Bayer kündigte an, Rechtsmittel einzulegen. Das Urteil habe keinen Einfluss auf künftige Fälle, betonte der Konzern. Allerdings gilt der Fall als sogenannter "Bellwether Trial" - einer von mehreren repräsentativen Fällen, die bei Produkthaftungsklagen in den USA genutzt werden, um etwa die Schadensspanne und Möglichkeiten für einen Vergleich zu bestimmen. Insgesamt sieht sich Bayer in den USA mit mehr als 11.200 Klägern konfrontiert.

Die 63 Milliarden Dollar schwere Übernahme von Monsanto im vergangenen Sommer hat Bayer bereits knapp 36 Milliarden Euro an Börsenwert gekostet. Inzwischen ist der Konzern nur noch gut 51 Milliarden Euro wert - und damit umgerechnet weniger, als er für den US-Saatgutriesen gezahlt hat. Am Donnerstag ging es an der Börse weiter bergab: Bayer-Aktien fielen um bis zu 3,3 Prozent auf ein Sieben-Jahres-Tief von 54,48 Euro.

ZEICHEN STEHEN AUF VERGLEICH

Die Analysten von JP Morgan gehen davon aus, dass die Zahl der Glyphosat-Kläger auf mindestens 15.000 steigen wird. Am Markt werde aktuell mit Gesamtbelastungen von 15 bis 20 Milliarden Dollar kalkuliert. Um mehr Klarheit zu bekommen, müsse aber das Ergebnis von mindestens zehn bis zwölf weiteren Fällen abgewartet werden. Analyst Alistair Campbell vom Investmenthaus Liberium erklärte, dass die wissenschaftlichen Daten eigentlich zugunsten von Bayer sprechen und der Konzern womöglich sogar die Oberhand gewinnen oder sich auf einen Vergleich einlassen könnte, um einen langwierigen Rechtsstreit zu vermeiden. Nach Einschätzung von Michael Leuchten von der UBS ist letzteres das wahrscheinlichste Szenario. Ein Vergleich wäre zwar teuer für Bayer, würde aber wohl einen Großteil der Glyphosat-Klagen in einem Schwung vom Tisch räumen.

Ähnlich hat es Bayer in dieser Woche bei einem anderen großen Thema gemacht: Das Unternehmen und sein US-Partner Janssen einigten sich im Fall des ebenfalls umstrittenen Gerinnungshemmers Xarelto auf einen Vergleich über 775 Millionen Dollar - und das, obwohl alle sechs bislang verhandelten Verfahren zu Gunsten der beiden Firmen ausgegangen waren. In den USA lagen zuletzt Klagen von etwa 24.900 Anwendern von Xarelto vor, die das Medikament für Blutungen bis hin zu Todesfällen verantwortlich machten. Im Fall von Xarelto vergingen allerdings mehr als fünf Jahre vom Beginn des Rechtsstreits bis zum Vergleich. Deshalb könnte es auch bei Glyphosat dauern: Bayer-Chef Werner Baumann hatte bereits erklärt, er gehe davon aus, dass diese Rechtsstreitigkeiten den Konzern bis über das Jahr 2021 hinaus beschäftigen werden.

JURY - MONSANTO HAT NICHT VOR KREBSRISIKO GEWARNT

Im Fall des Glyphosat-Klägers Hardeman in Kalifornien sahen es die Geschworenen als erwiesen an, dass Monsanto nicht vor dem Krebsrisiko des Herbizids gewarnt und fahrlässig gehandelt habe. Hardeman zeigte sich von dem Urteil "überwältigt". Er könne es noch gar nicht richtig begreifen. Bayer erklärte zwar, man habe "großes Mitgefühl mit Herrn Hardeman und seiner Familie." Der Konzern sei aber von dem Urteil enttäuscht und werde seine Produkte "entschieden verteidigen." Diese seien nicht krebserregend. Zulassungsbehörden weltweit bewerteten den Unkrautvernichter bei sachgemäßer Anwendung als sicher. Die Kläger, die ihre Krebserkrankung auf den Kontakt mit Glyphosat zurückführen, sehen das jedoch anders. Sie berufen sich auf die internationale Krebsforschungsagentur IARC, die den Wirkstoff als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft hatte.

Im Fall Hardeman war die Jury in einer ersten Phase des Prozesses in der vergangenen Woche einstimmig zu der Überzeugung gelangt, dass das glyphosathaltige Mittel Roundup der Bayer-Tochter Monsanto einen "erheblichen Faktor" bei der Entstehung seiner Krebserkrankung ausgemacht habe. Anschließend ging der Prozess in eine zweite Phase, in der es um die Frage der Verantwortlichkeit des Konzerns und um Schadenersatzansprüche ging. Der Fall Hardeman könnte nun die Richtung für mehr als 760 weitere bei dem Gericht in San Francisco anhängige Verfahren vorgeben.

Insgesamt sind für dieses Jahr derzeit sieben Verfahren zur Verhandlung angesetzt - ein weiteres startet am Donnerstag. Im vergangenen August hatte ein kalifornisches Geschworenengericht den Konzern zur Zahlung von 289 Millionen Dollar Schadenersatz an einen an Krebs erkrankten Mann verurteilt. Später wurde die Summe zwar auf 78 Millionen Dollar reduziert, doch Glyphosat wurde immer noch für die Krebserkrankung des Mannes verantwortlich gemacht. Bayer hat auch dagegen Berufung eingelegt.

rtr