BÖRSE ONLINE: Der DAX hat erhebliche Einbußen erlitten. Wie weit kann es jetzt noch runtergehen?
Jörg Krämer: Der Dax ist im freien Fall, kurzfristig überwiegen klar die Risiken. Verlässliche Marken zum Wiedereinstieg kann man in dieser Situation nicht geben.

Ist es sinnvoll, jetzt aus Aktien rauszugehen, um Verluste zu begrenzen?
Das kann man nicht generell beantworten. Aber es spricht einiges dafür, dass sich die Märkte mittelfristig wieder erholen. Schließlich können Anleger mit Anleihen kaum noch etwas verdienen; insofern wird der Zeitpunkt kommen, nach starken Kurseinbrüchen wieder einen Einstieg in Aktien zu erwägen. Das gilt umso mehr, als sich die Volkswirtschaften in der Vergangenheit von Epidemien immer wieder erholt haben.

Wie groß schätzen Sie das Risiko ein, dass die deutsche Wirtschaft in eine Rezession fällt?
In der Tat dürfte Corona das deutsche Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal sinken lassen. So dürften die Exporte nach China um bis zu 10% fallen. Außerdem leiden immer mehr deutsche Unternehmen unter fehlenden Zulieferungen aus China. Hinzu kommt die allgemeine Verunsicherung der Bevölkerung. Das könnte auch noch das zweite Quartal belasten. Insofern gibt es bei den Konjunkturprognosen deutliche Abwärtsrisiken auch für das gesamte Jahr 2020. Dennoch würde ich das nicht als eine Rezession beschreiben. Spätestens im dritten Quartal dürfte es wieder nach oben gehen, zumal die Industrieproduktion in China in dieser Woche den Tiefpunkt durchschritten haben sollte.

Sollte die Bundesregierung mit einem Konjunkturprogramm gegensteuern?
Wir haben kein Nachfrageproblem, auf das die Regierung mit einem Konjunkturprogramm antworten müsste. Notwendig ist stattdessen eine professionelle Epidemie-Bekämpfung. Das schafft Vertrauen in der Bevölkerung und begrenzt wirksam den wirtschaftlichen Schaden. Wenn erst einmal ein Ende der Epidemie absehbar ist, wird sich die Konjunktur wieder erholen.

Sollte die EZB mit weiteren Zinssenkungen gegensteuern?
Der EZB-Einlagensatz ist schon lange negativ. Konsumenten und Unternehmen haben wegen der lockeren Geldpolitik doch schon längst alle Ausgaben vorgezogen. Die Geldpolitik hat ihr Pulver weitgehend verschossen. Die EZB sollte Ruhe bewahren und durch die Corona-Delle hindurchschauen. Das ist die Stunde der Gesundheitspolitiker und nicht der Geldpolitiker.