Milliardenrisiken im Dieselskandal, Probleme mit Airbags, Lieferschwierigkeiten und die schwache Autokonjunktur brockten dem Konzern einen Nettoverlust von 1,2 Milliarden Euro ein. "Die Zahlen sind alles andere als zufriedenstellend", räumte Källenius am Mittwoch ein. Im Mai hatte der Schwede das Lenkrad von Dieter Zetsche übernommen, seither musste er die Jahresziele schon zwei Mal nach unten korrigieren. Um Daimler wieder in die Spur zu bekommen, will Källenius nun das Sparprogramm verschärfen. Details sollen im Herbst präsentiert werden.

Dass Daimler einen Quartalsverlust ausweist, passierte das letzte Mal vor zehn Jahren in Zeiten der Finanzkrise. Vor einem Jahr hatte von April bis Juni noch ein Gewinn von 1,8 Milliarden Euro zu Buche gestanden. Doch die gesamte Branche hat im Moment zu kämpfen: Die Automärkte sind weltweit im Rückwärtsgang, beschleunigt vom Handelskonflikt der USA mit China. Auch Erzrivale BMW hatte zuletzt im Kerngeschäft Verlust gemacht. Und mehrere Autozulieferer, etwa Continental, mussten ihre Prognosen zusammenstreichen.

Källenius hofft, dass die Geschäfte im zweiten Halbjahr wieder etwas anziehen - auch weil Daimler neue Modelle wie die SUVs GLB und GLE am Start hat. Der Betriebsgewinn (Ebit) dürfte in diesem Jahr trotzdem deutlich sinken. Schon 2018 war das Ergebnis um gut ein Fünftel auf elf Milliarden Euro abgesackt. Der Umsatz legte im zweiten Quartal um fünf Prozent auf knapp 43 Milliarden Euro zu. Weil sich auch BMW und Audi schwer tun, blieb Mercedes-Benz mit seinen Oberklasse-Modellen die global führende Premiummarke.

An der Börse wurde die Zwischenbilanz gelassen zur Kenntnis genommen: Die Daimler-Aktie legte gut drei Prozent zu und damit sogar stärker als der Gesamtmarkt. "Der neue Vorstand hat jetzt alle Verluste in die Bilanz gepackt", sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. Nach den jüngsten Gewinnwarnungen habe die Aktie die Talsohle durchschritten.

WARTEN BIS NOVEMBER Die brennende Frage, wie er das Steuer herumreißen will, beantwortete Källenius in einer Telefonkonferenz nur allgemein: Investitionen und das Produktportfolio müssten noch intensiver überprüft werden. Der Konzern müsse sich vornehmen, mehr bares Geld zu verdienen, besänftigte er Sorgen der Anleger um die Dividende. Denn im ersten Halbjahr verbrannte Daimler im Industriegeschäft 3,3 Milliarden Euro. Details des neuen Sparkurses kündigte Källenius für den 14. November an. Dann will Källenius zusammen mit dem neuen Finanzvorstand Harald Wilhelm auf einem Kapitalmarkttag in London und tags darauf in New York einen umfassenden Plan vorlegen. Es geht um die Frage, wie Daimler trotz Diesel-Altlasten und Milliarden-Investitionen in die E-Mobilität wieder ordentliche Renditen einfahren kann. Denn an der Zielmarke von acht bis zehn Prozent im Pkw-Geschäft hält der neue Chef fest.

MILLIARDENSCHWERE RÜCKSTELLUNGEN FÜR DIESELGATE

Während das konjunkturanfälligere Lkw-Geschäft den operativen Gewinn im Quartal um ein Drittel steigern konnte, schrieb die Hauptsparte Pkw bei einem Absatzrückgang um drei Prozent gut 670 Millionen Euro Verlust. Im kleinen Geschäftsfeld Vans türmte sich trotz stabiler Verkaufszahl sogar ein Minus von zwei Milliarden Euro auf. Fast eine halbe Milliarde kostete eine Anpassung des Produktportfolios bei Vans, die Källenius aus Wettbewerbsgründen nicht erläutern wollte. So wich er Fragen aus, ob das Luxus-Pickup-Modell X-Klasse beerdigt wird.

Für die Folgen des Diesel-Abgasskandals bei Pkw und Vans legte Daimler im zweiten Quartal 2,6 Milliarden Euro beiseite. Damit nannte der Konzern erstmals eine Zahl, was die Reparatur von bis zu drei Millionen Mercedes-Fahrzeugen und Rechtsstreitigkeiten weltweit kosten könnten. Nach Auffassung des Kraftfahrt-Bundesamtes verstieß auch die Marke mit dem Stern in Europa gegen die Vorschriften zu Stickoxid-Emissionen, was zu überhöhtem Schadstoffausstoß auf der Straße führt. Mercedes bessert die Technik nach, wehrt sich aber weiter rechtlich gegen den Vorwurf. Volkswagen musste 2015 zugeben, bei weltweit elf Millionen Diesel-Pkw die Abgasreinigung manipuliert zu haben und büßte dafür bisher mit 30 Milliarden Euro.

Der Abgasskandal hat die Nachfrage nach Diesel-Fahrzeugen in Deutschland einbrechen lassen. Das Problem dabei: Der sinkende Diesel-Absatz erschwert der Marke mit dem Stern - mit ihren vielen Nobelkarossen wie der S-Klasse und schweren Geländewagen - die Klimaschutzziele zur CO2-Reduktion zu schaffen. Denn Benzinmotoren verbrauchen mehr Kraftstoff als Selbstzünder. Kurz vor seinem Antritt als Daimler-Chef hatte Källenius außerdem ein neues Ziel zum Klimaschutz ausgegeben: Bis 2030 wollen die Schwaben mehr als die Hälfte ihres Pkw-Absatzes mit Elektroautos und Hybrid-Wagen bestreiten - und damit den Anteil gegenüber 2025 mehr als verdoppeln. In 20 Jahren soll die Flotte komplett CO2-neutral fahren. Einen dämpfenden Effekt auf den Gewinn mit einer Umstellung des Angebots auf sparsamere, leichtere Modelle fürchtet Källenius nicht. "Das beißt sich unserer Meinung nach nicht mit unserer Positionierung als Premium- und Luxusanbieter."

rtr