Das Feierabendbier mit den Kollegen oder den Cocktail in der Bar nach einem stressigen Arbeitstag haben die Corona-Lockdowns im wahrsten Sinne des Wortes trockengelegt. Während Brauereien infolge des wegbrechenden Absatzes in der Gastronomie oder bei Privatfeiern bisweilen ihr Fassbier wegschütten müssen, haben sich Spirituosenhersteller in der Krise gut behauptet. Das gilt vor allem für hochpreisige Edelmarken.

Rémy Cointreau ist eine Paradebeispiel dafür. Nach dem Absacker im ersten Halbjahr 2020 hat das Unternehmen aus Frankreich die Trendwende geschafft. Weil sich vor allem Premium-Cognacs in China und den USA wieder sehr gut verkaufen, schaffte Rémy Cointreau im dritten Geschäftsquartal des am 31. März beendeten Geschäftsjahrs 2020/21 ein sattes Umsatzplus von 20,6 Prozent auf 350 Millionen Euro. Wie im Rausch läuft auch der Aktienkurs: Innerhalb der letzten zwölf Monate steigerte Rémy Cointreau den Börsenwert um 70 Prozent.

Margenstarke Edelmarken

Spirituosen sind ein lukratives Geschäft. Während die mengenmäßig am häufigsten konsumierten Produkte aus Asien kommen und auch dort getrunken werden, stehen hinter globalen Marken wie Captain Morgan Rum, Johnnie Walker Whisky oder Absolut Vodka Weltkonzerne wie Diageo, Pernod Ricard oder Davide Campari.

Je mehr Premiummarken im Sortiment, umso besser für die Rendite, denn über das Markenimage lassen sich höhere Einkaufspreise leichter an die Kunden weitergeben. Diageo ist hier top: Im Geschäftsjahr 2019/20 schaffte der britische Konzern eine Umsatzrendite von 29,7 Prozent. Aber auch die 26,8 Prozent von Pernod Ricard und die 21 Prozent von Rémy Cointreau können sich sehen lassen. Alle drei lassen damit den Luxuskonzern LVMH hinter sich, der im Geschäftsjahr 2020 eine operative Rendite von 18,6 Prozent erzielte und immerhin rund zehn Prozent seiner Erlöse mit Schampus und hochpreisigen Spirituosen generiert.

Für dieses hochprofitable Geschäft nehmen Investoren eine höhere Aktienbewertung als etwa bei Brauereien oder Nahrungsmittelherstellern in Kauf. Die Höhe der Dividendenzahlungen schwankt je nach Unternehmen. Wer größere Summen in das Marketing neuer Produkte investieren oder die Finanzierungskosten einer größeren Akquisition stemmen muss, schüttet weniger aus.

Qualitätscheck für Anleger

Um die kaufenswerten Titel zu identifizieren, gilt es neben dem Verhältnis von KGV zu erwartetem Gewinnwachstum eine Reihe von Faktoren zu beachten. Ein breites Markenportfolio ist die Basis für eine starke Marktposition. Um im globalen Wettbewerb mitzuhalten, müssen die Unternehmen finanziell stark aufgestellt sein, um über Zukäufe neue Wachstumsmärkte zu erschließen. Das gelingt aber nur, wenn die Konzernbilanz auch bei einer vorübergehend steigenden Nettoverschuldung stabil bleibt. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass Cashflow und Kapitalrendite über einen mehrjährigen Zeitraum steigen sollten. Wer diese Faktoren berücksichtigt, dem werden ausgewählte Spirituosenaktien langfristig eine schöne Rendite bescheren.

Drei europäische Unternehmen zählen mit ihrem breiten Markensortiment an alkoholischen Getränken zu den globalen Top-Playern. Pernod Ricard wird nach dem Gewinnrückgang im Vorjahr in diesem Jahr wieder in die Erfolgsspur zurückkehren. Für den Zeitraum 2021 bis 2023 erwarten Branchenexperten ein jährliches Gewinnwachstum von im Schnitt 20 Prozent. Entscheidend für Umsatz und Gewinn in den nächsten Jahren ist, ob es dem Unternehmen gelingt, mit wachsenden Marktanteilen in Schwellenmärkten wie China und Indien die wieder anziehende Nachfrage in den Kernmärkten USA und Europa zu ergänzen.

