Von wegen "Death by Amazon". Der US-Elektronikfachmarktkette Best Buy geht es blendend. Während in Deutschland die Aktie von Ceconomy, der Muttergesellschaft von Media Markt und Saturn, in der Nähe der historischen Tiefststände verharrt, hat der Weltmarktführer aus Übersee längst in die Erfolgsspur zurückgefunden. Möglicherweise liegt es daran, dass dessen Krise schon vor fast einem Jahrzehnt begann.

2012 stürzte der einstige Dauerläufer der Wall Street dramatisch ab. Der Best-Buy-Kurs kollabierte von 55 auf elf Dollar. "Jeder dachte, wir werden sterben", erinnert sich Manager Hubert Joly. Dabei hatte der Filialist seinerzeit 50 Milliarden Dollar pro Jahr umgesetzt. Doch die Konkurrenz aus dem Netz machte dem Einzelhändler mit seinen 180 000 Mitarbeitern zu schaffen. Damals roch es tatsächlich nach einer durch Amazon herbeigeführten Pleite. Was wuchs, waren vor allem die Verluste.

Der Mann für die Wunder

Der Franzose Joly übernahm das Amt des Vorstandschefs im September 2012. Der Sanierungsexperte galt als die letzte Hoffnung. Er hatte zuvor die Videospielesparte von Vivendi revitalisiert. Joly brachte den Krisenfall wieder auf Trab, und zwar ganz schnell. 2013 hatte sich der Kurs bereits wieder verdreifacht. Es glich fast einem Wunder.

"Wir schließen keine Läden", hatte Joly seinerzeit betont, obwohl die meisten Analysten drastische Einschnitte vorgeschlagen hatten. "Die Läden sind eine großartige Bereicherung, da sie den Kunden die Möglichkeit bieten, Produkte anzufassen, zu fühlen, zu erfahren, Fragen zu stellen und Beratung zu erhalten."

Der Franzose führte eine Bestpreisgarantie ein, die dem Firmennamen alle Ehre machen sollte. Wenn ein Konkurrent ein Produkt günstiger anbietet, zieht Best Buy, ohne zu diskutieren, sofort nach. Doch Joly änderte noch viel mehr: Mehr Ladenfläche ging an Produkte mit hohem Umschlag wie Handys, Kaffeemaschinen, Entsafter, Mixer, Tablets, die bis dato vernachlässigt worden waren. Im Gegenzug reduzierte er die Flächen für CDs und DVDs drastisch. Statt Stellen zu streichen, nahm er die Sachkosten unter die Lupe. Empfindliche Flachbildfernseher beispielsweise gingen im Lager und beim Transport zu oft kaputt: Zwei Prozent der Geräte landeten im Müll, was jährlich 180 Millionen Dollar verschlang. Die Boxen wurden deshalb in niedrigen Höhen gelagert, um Schäden zu reduzieren. Ein Team bot fortan die kostenlose Zustellung der Flatscreen-TVs an die Kunden an.

Geschäftsreisen in der Holzklasse

Vorstandsflüge im Privatjet wurden gestrichen, Joly selbst reiste in der Economy-Klasse. Stellenstreichungen ließen sich zwar nicht vermeiden, doch war das nicht der Schwerpunkt der zwei Milliarden Dollar, die er seit 2012 einsparte. Zwei Drittel entfielen nicht auf Gehälter.

Zudem führte Joly die zuvor gestrichenen, hohen Rabatte für Mitarbeiter wieder ein, weil diese sich natürlich sehr für Elektronikgeräte begeistern konnten. Er brachte die veraltete Website einschließlich der Suchfunktion auf Vordermann. Die Filialen begannen, Onlinebestellungen direkt an die Kunden auszuliefern. Weil 70 Prozent der US-Bürger im Umkreis von zehn Meilen eines Best-Buy Ladens leben, ist die Ware schnell beim Kunden.

Mit Firmengründer Dick Schulze schloss Joly einen Burgfrieden. Schulze hatte auf dem Höhepunkt der Krise den Aktionären ein Übernahmeangebot in Höhe von 8,8 Milliarden Dollar für Best Buy vorgelegt und wollte das Unternehmen von der Börse nehmen. Darüber zerstritt er sich mit dem Verwaltungsrat. Joly brachte Schulze zurück ins Aufsichtsgremium. "Niemand macht seine beste Arbeit, wenn er unter Stress steht oder von Angst getrieben wird. Wenn ich für Optimismus, Motivation und Zuversicht sorgen will, muss ich bei mir anfangen", lautet sein Credo.

Die "New York Times", das "Wall Street Journal" und andere Medien feiern den Manager, der den Elektronikriesen vor dem Untergang bewahrt hat. 2019 zog sich Joly zurück und lehrt seither als Professor an der Harvard Business School. Dem Unternehmen blieb er jedoch verbunden. Wer dieser Tage eine Best-Buy-Filiale aufsucht, findet Jolys neuestes Buch direkt am Eingang in einem übergroßen Pappregal. Titel: "Heart of Business: Leadership Principles for the Next Era of Capitalism".

