Die Aktienmärkte, die mit Euphorie ins Jahr 2020 starteten und dann in der Angst vor einem Flächenbrand im Nahen Osten abzutauchen drohten, sind wieder im Aufwärtstrend. Die Unsicherheit und die Furcht vor einem Flächenbrand im Nahen Osten nach dem US-Angriff auf den iranischen General Qasem Soleimani scheint vergessen. Die Angst vor dem Coronavirus setzte den weltweiten Börsen in den vergangenen Handelstagen allerdings deutlich zu.

Die Aussichten bleiben angesichts der Entspannung im Handelsstreit zwischen den USA und China weiterhin positiv. Kürzlich unterzeichneten US-Präsident Donald Trump und Chinas Vize Liu He "Phase 1" eines Deals: China will mehr Waren aus den USA importieren, im Gegenzug senken die USA teilweise die Strafzölle. Ein echter Durchbruch ist die Vereinbarung noch nicht, Beobachter sehen in ihr aber immerhin einen Waffenstillstand.

Warten auf Phase 2


Für Fantasie sorgt nun dennoch die Hoffnung auf ein weiteres Abkommen, "Phase 2", bei dem dann auch Zölle abgebaut werden könnten. Verhandlungen und Unterzeichnung dürften sich allerdings bis weit nach der US-Präsidentschaftswahl Anfang November hinziehen. Schon der Phase-1-Deal sollte jedoch die weltweite Konjunktur positiv beeinflussen.

Die Entspannung im Streit mit China ist Teil der Maßnahmen Donald Trumps, um die Wirtschaft im Jahr der US-Präsidentschaftswahl zu stärken. Denn hält der Höhenflug der Wall Street an, so erhöht das zugleich Trumps Chancen auf eine Wiederwahl. Mit der überraschenden Deeskalation des Konflikts zwischen den USA und dem Iran hat der oft unberechenbare US-Präsident gezeigt, dass seine Prioritäten in dieser Frage klar sind: Ein offener militärischer Konflikt ist im Wahljahr 2020 tabu. Damit ist auch die Furcht der Anleger vor steigenden Ölpreisen gebannt. Ein Krieg im Nahen Osten hätte sich ausweiten und die globale Ölversorgung stark beeinträchtigen können - ein enormes Risiko für die Weltwirtschaft.

Zahlen und Zinsen


Nach der Beseitigung der Störfeuer in China und im Iran konzentrieren sich die Anleger auf die laufende Berichtssaison in den USA. Die anziehende Konjunktur dürfte die Gewinne der Unternehmen allmählich wieder deutlicher steigen ­lassen. Die starken Ergebnisse etwa der Großbanken JP Morgan und Citi­group haben diese Einschätzung bestätigt. Im DAX eröffnet der Softwareriese SAP Ende Januar den Zahlenreigen. Für grundsätzlich steigende Aktienkurse spricht auch die anhaltende Niedrigzinsphase. Das Gros der Analysten rechnet in diesem Jahr mit einem stabilen Zinsniveau. Einige Experten erwarten sogar weitere Zinssenkungen.

Zuletzt hatte die US-Notenbank das Zinsniveau Ende Oktober um einen Viertelpunkt auf eine Spanne von 1,5 bis 1,75 Prozent gedrückt. Mit steigenden Zinsen ist auf absehbare Zeit nicht zu rechnen - das macht Aktien attraktiv.

Die Wall Street läuft bereits von einem Rekord zum nächsten, auch deshalb sind US-Titel bei Anlegern sehr beliebt. Im Vergleich dazu haben deutsche Aktien Nachholpotenzial. Im DAX liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für das laufende Jahr bei gut 14. Der breite US-Index S & P 500 ist mit einem KGV von 18 deutlich höher bewertet. Zudem nehmen die Gewinne der DAX-Firmen Fahrt auf: Nachdem sie 2019 gesunken waren, dürften sie 2020 im Schnitt um knapp zehn Prozent zulegen, so Schätzungen von Bloomberg.

Die Redaktion hat insbesondere mit Blick auf das konjunkturelle Umfeld und das Momentum - ein wichtiger charttechnischer Aspekt - fünf ihrer Meinung nach sehr aussichtsreiche Werte aus dem DAX herausgesucht. Anleger mit höherer Risikoneigung setzen auf die drei MDAX-Favoriten der Redaktion.

Zykliker im Kommen


Das Abkommen zwischen den USA und China dürfte Konjunktur und Export einen Schub verleihen. Davon profitieren insbesondere die Zykliker im Leitindex, also jene Unternehmen, die besonders stark vom Konjunkturzyklus abhängen.

