Legalize it" - die künftige Bundesregierung wird wohl die Anregung des Reggae-Musikers Peter Tosh aus dem Jahr 1976 aufgreifen. Die drei Parteien, die derzeit Koalitionsverhandlungen führen, wollen Anbau, Besitz sowie Konsum von Cannabis entkriminalisieren und Erwachsenen den Erwerb in Fachgeschäften ermöglichen. Im Zuge der Legalisierung dürften - wie in Kanada und den USA - auch in Deutschland Cannabis-Unternehmen an die Börse gehen.

Der grüne Rohstoff ist beliebt. Vier Millionen Menschen in Deutschland nehmen nach Angaben des European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction regelmäßig Cannabis. Nicht auszuschließen ist, dass nach der Freigabe die Zahl der Konsumenten steigt. In vielen anderen Ländern - Kanada, Portugal, Uruguay, einer ganzen Reihe von US-Bundesstaaten - ist Cannabis bereits erlaubt. Weitere Staaten erwägen die Freigabe, nicht zuletzt um Steuereinnahmen zu erzielen und die Justiz zu entlasten.

Die Legalisierungsoption weckt das Interesse der Investoren. Nicht wenige hoffen, dass Hanf die Größe des Tabak- oder Alkoholmarkts erreicht. Doch im Vergleich zu anderen Anlagesegmenten gibt es bei Cannabis Besonderheiten. Robuste Angebots- und Nachfragestrukturen müssen sich erst noch entwickeln. Rückschlüsse auf die Gewinnentwicklung der Unternehmen sind schwer zu treffen. Auch ist die Anlagekategorie noch relativ jung. Die Marktkapitalisierung der Unternehmen ist meist gering. Und bislang ist nicht klar, welche Player aus dem zu erwartenden Konsolidierungsprozess als Gewinner hervorgehen werden.

Auch bei Besserverdienern beliebt

Auf längere Sicht bieten Unternehmen, die entlang der Wertschöpfungskette Cannabis aufgestellt sind und es auch bleiben, jedoch hohes Kurspotenzial. Laut dem World Drug Report der Vereinten Nationen haben im vergangenen Jahr weltweit 275 Millionen Menschen Cannabis konsumiert. Im Vergleich zum Jahr 2010 ist das ein Anstieg von 18 Prozent. Die Zahl dürfte weiter steigen. Immer weniger Jugendliche bewerten Cannabis als gefährliche Droge.

Zudem wird der Stoff schon lange nicht mehr nur von Menschen nachgefragt, die "stoned" sein wollen, um Alltagssorgen zu entfliehen. Einer Umfrage des US-Cannabis-Unternehmens Dutchie unter 5.000 Bürgern in Kanada und den USA zufolge nutzen diesen immer mehr gut verdienende Ärzte, Anwälte, Manager und Künstler. Sie sind davon überzeugt, dass Marihuana ihnen hilft, ambitionierte berufliche Ziele zu erreichen.

Kursfantasien entzünden sich besonders an der Cannabis zugesprochenen heilenden Wirkung etwa gegen chronische Schmerzen, multiple Sklerose, Schlafstörungen und Epilepsie. Auch steigt der Absatz des ebenfalls aus Hanf gewonnenen, aber THC-freien Cannabidiols (CBD). Es wird in Cremes, Nahrungsergänzungsmitteln, Sprays oder Tropfen verwendet. Doch wie hoch ist das Marktpotenzial und welche Steigerungen sind möglich? New Frontier Data wagt eine inspirierende Prognose. Das US-Analysehaus traut dem künftig regulierten und bisher noch illegalen Cannabis-Markt bis 2025 eine Steigerung von 19 Prozent auf ein Gesamtvolumen von global 496 Milliarden Dollar zu.

Titel schwanken stark

Der Einstieg in "Weed-Werte" erfordert aber gute Nerven. Wie nach der Einnahme der Substanz sind Höhenflüge möglich, auf die herbe Ernüchterung folgen kann. Wie bei Green Thumb Industries. Der Cannabis-Produzent aus Chicago verfügt sowohl über Lizenzen zum Verkauf von Cannabis für medizinische Zwecke als auch zum Freizeitgebrauch in mehreren US-Bundesstaaten und in Kanada. Im Angebot der unter "Rise" firmierenden Cannabis-Stores finden sich vorgerollte Joints, Marihuana-Kaugummis und Wasserpfeifen.