Ebenfalls stärker in Richtung Asien orientiert sich Davide Campari. Aktuell erzielt der Erfinder des Aperol rund die Hälfte seiner Erlöse in Italien und Europa. Während hier die Nachfrage zuletzt stagnierte, steigen die Verkäufe in den USA schon wieder. Für das Unternehmen spricht auch die solide Bilanz: Mit 920 Millionen Euro im Geschäftsjahr ist die Nettoverschuldung im Branchenvergleich niedrig. Demgegenüber steht eine stramme Eigenkapitalrendite von 46,7 Prozent. Hält man sich allerdings vor Augen, dass Branchenexperten nach dem Aufholeffekt in diesem Jahr bis 2023 ein durchschnittliches jährliches Gewinnwachstum im mittleren zweistelligen Bereich erwarten, ist die Aktie auf ihrem aktuellen Bewertungsniveau gut bezahlt.

Im Gegensatz dazu ist Diageo - was Markensortiment, Profitabilität und Finanzkraft angeht - bestens aufgestellt, um auch in Zukunft in allen Endmärkten stärker als der Wettbewerb zu wachsen. Der entscheidende Erfolgsfaktor bleibt das breite Produktportfolio mit rund 150 Spirituosenmarken. Zwar gelang es Diageo im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres (30. Juni) nur in den USA, Umsatz und operativen Gewinn auszubauen. Die wieder anziehenden Verkäufe in Asien und Lateinamerika werden aber dazu beitragen, dass Diageo im Geschäftsjahr 2020/21 beim operativen Gewinn den Vorjahreswert von umgerechnet 3,1 Milliarden Euro übertreffen wird.

Ausgewählte Nischenplayer

Auch der Getränkehersteller Berentzen leidet mit seinen Spirituosenmarken wie Puschkin, Doornkaat oder Bommerlunder nach wie vor unter der Corona-Krise sowie den Lockdown-Einschränkungen. Im Jahr 2020 wurde zwar dennoch ein Gewinn eingefahren, Umsatz und Ergebnis gingen aber spürbar zurück. Die Dividende wurde deutlich gekappt. Anleger müssen sich vorerst mit einer Gewinnausschüttung von 0,13 Euro je Aktie zufriedengeben. Im Vorjahr ließen die Schnapsbrenner aus Haselünne noch 0,28 Euro je Anteilschein springen. Auch das Jahr 2021 ist erwartungsgemäß schwach angelaufen. "Die Einschränkungen des privaten und gesellschaftlichen Lebens wirken sich weiterhin spürbar auf unser Geschäft aus", sagt Firmenchef Oliver Schwegmann im Gespräch mit BÖRSE ONLINE.

Für das Geschäftsjahr 2021 erwartet Schwegmann allerdings zumindest eine Entwicklung auf Vorjahresniveau - konkret einen Umsatz in einer Bandbreite von 152 bis 158 Millionen Euro und ein Ergebnis (Ebit) zwischen vier und sechs Millionen Euro. Mögliche Impferfolge rund um den Globus lassen das Management aber auf eine operative Verbesserung im Jahresverlauf und ein stärkeres Schlussquartal hoffen, das für Berentzen in der Regel die wichtigste Jahresperiode ist. Die Aktie ist nicht teuer, gehört vorerst aber noch auf die Watchlist.

Whiskyfreunden ist Brown-Forman ein Begriff. 25 Marken, darunter Jack Daniel’s, haben die Amerikaner im Sortiment. Für das bis Ende April laufende Geschäftsjahr erwarten Analysten einen stagnierenden Gewinn. Um höhere Aktienkurse zu rechtfertigen, muss die Gesellschaft in den nächsten Jahren ein höheres Gewinnwachstum als die im mittleren zweistelligen Bereich erwarteten Raten liefern.

Optisch hoch ist die Bewertung von Rémy Cointreau. Allerdings erzielen die Franzosen mit den Premium-Cognacs, die auch mal mehr als 100 Euro kosten, Topmargen. Das Erfolgsgeheimnis ist, dass die Firma es immer wieder schafft, Kunden an neue Premiumprodukte von Cognacs und Likören zu binden. Schrumpften die Erlöse im ersten Halbjahr noch um 18,1 Prozent, ist Remy Cointreau längst wieder dabei durchzustarten.

 


Auf einen Blick

Spirituosen