Zu jenen zählt Infineon. Der DAX-Konzern steigt mit der angekündigten Übernahme des US-Konkurrenten Cypress Semiconductor zum achtgrößten Chiphersteller der Welt und zur Nummer 1 bei Chips für Autos auf - ein höchst konjunktursensibles Geschäft.

Chef Reinhard Ploss will die neun Milliarden schwere Transaktion nach der Freigabe durch die Kartellbehörden in den ersten Monaten des Jahres endgültig abschließen. Der Deal ist laut Ploss ein großer und richtungsweisender Schritt für die strategische Weiterentwicklung des Unternehmens.

Analysten trauen dem DAX-Konzern einiges zu: Im laufenden Geschäftsjahr dürfte der Nettogewinn trotz der Flaute in der Autobranche in etwa das Vorjahresniveau erreichen. Für das nächste Geschäftsjahr rechnen Analysten auch wegen der Energiewende - Infineon ist als Zulieferer einer der Profiteure - mit einem deutlichen Gewinnanstieg von fast einem Fünftel. Im Einklang mit den positiven Aussichten legte die Infineon-­Aktie zuletzt deutlich zu. Inzwischen rückt das im Sommer 2018 markierte Mehrjahreshoch ins Blickfeld.

Mit weiter steigenden Indexständen und einem Anziehen der Konjunktur stehen auch die Chancen auf weitere Kursgewinne bei der Infineon-Aktie gut.

Börsengang bei Siemens


Auch bei Siemens bestehen berechtigte Hoffnungen auf eine Fortsetzung des Aufwärtstrends. Analysten trauen dem Technologiekonzern im laufenden Jahr weitere Zuwächse bei Umsatz und Gewinn zu. Der von Trump und Liu He unterzeichnete Handelsdeal dürfte diese Entwicklung unterstützen.

Für Fantasie sorgt außerdem der Plan von Siemens-Chef Joe Kaeser, das Kraftwerksgeschäft, den Stromnetzbereich und die Windsparte in einer eigenständigen Gesellschaft zu bündeln und im Herbst unter dem Namen Siemens Energy an die Börse zu bringen.

Für die Aktie spricht außerdem die attraktive Dividendenrendite. Anfang Februar schüttet der DAX-Konzern für das vergangene Geschäftsjahr voraussichtlich 3,2 Milliarden Euro an seine Aktionäre aus.

Volkswagens E-Fantasie


Das vorläufige Ende der Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China dürfte auch dem weltgrößten Autobauer Volkswagen in die Hände spielen. Zudem hoffen Börsianer auf eine Lösung im Streit um die Autozölle zwischen den USA und Europa, mit denen Trump den Europäern droht.

Ungeachtet aller Störfeuer verkaufte VW im vergangenen Jahr so viele Autos wie nie zuvor. Die Wolfsburger lieferten rund elf Millionen Fahrzeuge aus. Damit übertrumpfte VW den Dauerrivalen Toyota zum vierten Mal in Folge.

Aussichtsreich ist auch der Bereich Elektromobilität. VW-Chef Herbert Diess gibt hier Vollgas und will massenweise Elektromodelle auf den Markt bringen - auch, um die immer strengeren Abgasvorschriften zu erfüllen und Strafzahlungen zu vermeiden. In den kommenden vier Jahren investiert der Wolfsburger Autoriese 33 Milliarden Euro in die Elektromobilität.

Gelingt VW wie geplant der Durchbruch im Bereich E-Mobilität, steht einer Neubewertung nichts im Weg. Die VW-Aktie bleibt auch wegen der attraktiven Dividendenrendite von fast drei Prozent aussichtsreich.

Attraktive Dividende bei Allianz


Europas größter Versicherungskonzern legt hier noch eine Schippe drauf: Die Allianz-Aktie bietet aktuell eine Dividendenrendite von über vier Prozent.

Operativ läuft es rund für die Münchner. Dank der florierenden Geschäfte dürfte der Versicherer für 2019 die Dividende zum siebten Mal in Serie an­heben. Insgesamt schüttet der Konzern voraussichtlich rund vier Milliarden Euro - 50 Prozent des Jahresgewinns - aus. Das ist mehr als jedes andere Unternehmen im deutschen Leitindex. Nach der positiven Entwicklung im Vorjahr steigert die Allianz ihren operativen Gewinn (Ebit) 2020 Schätzungen zufolge um fünf Prozent auf 12,4 Milliarden Euro. Damit stünde weiteren Dividendensteigerungen im kommenden Jahr nichts entgegen.

Charttechnisch läuft die Aktie in einem langfristigen Aufwärtstrend. Spätestens mit dem Start der Dividendensaison im Frühjahr dürfte der Titel in den Fokus insbesondere konservativ orientierter Anleger rücken.