Im Sommer vergangenen Jahr profitierte das Unternehmen von der Corona-Pandemie. Da Restaurants geschlossen und Reisen nicht möglich waren, verwendeten US-Bürger einen Teil ihrer vom Staat erhaltenen Stimulus-Schecks zum Kauf von Marihuana. Green Thumb steigerte den Umsatz 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 157 Prozent auf 556 Millionen Dollar. Die Aktie legte um 83 Prozent zu. Der Kursanstieg hielt bis Mitte Februar dieses Jahres an. Anleger gingen davon aus, dass die neue US-Administration Cannabis zügig auch auf Bundesebene legalisieren wird. Dies hätte es Green Thumb und anderen Unternehmen erleichtert, Kredite aufzunehmen, um Expansionen zu finanzieren. Doch das Thema steht nicht mehr ganz so weit oben auf der Agenda von Präsident Joe Biden wie zunächst gedacht. Seit Februar verlor die Aktie kräftig. Auch Pressemeldungen, das Management von Green Thumb hätte Politiker zu beeinflussen versucht, um Lizenzen zu erhalten, drückten auf die Kurse. Bislang haben sich die Anschuldigungen aber nicht bestätigt. Analysten raten nach der Korrektur daher wieder zum Einstieg.

Auch die Aktie von Growgeneration stieg zunächst steil nach oben und sank dann tief. Das Unternehmen betreibt in Nordamerika Gartencenter und verkauft das zum Cannabis-Anbau notwendige Equipment. Innerhalb von drei Jahren legte der Titel 562 Prozent zu, in den vergangenen drei Monaten verlor er jedoch 42 Prozent. Mitte November wird das Unternehmen die Zahlen zum dritten Quartal vorstellen. Analysten erwarten deutliche Zuwächse, was Investoren zum Kauf motivieren sollte.

Vielversprechendes Joint Venture

Ebenso verzeichnete der Rize Medical Cannabis and Life Sciences UCITS ETF Einbußen. Der ETF umfasst 29 Unternehmen, die einen Teil ihres Umsatzes mit aus Cannabis erzeugten Arzneien gewinnen. Zu den Verlusten trugen Jazz Pharmaceuticals und Arena Pharmaceuticals bei. Gut gelaufen ist dagegen Intercure. Das israelische Unternehmen produziert sowohl medizinisches Cannabis als auch Marihuana zum persönlichen Gebrauch. In den vergangenen drei Monaten legte die Aktie um zwölf Prozent zu. Das Unternehmen will in Europa expandieren und hat bereits mit einer österreichischen Firma ein Joint Venture gegründet. Die Diskussion um eine Cannabis-Freigabe in Deutschland dürfte Intercure-CEO Alexander Rabinovitch mit großem Interesse verfolgen.
 


INVESTOR-INFO

Rize Medical Cannabis and L.S.

Chance auf Erholung

Der Rize Medical Cannabis and Life Science ETF enthält Unternehmen, die aus Hanf gewonnene Medikamente beziehungsweise Cannabidiol-Produkte herstellen und vertreiben. Dazu zählen beispielsweise Intercure und Jazz Pharmaceuticals, die mit über 15 Prozent gewichtet ist. Im Portfolio finden sich auch Unternehmen, die Cannabis-Equipment vertreiben wie zum Beispiel Growgeneration. Innerhalb eines Jahres legte der ETF um 32 Prozent zu. In den vergangenen drei Monaten verlor das Indexpapier 19 Prozent.

Green Thumb Industries

Entspannung mit Dogwalkers

Das US-Unternehmen mit Sitz in Chicago baut Cannabis an und vertreibt eine ganze Reihe von Cannabis-Produkten wie etwa Find your Rythm, Dogwalkers oder Dr. Solomon’s in eigenen Läden unter dem Namen Rise. Aktuell betreibt das Unternehmen 31 Cannabis-Läden und hat Lizenzen für 118 weitere Rise Stores. Die Nachfrage ist groß, das Unternehmen beschäftigt 3.000 Mitarbeiter. Nach deutlichen Kursverlusten deutet sich eine Bodenbildung der Aktie an.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 24,00 Euro
Stoppkurs: 16,70 Euro

€uro-Cannabis-Maxx-Zertifik.

Entlang der Wertschöpfung

Mit dem €uro-Cannabis-Maxx-Zertifikat (ISIN: DE 000 LS9 RHJ 5) partizipieren Anleger an der Entwicklung von Unternehmen, die entlang der Wertschöpfungskette Cannabis aufgestellt sind. Dazu zählen Forschung, Anbau, Verarbeitung und Anwendung. Das Zertifikat umfasst große Cannabis-Player wie Tilray, Green Thumb oder Canopy Growth. Auch in Nischenanbieter wird investiert. Im August wurde die Aktie des deutschen Cannabis-Unternehmens Synbotic aufgenommen. Die Aktie von Innovative Industries hat sich stark entwickelt. Deutliche Rücksetzer aber gab es bei Tilray und Aurora Cannabis. Seit dem Start am 18. Januar 2021 hat das Zertifikat aufgrund der Rückschläge reinrassiger Cannabis-Unternehmen 21 Prozent verloren.