Der ehemaligen Führungsriege von Ceconomy hätte die Lektüre von Jolys Bestseller sicher nicht geschadet. Statt vom Pendant aus den USA zu lernen, strich der frühere Vorstandschef Bernhard Düttmann Tausende Stellen und schloss mehrere defizitäre Filialen. Statt den Rotstift beim Personal anzusetzen, sollten die Mitarbeiter kundenfreundlicher werden, meinte hingegen Joly während seiner Zeit als Best-Buy-Lenker. Er bläute der Belegschaft ein: "Ohne zufriedene Kunden kann kein Unternehmen dauerhaft erfolgreich sein." Seit 2012 verlor die Ceconomy-Aktie mehr als 60 Prozent.

Sicher hinterlässt dabei auch die Pandemie Bremsspuren, sie bietet aber auch Chancen. Das Onlinegeschäft wächst dynamisch, es macht bereits ein Fünftel des Umsatzes aus. Sechs Millionen Onlinekunden haben die Ketten Media Markt und Saturn. Ceconomy profitiert von mehr Nachfrage nach bestimmten Produkten. Der Bedarf an technischem Equipment zum Arbeiten, Lernen und Leben im eigenen Zuhause ist hoch. "Wir haben früh die richtigen Maßnahmen ergriffen, um erfolgreich durch diese herausfordernde Zeit zu kommen", versprach die ehemalige Finanzchefin Karin Sonnenmoser.

Genützt hat es nichts mehr. Sie musste im Mai gehen, ihr Chef Düttmann wurde am 1. August durch den ehemaligen Eon-Vorstand Karsten Wildberger abgelöst. Bei dem Versorger war er für Vertrieb, Marketing und digitale Transformation verantwortlich. Neuer Finanzvorstand ist Florian Wieser. Vielleicht können beide das Best-Buy-Wunder wiederholen. Hoffnung besteht.

In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahrs 2020/21 (es endet am 30. September) stieg der Umsatz um vier Prozent, das Ergebnis drehte auf plus 180 Millionen Euro. Im Vorjahr waren bei 20,8 Milliarden Umsatz 218 Millionen Euro Verlust aufgelaufen. Erste Erfolge stellen sich auch auch hinsichtlich der Kundenzufriedenheit bereits ein. An den sogenannten Smartbars in den Märkten ist der Andrang groß. Dort wurden im vergangenen Geschäftsjahr über 600 000 Reparaturen vor Ort durchgeführt. Gut entwickelt sich zudem das Geschäft mit (kostenpflichtigen) Garantieverlängerungen.

Günstige Franzosen

Reparaturen sind auch das Pfund, mit dem der Ceconomy-Widersacher Fnac Darty wuchert. Die Franzosen bieten ihren Reparaturservice sogar im Abo an. Das kostet zwischen 9,99 und 19,99 Euro im Monat und sorgt für wiederkehrende Einnahmen. Eine starke Marktstellung hat der Konzern in Frankreich, der Schweiz, auf der Iberischen Halbinsel sowie in Belgien und Luxemburg. Seit dem Höhepunkt der Pandemie im März 2020 hat sich der Kurs mehr als verdoppelt. Im ersten Halbjahr 2021 legte der Umsatz um 21,6 Prozent zu. Der digitale Anteil macht inwischen bereits 28 Prozent des Gesamtumsatzes aus.

Eine Kooperation mit dem französischen Start-up Glaze sorgt dafür, dass die online angebotenen Produkte besser von den Kunden verstanden werden, was die Kaufentscheidung erleichtert. Im ersten Halbjahr kamen mehr als zwei Millionen neue Onlinekunden dazu. Die Franzosen haben 923 Läden, wovon ein Drittel von Franchisenehmern betrieben wird. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt bei etwa zehn, die Dividendenrendite ist mit geschätzten 2,5 Prozent reizvoll.

Britische Turnaround-Chance

Dixons Carphone mit Sitz in London hingegen setzt wie Ceconomy auf eine Schrumpfkur. Anders als der Name suggeriert, verkauft das Unternehmen schon längst nicht mehr nur Autotelefone, sondern das komplette Elektroniksortiment vom Kopfhörer bis zur Waschmaschine. Im April 2020 schlossen 531 Filialen, die ausschließlich auf Handys spezialisiert waren. 3000 Stellen fielen weg. Im weiteren Verlauf der Pandemie baute Vorstandschef Alex Baldock zusätzlich 800 Jobs ab. Die Aktie notiert 33 Prozent unterhalb des Buchwerts, allerdings belasten hohe Schuldenberge die Bilanz.

800 verbliebene Läden und 16 Websites gehören dem Marktführer Großbritanniens und Irlands. Einschließlich der Auslandsfilialen in Norwegen, Dänemark und Griechenland hat die Gruppe 35 000 Beschäftigte. Der niedrige Kurs könnte im Fall eines Turnarounds eine günstige Einstiegsgelegenheit bieten. Hoffnung macht der freie Cashflow, der sich im abgelaufenen Geschäftsjahr auf 438 Millionen britische Pfund erholt hat. Wie Ceconomy ist die Aktie im Vergleich zur kerngesunden Best Buy allerdings ein eher spekulatives Investment mit hohen Chancen, aber auch immensen Risiken.

 


Auf einen Blick

Elektronikhändler

Zerstritten Wie bei Best Buy gab es auch bei Ceconomy Konflikte, in diesem Fall mit den Erben des Media-Markt-Gründers Erich Kellerhals. Heute haben die Familien Haniel, Schmidt-Ruthenbeck und Beisheim das Sagen. Außerdem hält Freenet neun Prozent.