Turnaround trotz Roundup


Die Gründe für den jüngsten Kursanstieg beim Pharma- und Chemiekonzern Bayer liegen anders. Denn die vergleichsweise hohe Dividendenrendite von knapp vier Prozent ist auch dem starken Kursverfall zuvor geschuldet. Vor allem die 2016 angekündigte Übernahme des Glyphosatherstellers Mon­santo lastete lange auf der Aktie. Mit 63 Milliarden Dollar war die Transaktion die teuerste ­eines deutschen Unternehmens in der Geschichte. Und sie ging erst einmal gründlich daneben.

Chef Werner Baumann erwarb mit dem Kauf zugleich das negative Image der US-Amerikaner. Wegen der angeblichen Krebsgefahr des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat, vertrieben unter dem Namen Roundup, sieht sich Bayer mit annähernd 43.000 Schadenersatzklagen in den USA konfrontiert. Die angestrebten Entschädigungssummen gehen in die Milliarden.

Ende 2018 kündigte Baumann einen tiefgreifenden Umbau sowie Jobabbau an. Mitte 2019 stoppte die Bayer-Aktie ihre Talfahrt. Neben der laufenden Restrukturierung sorgt die Hoffnung auf eine baldige Lösung in der Causa Glyphosat für neuen Schwung: Bayer arbeitet intensiv an einem Vergleich mit den US-Klägern. Aus dem Verhandlungsumfeld heißt es, dass eine Lösung womöglich schon innerhalb eines Monats gefunden werden könnte. Spätestens auf der Hauptversammlung am 28. April muss Baumann Fortschritte verkünden.

Spekulativ orientierte Anleger setzen auf die Fortsetzung des jüngsten Höhenflugs der Bayer-Aktie.

Hohe Gewinne mit MDAX-Titeln


Für mutigere Anleger lohnt sich auch der Blick in die zweite Reihe der deutschen Aktien. Mit dem im MDAX gelisteten Papier von Bechtle, Deutschlands größtem IT-Systemhaus, zum Beispiel erzielten Aktionäre in den vergangenen fünf Jahren ein Kursplus von 260 Prozent. Ein Ende des Höhenflugs ist nicht in Sicht. Die Süddeutschen profitieren von der Digitalisierung der mittelständischen deutschen Unternehmen und dem Boom des Internethandels. Im dritten Quartal wuchs das Geschäftsfeld IT-E-Commerce mit über 30 Prozent ­besonders stark.

Für das laufende Jahr rechnen Analysten mit einem Gewinnanstieg von sieben Prozent im Gesamtkonzern. Auch in den Folgejahren dürfte Bechtle auf Kurs bleiben. Ein Grund ist der von Firmenchef Thomas Olemotz festgelegte Expansionskurs. Olemotz baut verstärkt auf Übernahmen. Erst vor wenigen Tagen gab Bechtle den Kauf der Schweizer IT-Firma Wide Technology Partners bekannt.

Puma jagt in der NBA


Auch für den Sportartikelhersteller Puma läuft es rund. Das zeigt sich im Aktienkurs, der in den vergangenen zwölf Monaten um rund 70 Prozent davon­sprintete. Die Sportklamotten mit der Raubkatze als Logo sind gefragt wie nie zuvor. In den USA etwa profitiert Puma von Ausrüsterverträgen mit Spielern der Basketball-Profiliga NBA. In diesem Jahr steigern die Franken ihre Gesamt­erlöse um rund elf Prozent und damit stärker als der Gesamtmarkt, prognostizieren Analysten - der Nettogewinn soll dabei um fast 25 Prozent zulegen. Im Vorfeld der Fußball-EM und der Olympischen Sommerspiele in Tokio dürfte die Aktie in den kommenden Monaten weiter Fahrt aufnehmen.

Sartorius zählt zu den heimlichen Stars im MDAX. Trotz der fulminanten Kursentwicklung von mehr als 700 Prozent in den vergangenen fünf Jahren ist der Pharma- und Laborzulieferer noch eher unbekannt.

Die Göttinger sind mit Produkten wie Laborwaagen, Bioreaktoren, Zentrifugen oder Filtrationssystemen in einem Zukunftsmarkt tätig. Für Potenzial sorgt die angekündigte Übernahme von Teilen des Life-Science-Geschäfts des US-Medizintechnikriesen Danaher. Der 750 Millionen Dollar teure Zukauf stärkt Sartorius in Bereichen wie Analyse­ausrüstung für die Wirkstoffforschung oder Chromatografiesysteme für die Arbeit mit Zellkulturen. Laut Chef Joachim Kreuzburg weisen die Geschäfte ein "starkes Wachstumsprofil" auf.

Die Übernahme der Danaher-Sparte soll im ersten Quartal dieses Jahres ­unter Dach und Fach gebracht werden. Solcherart gestärkt, könnte die Sartorius-Aktie trotz langer Rally neue Höchststände erklimmen.