Der massive Kursverfall beim Essenslieferdienst Delivery Hero um über 40 Prozent an den vergangenen beiden Handelstagen könnte in den kommenden Tagen und Wochen noch weitreichende Folgen haben. So droht dem Konzern aufgrund des pulverisierten Börsenwerts der Rauswurf aus dem DAX. Seit Herbst hat die Aktie rund zwei Drittel ihres Wertes verloren, die Marktkapitalisierung lag zuletzt noch bei rund zehn Milliarden Euro, der für die Index-Notiz zurechenbare Streubesitz bei rund sieben Milliarden Euro.

Der vom Daimler-Konzern abgespaltene Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck hat mit einer Marktkapitalisierung von fast 27 Milliarden Euro bei der nächsten Indexüberprüfung der Deutschen Börse Anfang März dagegen die besten Chancen auf einen Aufstieg in den DAX. Bislang war der Konsumgüterkonzern Beiersdorf der wahrscheinlichste Abstiegskandidat. Beiersdorf kommt derzeit auf eine Marktkapitalisierung von 19 Milliarden Euro. "Ich halte es für denkbar, dass bei der nächsten Indexüberprüfung im März Delivery Hero statt Beiersdorf den DAX verlassen müsste für Daimler Trucks", sagt Indexexperte Luca Thorißen von der Stifel Europe Bank in Frankfurt. "Bleibt Delivery Hero auf dem Niveau von Freitag stecken, also Kurse um die 40 Euro, werden Sie vermutlich den DAX verlassen müssten. Kommt eine erste Gegenreaktion aus dem Markt und wir sehen wieder Kurse näher an 50 Euro, dann ist es wahrscheinlicher dass Beiersdorf geht", erläutert Thorißen.

Delivery Hero folgte auf Wirecard


Delivery Hero war erst Mitte 2020 in den DAX aufgestiegen und hatte dort den in einen Bilanzskandal verwickelten Zahlungsdienstleister Wirecard ersetzt. Das Delivery-Hero-Drama hat inzwischen auch die Finanzaufsicht Bafin auf den Plan gerufen. Die Finanzmarktaufseher sehen sich die Handelsaktivitäten "routinemäßig" an, wie es heißt. Diese Prüfung umfasse auch "mögliche Verstöße gegen Transparenzpflichten", sagte ein Sprecher gegenüber der "Wirtschaftswoche".

Der Kurssturz nahm seinen Lauf, nachdem der Essenslieferdienst am Donnerstag Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr veröffentlicht hat. Demnach rechnet der Konzern mit langsamerem Umsatzwachstum und höheren Verlusten als erwartet. Die Aktie war daraufhin um 31 Prozent auf 46 Euro abgestürzt und hatte am Donnerstag ihre Talfahrt um weitere zwölf Prozent auf 40 Euro fortgesetzt.

Unterdessen haben auch zahlreiche Analysten ihre Kursziele gesenkt - trotz weiter guter Rahmenbedingungen für die Branche, was den Delivery-Hero-Vorstand in Erklärungsnot bringe, wie es beispielsweise bei Goldman Sachs hieß. Bei anderen Analysten hieß es, man habe "das Vertrauen verloren" und sei "frustriert". Die meisten Analysten hatten in den vergangenen Wochen die Aktie zum Kauf empfohlen. Die Kursziele lagen dabei zwischen 100 und 180 Euro. Goldman Sachs, Barclays, JP Morgan und Bernstein Research reduzierten nach den Zahlen ihre Kursziele, behielten aber ihre Kaufempfehlungen bei. Goldman Sachs sprach von unverändert guten Rahmenbedingungen für die Branche. Bei Barclays hieß es, man sei weiterhin überzeugt vom Geschäftsmodell. Es handle sich bei Delivery Hero jedoch um eine "weitere Internet-Aktie mit einem vorübergehenden Problem". Die DZ-Bank blieb bei ihrer zuvor schon eingenommenen "Halte"-Empfehlung, reduzierte das Kursziel aber von 94 auf 50 Euro. Nach dem Ausverkauf spiegele der Aktienkurs die Risiken angemessen wider, erklärte der DZ-Bank-Analyst Manuel Mühl.