei es risikoreich, sich in dem Bereich auf Nischenanbieter zu konzentrieren. Doch Rexel sein ein breit aufgestellter Vertreiber von Elektrogeräten für alle Arten von Gebäuden und sei daher so positioniert, dass er davon profitieren kann, egal wo der Schwerpunkt liegen wird.

Die Digitalisierung des Geschäftsbetriebs könnte für das Unternehmen ebenfalls richtungsweisend sein: In den vergangen zehn Jahren hätten sich europäische Distributeure aus Sorge um die drohende Digitalisierung schlecht entwickelt. Auch wenn dies für einige Gesellschaft in der Tat eine Bedrohung darstellen könnte, sieht man Rexels umfassende Ambitionen im Bereich der Digitalisierung als eine wichtige langfristige Chance. Gemäß einer Szenarioberechnung könnte sich der Wert von Rexel fast verdoppeln, wenn das Unternehmen dem Weg anderer Distributoren folgen würde, die ihren digitalen Übergang erfolgreich bewältigt haben, wie z.B. Best Buy oder WW Grainger.

Bei einem typischen Verhalten wie in der Vergangenheit sei der Titel auch als Profiteur von steigenden Einkaufsmanagerindizes einzustufen. Carrier weist ansonsten noch darauf hin, dass die Bewertung von Rexel sowohl in absoluten als auch in relativen Zahlen im Vergleich zur Geschichte besonders attraktiv sei, was bei der Mehrheit der Aktien der Branche nicht der Fall ist.

Auf Basis der Schätzungen für 2020 und einem Aktienkurs von 10,5 Euro gibt Morgan Stanley hier das KGV mit 9,2 an, die Dividendenrendite mit 6,2 Prozent und das Kurs-Buchwert-Verhältnis mit 0,7. Das Kursziel ist auf 12,00 Euro festgezurrt.



Unicredit-Aktie



Aus der Sicht des zuständigen Morgan Stanley-Analysten Antonio Reale könnten sich auch für Unicredit Vorteile aus einem EU-Wiederaufbaufonds ergeben. Das italienische Kreditinstitut handele auf Buchwertbasis unter den während der großen Finanzkrise oder im Jahr 2016 gültigen Niveaus. Und das, obwohl man seitdem mehr als 20 Milliarden Euro an Kapital aufgenommen habe.

Das Überschusskapital von 15,7 Milliarden Euro entspreche im Großen und Ganzen der gesamten Marktkapitalisierung, so dass dem Bankgeschäft wenig bis gar keinen Wert zugestanden werde. Reale hält dies für ungerechtfertigt und diese Ausgangslage relativiere auch die Bedenken des Marktes hinsichtlich des italienischen Staatsrisikos.

Ein glaubwürdiger EU-Wiederauffüllungsfonds sei für die Aktie ein Schlüssel zum Erfolg. Die Rückkopplungsschleife zwischen Banken und dem italienischen Staat bleibe einer der wichtigsten Bewertungsfaktoren für Banken wie Unicredit. Die EU-Behörden hätten gezeigt, dass sie alles in ihrer Macht Stehende tun werden, um eine schwere wirtschaftliche Krise zu mildern.

Davon abgesehen arbeite Unicredit weiter an der Kostenbasis, was dem Management mehr Flexibilität verleihen wird. Für 2020 geht man von keiner Dividendenzahlung oder Aktienrückkäufen aus, danach dürfte es aber in beiderlei Hinsicht wieder Aktivitäten geben.

Nicht zuletzt Bewertungsüberlegungen stützten die Einschätzung, dass es sich bei den Unicredit-Aktien um den Top-Pick für Italien handele. Dazu muss man wissen, dass sich gemessen an den Schätzungen für 2020 und bei einem Kurs von 8,9 Euro laut Morgan Stanley ein KGV von 8,9 ergibt, eine Dividendenrendite von 5,1 und ein Kurs-Buchwert-Verhältnis von 0,4. Als Kursziel nennt Morgan Stanley 11,00 Euro.