BÖRSE ONLINE: Wer ist der Sieger des TV-Duells?
Carsten Mumm: Ein Sieger ist schwer auszumachen angesichts einer teilweise sehr unübersichtlichen Debatte. Da kaum eine geordnete Diskussion zustande kam, konnten inhaltlich keine neuen Erkenntnisse gewonnen werden. Somit bleibt der Eindruck, dass es keinen Gewinner der Debatte, dafür aber Verlierer gab, v.a. die Zuschauer und hier wiederum v.a. die noch unentschiedenen und an Sachargumenten interessierten Wähler.

Wie bewerten Sie die TV-Debatte aus Finanzmarktsicht?
Aus Sicht der Kapitalmärkte bleibt eine immer größer werdende Unsicherheit je näher der Wahltermin rückt, die auch durch die Debatte nicht reduziert werden konnte. Entsprechend ist die erste Reaktion an den Börsen mit leicht nachgebenden Aktienkursen und zeitweise fallenden Renditen für US-Staatsanleihen zu interpretieren. Da erst Anfang November Klarheit über den Wahlausgang und - im Falle eines Wahlsiegs Bidens - über die Art und Weise der Amtsübergabe bestehen wird, dürften bis dahin deutlich positive Impulse an den Kapitalmärkten ausbleiben.

Was bedeutet der Verlauf des Duells für die Wahl selbst und den Wahlausgang?
Mit Blick auf den Wahltermin bleibt die größte Sorge, dass es ein Kopf-an-Kopf-Rennen und daraus resultierend möglicherweise Neuauszählungen oder gar langwierige juristische Auseinandersetzungen geben könnte. Diese Befürchtung wurde durch die Debatte eher untermauert.

Womit rechnen Sie im Fall einer Wahl Trumps?
Sollte Trump die Wahl gewinnen, dürfte der Fokus an den internationalen Kapitalmärkten schnell wieder auf die derzeit eigentlich relevanten Faktoren übergehen: den Verlauf der Corona-Pandemie und die weitere wirtschaftliche Erholung. Die Börsen kennen Trump und seine politischen Schwerpunkte mit einem Fokus auf eine tendenziell wirtschaftsfreundliche Steuerpolitik und Handelskonflikte.

Womit rechnen Sie im Fall einer Wahl Bidens?
Wenn Biden die Wahl gewinnt und auch eine planmäßige Amtsübergabe absehbar ist, wäre zunächst wichtig, ob die Demokraten in beiden Kammern des Kongresses eine Mehrheit erringen können. Sollte das nicht der Fall sein, könnte Biden seine geplanten Vorhaben nur begrenzt umsetzen. Vor allem die massiven Investitionsprogramme mit den Schwerpunkten Energiewende und Gesundheitssektor wären im vorgesehenen Umfang nicht mehr realistisch. An den Kapitalmärkten würde zunächst eine gewisse Verunsicherung über den künftigen Kurs der neuen Administration bestehen. Sollten beide Kammern an die Demokraten gehen, dürfte ein Favoritenwechsel an den Aktienbörsen zugunsten der von den vorgesehenen Ausgaben profitierenden Branchen eingepreist werden. So oder so könnten von einem Wahlsieg Bidens europäische Aktienmärkte profitieren, denn es wäre mit einem moderateren Kurs der US-Handelskonflikte, möglicherweise unter Einbindung bestehender Bündnispartner, zu rechnen. Davon sollten exportorientierte Unternehmen profitieren.